Das für die ganze Region vom Main bis in die Rhön zuständige Wasserwirtschaftsamt in Bad Kissingen wirbt für das Flächenrecycling als Alternative zum Bauen auf der grünen Wiese. Die Behörde nennt dazu zwei „Best-Practic-Beispiele“, – beide aus Schweinfurt: die Stadtgalerie auf dem Gelände des ehemaligen SKF-Werkes 1 und die Filmwelt, die mitten in der Stadt auf dem Terrain des einstigen Gaswerkes steht.
Die Altlasten waren neben dem Waldsterben eines der großen Umweltthemen in den 1980er-Jahren. Der damalige Baureferent der Stadt, Hartmut Roggatz, stellte sich der Problematik, suchte die Unterstützung der Bürger, und zusammen fand man 74 mögliche Belastungsgebiete innerhalb der Stadtgrenzen. Nach ersten Erkundigungen verblieben 46 Standorte im Altlastenkataster.
Heute habe man alles im Griff, sagt Schweinfurts Ordnungs- und Umweltreferent Jan von Lackum im Gespräch mit dieser Zeitung. Bis in das Jahr 2011 habe die Verwaltung ständig über die Fortschreibung des Katasters informiert, seither nur noch über einzelnen Projekte, weil die Situation an Brisanz verloren habe.
Aktuell beschäftigt sich die Stadt mit der Altlast an der Bellevue (ehemalige Farbenfabrik). Der mit Arsen und Schwermetallen belastete Boden ist abgetragen. Wieder anzulegen ist nur noch der Radweg. Permanent zu überwachen sind die Hinterlassenschaften einer weiteren Farbenfabrik (Gademann) in der Vorderen Wehr. Die dortige Altlast ist mittels Spundwand eingekapselt. Geprüft wird aktuell, ob sich die Giftstoffe über Absaugen des Regenwassers ausreinigen lassen. Anvisiert ist der Beginn der Maßnahme für die Jahre 2017/18.
Beobachtet wird der Steinach und die benachbarte Kleingartenanlage bei Oberndorf. Häuser und Gärten stehen auf einem ehemaligen Altarm des Mains, der nach dem letzten Weltkrieg mit allerhand Schutt – auch aus der Industrie – verfüllt wurde. Probebohrungen gab es in diesem Bereich letztmals im vergangenen Sommer.
Eine hydraulische Brunnensanierung läuft auf dem Betriebsgelände von ZF an der Ernst-Sachs-Straße. „Unspektakulär“, so Jan von Lackum, denn das Grundwasser sei nicht gefährdet. In das Grundwasser sind dagegen leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe auf dem Betriebsgelände von Schaeffler an der Georg-Schäfer-Straße geraten. Die Bodensanierung läuft. Die Lösungsmittelreste werden ausgefiltert. Das dann wieder saubere Grundwasser zurückgepumpt. Solche und ähnliche Maßnahmen laufen im Bereich der Großindustrie seit Jahrzehnten, die genannte Brunnensanierung seit 1996.
Nicht voran kommt die Bodensanierung auf dem Grundstück der ehemaligen chemischen Reinigung Leimeister am Lindenbrunnenweg. Nach der Insolvenz seien viele Fragen offen, so Lackum, der allerdings keinen akuten Handlungsbedarf sieht. Sauber ist die Manggasse 8 (ehemals eine Reinigung). Mit dem Aushub für den neuen REWE-Markt wird auch die Altlast Heckenweg beseitigt sein. Beobachtet wird die Niederwerrner Straße 4, wo einst eine weitere Farbenfabrik stand. Eingekapselt ist die Altlast unter der Betriebstankstelle Erik Walther GmbH & Co. KG in der Hafenstraße.
Erste Untersuchungen haben in der Ledward-Kaserne keine Altlasten ergeben. Umfassend ist das Gelände jedoch noch nicht geprüft. Ausgetauscht ist das von einem ehemaligen Tanklager belastete Erdreich in der Hauptbahnhofstraße 1b. Saniert ist das Gelände des ehemaligen Tanklagers der Firma Mai. Gleiches gilt für die Maibacher Straße 57, wo die Hinterlassenschaften einer chemischen Reinigung bereinigt sind.
„Viel ist erledigt, wir haben die Altlasten im Griff“, sagt der Umweltreferent, der weiterhin ein Auge auf die Standorte im Altlastenkataster werfen will, darunter auch der Schuttberg, wo nach dem Weltkrieg der Abraum entsorgt wurde. Auch dort gibt es Messpunkte, aber keine nachweisbare Belastung im Grundwasser.
Gaswerk und SKF 1
Vorbildliche Sanierung: Am Marienbach wurde von 1857 bis 1965 auf Steinkohlebasis Stadtgas produziert. Der kleinere der beiden Gasometer entstand bereits 1889 und galt zuletzt als der älteste erhaltene Teleskop-Gasbehälter in Deutschland. Die Bodenerkundung ab dem Jahr 2000 ergab erhebliche Kontaminationen des Erdreiches, der Bodenluft und des Grundwassers.
Die Stadtwerke sanierten von Oktober 2004 bis Mai 2006 das Gelände für rund 2,5 Millionen Euro. In zwei Bauabschnitten wurden 12 800 Kubikmeter belastetes Erdreich bis zu einer Tiefe von sieben Metern ausgehoben (im Kernbereich durch Einhausung wegen Geruchsbelästigung).
Auf der sanierten Fläche entstand das Multiplex Kino „Filmwelt“ mit sieben Sälen und 1100 Sitzplätzen einschließlich Gastronomie.
Das Areal des ehemaligen SKF-Werkes 1 ist der Ursprung der 1895 gegründeten Präzisions-Kugellager-Werke mit bis zu 5000 Mitarbeitern. Ende des Zweiten Weltkrieges wurden 70 Prozent der Fabrikgebäude durch Bomben zerstört und anschließend wieder aufgebaut.
Durch die Verlagerung der Produktion fand sich 2006 ein Investor zur Errichtung eines großen Einkaufszentrums. Voraussetzung war die Sanierung der Untergrundverunreinigungen – durch Asbest, Mineralölkohlenwasserstoffe, Polychlorierte Biphenyle und Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe.
Innerhalb von vier Monaten erfolgte eine der größten industriellen Abbruchmaßnahmen Bayerns. 27 000 Tonnen kontaminierter Boden und damit etwa 200 000 Liter Mineralöl wurden ausgekoffert und entsorgt. Nach acht Monaten war die 7,5 Millionen Euro teure Sanierung abgeschlossen.
Im Herbst 2008 eröffnete die Stadtgalerie mit 100 Geschäften auf 22 500 Quadratmeter Verkaufsfläche.