Wie begeistert man 2024 die nächste Generation für "Kunst und Kultur", jenseits von König Fußball? Drei junge fränkische Künstlerinnen, Julia Dorothea von Schottky, Anna Albert und Inka Schottdorf, gehen den direkten Weg. Aus der Kunstfabrik eilt das Trio über die Straße, um Zuschauer des EM-Spiels Türkei-Portugal mitzunehmen, aus dem Public Viewing in der Spitalstraße. In Windeseile entsteht eine Art Performance mit jugendlichen Türkeifans, die den spontanen Ausflug in die Exposition nebenan per Selfie festhalten. "Fabulöser Kunstverkauf" nannte sich das verlängerte Wochenende, am Freitag wurden einzelne Werke entpackt und dann zwei Tage lang die dazugehörigen Kunstwelten präsentiert, bei der Abschlussausstellung im offenen Atelier, mit Porträtzeichnen, Shiatsu-Massagestuhl und Verkauf.
Bis Ende Juni sind die Objekte noch zu sehen, von 10 bis 18 Uhr. Dazu gibt es Holzkunst von Thomas Roth, Geometrisches und Surreales von "Jot-Art" aus Heidenfeld, Urban Sketching von Axel Weisenberger sowie Gemälde der Ukrainerin Lena Korchminska – die aus leidvoller Erfahrung weiß, dass Leben etwas ist, was man besser nicht aufschieben sollte.
Nebeneinander von Objektkunst, Skulpturen und Malerei
"Art in Residence" nennt sich das Konzept im ehemaligen Möbelhaus in der Spitalstraße 29, wo Passanten vorbei flanieren und Kunst beim Entstehen zuschauen dürfen, mit regelmäßig wechselnden Ausstellern. Julia, Anna und Inka, die allesamt Hochschulausbildung mitbringen, wohnen für die Dauer der Ausstellung in einer WG nebenan.
Entstanden ist ein flottes Nebeneinander von Objektkunst, Skulpturen, Malerei. Julia Dorothea von Schottky, die in Sennfeld lebt, hat Betonbohrkerne aus der Kunstfabrik-Baustelle am holländischen Strand vergraben. Original Nordsee-Sand umringt jetzt im Gegenzug Kunstgestein in der Schweinfurter Fußgängerzone. Wer da ans Roadmovie "Knockin´ on Heaven´s Door" denkt, liegt gar nicht mal so verkehrt. 15 Jahre ist es her, da hatten die Freundinnen einen schweren Autounfall, in den Niederlanden, und kamen mit dem Schrecken davon. Ein Albtraum soll wiederum Salvador Dalí zu seinem berühmten Elefanten auf Spinnenbeinen inspiriert haben. Schwarze Romantik findet sich auch in den Werken der zeitgenössischen Künstlerin von Schottky, die Pflanzen als "Alchemilla" sammelt oder Insekten mit winzigen Figürchen kombiniert, als Chimären der Gegenwart. Angefangen hat es mit einem Kuhhorn. Das dazugehörige Tier war schon verblichen, kein Lebewesen soll für die Kunst sterben, so lautet das Credo.
Gefühlvolle Hommage an Gustav Klimt
Um den Fluch des (Neo-)Kolonialismus geht es, unter anderem, in den Werken der Textilkünstlerin Inka Schottdorf, die sich in Bad Bocklet und Halle verortet. Ihre Werke drehen sich um Faden und Farben, mit modernen Wandteppichen und Altarkunst– unter dem Eindruck von Projekten in der mexikanischen Provinz Oaxaca, wo es um soziale, kulturelle, wirtschaftliche und politische Anliegen der zapotekischen Ureinwohner geht. Gerade erst hat Schottdorf "evnia" mit herausgegeben, als Kunstmagazin, zusammen mit dem Hallenser Künstler Alexander Roschke, BLECH-Raum für Kunst Halle und Ojo tres, einer Druckerei aus Oaxaca de Juarez, mit Artikeln zu Rassismus, Globalisierung, Landgrabbing, der Angst des weißen Mannes.
Last but not least gibt es "Graphical Recording" der Hammelburger Illustratorin Anna Albert: Die Kunst, komplexe Zusammenhänge zeichnerisch darzustellen. Dazu gesellen sich Wandgemälde, Kalligrafie, Workshops, Grafikdesign – mit dem Wunsch, der grauen Welt Farbe und Schwung zu verleihen. "Ich helfe, die Kommunikation mit den Mitmenschen besser zu gestalten", wirbt die Kommunikationsdesignerin. Nach einer Karriere in der IT-Branche hat wiederum "Jot" kreativ durchgestartet, bürgerlicher Name Jürgen Schneider, ein spätberufener, aber frisch gebliebener Maler aus der Gemeinde Röthlein. Besonders stolz ist Jot auf eine gefühlvolle Hommage an Gustav Klimt: "Der Kuss".