Die Veranstaltungsreihe „Gerolzhöfer Familien stellen sich vor“, organisiert vom Historischen Verein, ist ein Erfolgsschlager. Auch zur jüngsten Veranstaltung im Dachgeschoss der Stadtbibliothek kamen wieder zahlreiche Besucher. Diesmal ging es unter anderem um die Familien Sperling und Engert. Ausgeschmückt mit zahlreichen Bildern aus dem privaten Fotoalbum stellten Werner Sperling und Günter Engert ihre Familienchroniken vor.
Werner Sperling, Seniorchef des Maler- und Verputzergeschäfts Sperling und waschechter Gerolzhöfer, präsentierte mit reichlich Wortwitz seine Wurzeln. In seiner Ahnenforschung ist es Sperling gelungen, seine Vorfahren bis zum Jahr 1733 lückenlos zurückzuverfolgen. Das bislang älteste Dokument stammt vom 18. Mai 1733 und belegt, dass der bereits verwitwete Schäfer und damalige Gemeindediener von Reupelsdorf, Anton Sperling, die keusche Jungfrau Margarethe Wiener heiratete. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten die Nachkommen dieses Paares in Reupelsdorf, Wiesenbronn, Rimbach und schließlich in Frankenwinheim. Sie waren als Schäfer jeweils Bedienstete bei den Adelsfamilien derer von Castell, Schönborn und Fuchs von Bimbach. Die Ehefrauen verdienten als Tagelöhner in der Landwirtschaft noch etwas zum Familienunterhalt dazu.
Der letzte Schäfer in der 200-jährigen Tradition der Familie war Kaspar Sperling (der Urgroßvater von Werner Sperling), der von 1853 bis 1901 in Frankenwinheim lebte und dessen Familie dort den Dorfnamen „Die Schaffern“ erhielt, der auf ihren Beruf anspielte.
Der älteste Sohn des Schäfers Kaspar Sperling war Josef Andreas, der 1908 in Frankenwinheim das heute noch existierende Baugeschäft gründete. Ein jüngerer Bruder von Josef Andreas war Balthasar Sperling, der Großvater von Werner Sperling. Er wurde 1890 in Frankenwinheim geboren und arbeitete später als Maurer in der Firma seines Bruders mit.
„Sein großes Ziel war es, ein eigenes Haus zu besitzen“, berichtete Werner Sperling, Und seiner damaligen Braut Johanna Lindner habe er fest versprochen, dass nach der Fertigstellung des Hauses auf jeden Fall geheiratet wird. Allerdings habe sich die Bauzeit des Hauses in die Länge gezogen, schmunzelte Werner Sperling – und so kam es, dass zwei Söhne schon vor der Hochzeit geboren wurden.
Insgesamt elf Kinder
Nach dem Einzug ins neue Haus und nach der Hochzeit kamen dann noch weitere neun Kinder dazu. Werner Sperlings Vater August wurde 1911 geboren. Er war einer der beiden Söhne, die schon während der langen Bauphase des Hauses zur Welt gekommen waren.
August Sperling erlernte den Beruf des Tüncher und Verputzers in der benachbarten Stadt Gerolzhofen. Mit 18 Jahren verlor er bei einem Unfall beim Kalklöschen sein rechtes Augenlicht. 1934 heiratete August die Gerolzhöferin Maria Henneberger. Das Paar bekam drei Töchter: Reinhilde Schüppel (lebt heute noch in Gerolzhofen), Edeltraud Goulet (lebt in Florida) und Thea Marschhäuser (lebte zunächst in Kanada, jetzt in der Nähe von New York).
Die Eltern zogen mit ihren Kindern dann in eine größere Mietwohnung in das Anwesen Engert in der Rügshöfer Straße um, wo schließlich als viertes Kind 1939 auch der Sohn Werner das Licht der Welt erblickte. „Wir erlebten hier eine wunderschöne Kindheit mit der Allee als Spielplatz. Und es bildeten sich Freundschaften mit den Kindern der Familie Engert, die heute noch Bestand haben“, erzählte Werner Sperling.
Als 1952 die Stadt Gerolzhofen zwei landwirtschaftliche Anwesen in der Steingrabenstraße kaufte und abbrach, um eine Verlängerung der Weiße-Turm-Straße in Richtung Osten zu schaffen, bauten August und Maria Sperling 1953 an der neu entstandenen Jahnstraße ein Wohnhaus samt Werkstatt und Gerüsthalle. Sohn Werner legte 1962 die Meisterprüfung als Malermeister ab und heiratete im gleichen Jahr die aus Stetten bei Karlstadt stammende Anita Gaul.
Das junge Glück zog mit in das umgebaute Elternhaus an der Jahnstraße ein, wo es auch noch heute wohnt. Firmengründer August Sperling starb im Jahr 2000 mit 88 Jahren, seine Witwe Maria entschlief 2006 im hohen Alter von fast 96 Jahren. Aus der Ehe von Werner und Anita Sperling gingen die Töchter Ingrid Feil und Jutta Konrad, sowie Sohn Harald hervor. Malermeister Harald Sperling führt derzeit den Betrieb, einer seiner Söhne, Steffen Sperling, hat ebenfalls schon die Meisterprüfung abgelegt und arbeitet als Vertreter der vierten Generation auch im Familienbetrieb mit.
