Noch etwas schüchtern folgt Angel ihrer Mutter Pepina auf die Weide. Diese lässt ihr Kleines nicht aus den Augen. Drei Wochen alt ist das Alpaka-Baby mit dem weichen, weißen Fell auf der Crazy-Horse-Ranch – und schon der Liebling aller. Jeden Tag kommen Kinder und auch Erwachsene aus dem Dorf vorbei, um nach dem neuen Einwohner aus der Familie der Kamele zu schauen, erzählt Daniela Reißig. „Wir sind froh, dass Angel gesund ist. Mittlerweile wiegt sie schon über zwölf Kilo“, sagt sie. Täglich einmal steigt die 48-Jährige mit dem Mini-Alpaka auf die Waage. Ihr Mann Roland prüft dann auch das Gebiss. Sobald die Prozedur beendet ist, will Angel dann nur noch zu Mama Pepina, um ihren Durst zu stillen.
Eigentlich haben die Reißigs eine Pferderanch mit zwei eigenen Pferden und weiteren, die von ihren Eigentümern hier untergestellt werden. „Auf einer Messe in Stuttgart haben wir dann einen Alpaka-Züchter aus Nürtingen kennengelernt“, erzählt Roland Reißig. Sofort war das Ehepaar fasziniert von den intelligenten und freundlichen Tieren, deren ursprüngliche Heimat in den Anden Südamerikas liegt.
Nach einem Einsteiger-Seminar für Alpaka-Halter fanden im vergangenen Jahr vier Tiere in Schraudenbach ihr Zuhause: die Wallache Aragon und Lukas, Hengst Flecki und Stute Pepina. Mittlerweile sind die Stuten Luna und Fiona dazugekommen sowie Angel, das Jungtier, auch „Cria“ genannt.
„Wir hatten keine Ahnung, dass Pepina trächtig ist“, sagt Daniela Reißig. Ihr Hengst Flecki, der nur einen Hoden hat, sei nicht kastriert worden. „Es hieß, da könne sowieso nicht passieren“, erklärt Roland Reißig und betrachtet lächelnd das kleine weiße Bündel im Arm seiner Frau. An dem Tag vor drei Wochen hatten Kinder aus dem Dorf die Alpakas beobachtet. „Plötzlich kamen sie angerannt und meinten, dass Pepina ein Baby bekommt. Ich verneinte das natürlich“, erzählt der 50-Jährige. Doch dann sei das Wunder geschehen: „Die Geburt verlief unkompliziert und schnell. Schon war das Kleine da und ich rief erstmal beim Züchter an, was nun zu tun sei.“
Zuvor – in den Pfingstferien – hatte Daniela Reißig zusammen mit Freundin Nicole Schöps eine Wandertour mit Hunden und Alpakas organisiert. Los ging es in Randersacker über den Fränkisch-Schwäbischen Jakobsweg bis nach Rosenberg. Mehr als 100 Kilometer in sieben Tagen. Aber ohne die Tiere zu bepacken. „Alpakas sind keine typischen Lasttiere. Beim Wandern geht es uns um das Erlebnis, mit dem Alpaka in der Natur unterwegs zu sein“, so die 48-Jährige.
Nicht nur einmal war das ungewöhnliche Gespann die Sensation. Schnell wurden Kontakte geknüpft, zum Beispiel als die Tiere auf der Wiese grasten, im Dorfbrunnen badeten oder die Fußgängerzone in Rothenburg entlang liefen. „Lukas entdeckte außerdem seine Liebe zum Wasser“, erzählt Nicole Schöps. Die Freundinnen übernachteten in Pensionen, die Alpakas Lukas und Pepina in ihrem Hänger vor der Tür. „Den setzten unsere Männer jeden Tag um“, so Daniela Reißig. Wegen des logistischen Aufwands hatten die Frauen die Reise bereits ein halbes Jahr zuvor bis ins kleinste Detail geplant.
Nicht geplant war der blinde Passagier, der einige Tage nach Ende der Reise das Licht der Welt erblickte. Wie die Tierärztin mitteilte, sei die Bewegung für das trächtige Alpaka sogar gut gewesen, erklärt Roland Reißig. Mit seiner Frau ist er dabei, eine eigene Zucht aufzubauen. „Wenn alles gut läuft, haben wir nächstes Jahr zwei weitere Crias bei uns.“ Außerdem bieten die Reißigs kleinere Trekkingtouren an. An Kindergeburtstagen können die Tiere ebenfalls zum Einsatz kommen, zum Beispiel bei Ausflügen in die Natur. „Durch ihre Ruhe und Ausgeglichenheit sind sie dafür gut geeignet.“
Begeistert ist das Paar auch von dem weichen Vlies der Alpakas, der von den Inkas als Götter-Vlies bezeichnet wurde. „Seit ich meine Bettdecke mit Alpaka-Wolle habe, würde ich sie gegen nichts eintauschen“, sagt der 50-Jährige und lacht.
Hinweis: Mehr Informationen zu den Alpakas und Exkursionen gibt es im Internet unter www.werntal-alpakas.de