Die Lücke zwischen Theater-Park und Zeughaus wird – wie vielfach berichtet – mit einem Hotel, einem Studentenwohnheim sowie zwei weitere Hochbauten für Büros, Läden und Wohnungen geschlossen. Der Abriss des maroden Parkhauses startet Anfang September, zunächst mit der Entkernung innen, dann außen. Die geplante Tiefgarage mit 477 Stellplätzen soll vor Weihnachten 2012 fertig sein.
Im Vorgriff auf den Bau der mehrstöckigen Tiefgarage haben auf dem Gelände an der Hadergasse schon geraume Zeit Archäologen der Firma für Ausgrabungen und Dokumentation Heyse (Schwarzach) das Sagen. Das Areal erstreckt sich nämlich über einen Bereich, der nach der Stadterweiterung von 1437 zu Schweinfurt kam und auch bebaut wurde.
Bei ersten Grabungen an der Ecke Wolfs-/Hadergasse wurden Hinterhöfe und Keller von einst dort stehenden Häusern freigelegt. Nach alten Plänen gab es hier rund ein Dutzend Gebäude, bewohnt von Klein-Handwerkern und Tagelöhnern. Bestens erhalten ist ein gepflasterter Hinterhof eines der Gebäude (Flurnummer 733), deren Grundmauern sich allerdings unterhalb der Fahrstraße Wolfsgasse befinden. Entdeckt wurden auch spätmittelalterliche Gebrauchskeramik, was die Datierung erleichtert.
Großzügige Gartenanlage
Jetzt sind die Heyse-Mitarbeiter im Bereich des so genannten Lebküchnerhauses aktiv. Es hatte laut einem Merian-Stadtplan von 1648 im rückwärtigen Bereich (Richtung Theater) eine großzügige Gartenanlage. Die bisherigen Funde bestätigen das.
Das Gebäude, das in etwa auf Höhe der Fußgängerampel Wolfsgasse an der Treppe zum Parkplatz stand, reicht ebenso bis in die Mitte der Wolfsgasse hinein. Freigelegt werden können also nur Teile, wie das nun entdeckte Fundament der zweiflügeligen Giebelwand. Das Gebäude war Richtung Hadergasse orientiert, was sich mit ihrer früheren Straßenführung erklärt. Die Hadergasse verlief seinerzeit in einem Bogen direkt auf die Straße Am Zeughaus, bildete also mit der Wolfsgasse eine Kreuzung. Die „alte Hadergasse“ ist komplett frei und zu bewundern.
Das Haus war 1598 von Dr. Paul Brückner erbaut worden, einem weit gereisten Juristen aus dem Hochstift Bamberg. Er trat in den Dienst der Stadt, siedelte deshalb über und machte sich vor allem für die protestantische Sache stark und einen Namen.
„Dr. Paul Brückner hat in den 28 Jahren seines Wirkens in Schweinfurt die reichsstädtische Politik wesentlich mitbestimmt“, schreibt der frühere Stadtarchivar Dr. Erich Saffert in einem Aufsatz, erschienen am 3. Oktober 1961 in den Schweinfurter Heimatblättern.
Es war ein echtes Renaissancehaus, das keinen überflüssigen Prunk aufwies, aber ein Zeugnis soliden Bürgertums war, schreibt Saffert und meint: Brückner konnte es sich leisten, nur hochwertige Materialien zu verbauen. Er leistete sich auch einen nachgotischen Treppentrum, der vermutlich sogar auf einem alten Brunnenschacht stand. Prägnant war der Laubengang.
Letzter Besitzer war die Weinunternehmerfamilie Lebküchner, weshalb der Schweinfurter bis heute vom Lebküchnerhaus spricht. Die Familie kam aus der Oberpfalz nach Schweinfurt. Johann Heinrich Lebküchner führte einen Weingroßhandel, in den Gewölben befand sich die Weinkellerei.
Das Lebküchnerhaus wurde wie die anderen Gebäude in der Umgebung durch Bomben beim Angriff 24./25. Februar 1944 zerstört. Der in der Neutorstraße lebende „alte Schweinfurter“ Willy Götz hat der Redaktion Bilder des Hauses kurz vor der Zerstörung und nach den Bombenwürfen zur Verfügung gestellt.
Luftaufnahmen der Army zeigen, dass die Alliierten in diesem Bereich hagelgleich abgeworfen haben. Bombenteile wurden aktuell aber noch immer nicht gefunden. Die Ruine des Lebküchnerhauses wurde 1961 abgerissen.
Mittealter-Archäologe Dieter Heyse bestätigte bei der aktuellen Besichtigung, dass Siedlungskeramik aus der Zeit vor der Erbauung des Hauses 1598 gefunden wurden, sprich: es gab hier schon früher Bautätigkeit. Schweinfurt nannte der Firmeninhaber, dessen Unternehmen schon vielfach hier tätig war, wegen seiner reichsstädtischen Geschichte „ohnehin besonders interessant“. Das Selbstbewusstsein seiner Bürger zeige sich auch bei der Hadergasse wieder. Ein Lob setzte er auch für die Stadt, deren Verantwortliche im Gegensatz zu Bamberg oder Würzburg „ganz anders mit der Archäologie umgehen“.
Noch wenige Wochen bleibt der Firma Heyse Zeit für ihre Rettungsgrabungen. Gerettet wird gleichwohl nichts. Spätestens Ende September rücken die Bagger an, heben das Areal für die Tiefgarage bis zu 15 Metern aus. Dieses weitere Stück Alt Schweinfurt wird also verschwinden, aber der Nachwelt erhalten bleiben.
Reinigen, fotografieren, vermessen
Jeder Fund wird gereinigt, jede freigelegte Stelle fotografiert und vermessen. Eingesetzt werden normale Vermessungsgeräte, aber auch ein 3-D-Laserscanner, der die Bauten dreidimensional abbilden kann.
Laut Baureferent Jochen Müller wird es am Tag des offenen Denkmals am 11. September in jedem Fall eine öffentliche Begehung des Areals geben, im August vermutlich eine erste. Demnächst wird auch eine Infotafel den täglich vielen Zaungästen Erklärungen liefern. Die Dokumentation soll nach ihrer Fertigstellung im Bürgerservice oder Foyer Neues Rathaus präsentiert werden.
Im Stadtrat wurden vor wenigen Tagen die Mittel für diese archäologischen Grabungen bereit gestellt. Die 300 000 Euro werden vermutlich nicht komplett benötigt.
Das Parkhaus wird Ende August geschlossen. Die Stadt garantiert allen Dauerparkern einen Standplatz auch in der neuen Tiefgarage, während der Bauzeit können die Mieter ihr Auto am wieder bewirtschafteten Parkplatz an der Niederwerrner Straße (Ex-Schreinerei) kostengünstig abstellen.