Familien Engert
Günter Engert, einer der von Werner Sperling erwähnten Spielkameraden aus der Rügshöfer Straße, stellte die Familiengeschichte der Engerts und des gleichnamigen Autohauses in Gerolzhofen vor. Max Engert wurde 1906 in Alitzheim als Sohn einer Bauernfamilie geboren, in dem Haus, wo heutzutage noch die Ofen- und Kaminbaufirma Engert ihren Sitz hat. 1921 begann Max eine Lehre in der damals ersten Kfz-Werkstatt in Gerolzhofen bei Nikolaus Pfister sen., zunächst in der Schuhstraße und dann im von Pfister neu gebauten Anwesen an der Dreimühlenstraße.
1931 heiratete Max Engert die ebenfalls aus Alitzheim stammende Agnes Kleinhenz. Das Paar bekam sechs Kinder: die Töchter Irma (Barth) und Elfriede (Weigand, verw. Haderlein) sowie die vier Söhne Albert, Herbert, Günter und Karlheinz Engert.
Mit seiner Meisterprüfung und dem Erwerb aller Führerscheinklassen legte Max Engert 1936 den Grundstein für seine Firmengründung. Gemeinsam mit Hans Zeller wurde in einem früheren landwirtschaftlichen Anwesen in der Rügshöfer Straße, schräg gegenüber der Friedhofskapelle St. Michael, die Firma „Engert und Zeller“ eröffnet. Die bestehende Scheune wurde zur Werkstatt umfunktioniert und man eröffnete eine Shell-Tankstelle.
In erster Linie wurden damals Motorräder der Marke NSU repariert, hinzu kam eine Verkaufsvertretung für landwirtschaftliche Schlepper der Marke Hanomag. Das geräumige ehemalige Bauernhaus diente lange als Familienwohnung – unter anderem mit der Familie Sperling als Untermieter.
Vertragswerkstatt von Volkswagen
1948 endete die Partnerschaft zwischen Hans Zeller und Max Engert. Zeller gründete an der Frankenwinheimer Straße eine eigene Kfz-Reparaturwerkstatt und Engert führte die Firma in der Rügshöfer Straße fortan als alleiniger Inhaber weiter. Gleichzeitig erfolgte durch Engert die Gründung eines Shell-Großtanklagers für Diesel und Heizöl im Bereich zwischen der Kolpingstraße und den Bahngleisen (heute ist dort die Freie Tankstelle Walther). Das Tanklager wurde Anfang der 50er-Jahre dann von Ludwig van Eckert übernommen und weitergeführt.
1950 gelang es Max Engert, dass sein Unternehmen als eines der ersten in Unterfranken den Zuschlag als Vertragswerkstatt von Volkswagen erhielt. Mit der zunehmenden Verbreitung des Automobils entwickelte sich auch die Firma bestens. 1957 wurde der älteste Sohn Albert als Teilhaber im Betrieb aufgenommen, der sich fortan „Engert & Sohn“ nannte.
Große Investitionen standen 1959/1960 an. Die alte Bausubstanz wurde abgerissen und an gleicher Stelle ein neues Wohnhaus mit Ausstellungs- und Büroräumen,Waschhallen und eine neue Tankstelle errichtet. 1963 trat auch der zweitälteste Sohn Herbert in die Firma ein, deren Firmierung sich nun in „Engert & Söhne“ änderte. Vater Max war für die Geschäftsführung zuständig, Albert für den Verkauf und Herbert für die Werkstatt mit Service.
1968 konnte das südlich in Richtung Steingrabenstraße liegende Anwesen von Maria Kuhn zugekauft werden. Dort entstanden in der Folge eine Lackiererei sowie Sozial- und Aufenthaltsräume. Ein Jahr später wurde die Firma umstrukturiert: Teilhaber Herbert Engert schied aus und gründete ein Kfz-Sachverständigenbüro in der Berliner Straße, Firmengründer Max Engert zog sich aus Altersgründen ebenfalls zurück.
Alleiniger Inhaber war fortan Albert Engert, der aber die Firmierung bei „Engert & Söhne“ beließ. Er machte sich – neben der Führung seines Gerolzhöfer Unternehmens – in Fachkreisen auch einen Namen als Erfinder von patentierten Kleinwerkzeugen und Großgeräten, die speziell in Kfz-Werkstätten zum Einsatz kommen.
1990 erfolgte die Übergabe des Betriebs von Albert Engert an seinen einzigen Sohn Roland. Das östlich angrenzende Anwesen der Familie Kleedörfer wurde erworben.
Später geriet die Firma allmählich in Schieflage, unter anderem verursacht durch gravierende Änderungen am Kfz-Markt, hervorgerufen durch den Autohandel im Internet. Am 1. August 2015 wurde das Insolvenzverfahren über den Betrieb eröffnet. Verkaufsbemühungen sind bis heute nicht erfolgreich gewesen.