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GRETTSTADT: Amerika-Auswanderer auf Spurensuche in Grettstadt

GRETTSTADT

Amerika-Auswanderer auf Spurensuche in Grettstadt

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    Der Club der der Grettstädter von New York blieb der Heimat verbunden.
    Der Club der der Grettstädter von New York blieb der Heimat verbunden. Foto: Foto: Östreicher

    Hart und entbehrungsreich waren die Jahre nach dem 1. Weltkrieg. Lebensmittel, Rohstoffe und Heizmaterial waren überall knapp. Hunger und Mangelernährung waren an der Tagesordnung. Gleichzeitig gab es besonders für die junge dörfliche Bevölkerung kaum Perspektiven auf Arbeit und Auskommen.

    Deshalb suchten viele Deutsche ihr Glück in der „Neuen Welt“. Aus Grettstadt waren bereits um 1890 zahlreiche Männer und Frauen nach Amerika ausgewandert. Deshalb verwundert es nicht, dass auch in den schlimmen Nachkriegszeiten viele Grettstädter ihr Heil in den Staaten suchten. Altbürgermeister Johann Östreicher bedauert in seiner Chronik, dass allein von 1920 bis 1930 123 junge Männer und Frauen von Grettstadt nach New York ausgewandert sind. Eine dritte Ausreisewelle gab es nach dem 2. Weltkrieg. Die Auswandererzahl der Grettstädter stieg auf 200.

    Auf der Suche nach den eigenen Wurzeln

    Über die Homepage des Historischen Arbeitskreises hat ein Sohn eines Auswanderers Kontakt aufgenommen und um Hilfe bei der Suche nach Verwandten gebeten. Der 66-jährige Auswanderersohn Robert Ostreicher und seine 40-jährige Tochter Dawn waren zu Besuch in Grettstadt und machten sich auf die Suche nach ihren Wurzeln.

    Roberts Vater, der ledige Schlossergeselle Alfons Östreicher, war im Alter von 20 Jahren am 14. Dezember 1927 mit dem Schiff „President Harding“ der „Norddeutsche Lloyd Bremen“ von Bremen mit dem Reiseziel New York aufgebrochen. Das Reiseticket seines Vaters hat er aufbewahrt und mitgebracht. Alfons war das achte von neun Kindern. Sein älterer Bruder Josef Östreicher und auch zwei seiner Schwestern Clara und Rose waren nach dem Tod des Vaters schon ein Jahr vor ihm nach New York ausgewandert. Eltern der Auswandererkinder waren der 1867 geborene Lorenz Östreicher und seine Frau Philomena Manger, die das Haus Nummer 81, heute Hadergasse, in Grettstadt bewohnten.

    Nachfahren ausgemacht

    Als direkte Nachfahren konnten Cousin Ernst Östreicher und Cousine Juliana Reichert ausfindig gemacht werden. Beide sind Kinder des ältesten Bruders Hermann. Ihr Bruder Lorenz ist verstorben. In dritter und vierter Generation leben weitere Nachfahren im Ort.

    Aufgeregt standen Robert und Dawn Ostreicher, die Ö-Strichchen ihres deutschen Nachnamens sind bei der Einbürgerung verloren gegangen, erzählen sie später, am vereinbarten Treffpunkt unter der Stufenlinde. Linde und Rathaus kennen beide seit Kindertagen von großen Bildern, die in den Wohnhäusern aller Grettstädter in New York hängen. Als Kind hat Dawn immer gedacht, dass es Sitze zum Biertrinken auf den Ästen der Linde gibt, erzählt sie. Nun ist sie beeindruckt von der Mächtigkeit des 400 Jahre alten Baumes.

    Die Auswanderer sprechen kein Deutsch mehr

    Zum ersten Familientreffen gibt es Sprachbegleitung. Die Auswanderer sprechen kein Deutsch und die Grettstädter wenig Englisch. Aber man kommt sich schnell näher. Bilder und Dokumente werden ausgetauscht, Geschichten erzählt.

    Die Schiffsüberfahrt sei schwierig gewesen habe sein Vater immer erzählt. Viele litten unter Übelkeit und Hunger. Schon auf dem Schiff sei der junge Alfons von einem „Manager“ angesprochen worden, der ihm einen Job angeboten hat. Bei der Schiffsankunft stand der 20-Jährige alleine da, ohne Sprachkenntnisse und von Bruder oder Schwestern keine Spur. So sei er mit dem Manager mitgegangen – Ziel Wyoming. Auf dem Weg zum Bahnhof ertönte hinter ihm „Poor Alfons is there“. Seine Schwester Klara hatte ihn glücklicherweise gefunden.

    Im US-Läuferteam der Olympiade 1936 in Berlin dabei

    Gelebt hat Alfons in New York. Arbeit fand er in der Verwaltung. Viel Zeit verbrachte der junge Mann als guter Sportler im Deutsch-Amerikanischen-Athletik-Club. Er entwickelte sich zum sehr guten Sprinter, der sogar im USA-Läuferteam für die Olympiade 1936 in Berlin stand. Einen Startplatz kam er letztlich nicht. Wohl auch wegen seines fehlenden US-Passes. Legendär sind jedoch seine Rennen, auch gegen den späteren Olympiasieger Jessy Owens. Es gibt wohl ein Familienfoto auf dem Alfons noch vor Jessy liegt, erzählt Robert stolz. Später sei sein Vater ein begeisterter Fußballspieler und Trainer im Club gewesen.

    Club der Grettstädter in New York

    Dem Sportclub angegliedert gewesen ist der „Club der Grettstädter in New York“. In den Jahren ab 1920/30 bis etwa 1970 habe es regelmäßige Treffen der Grettstädter dort gegeben. Als Clubvorsitzender wurde ein Bürgermeister gewählt. Man habe Neuigkeiten aus der Heimat ausgetauscht und Feste wie Kirchweih (zeitgleich wie in der Heimat) gefeiert, aber auch im Frühling und an Weihnachten fanden regelmäßig Treffen statt. Belegt ist, dass sich einige Grettstädter Paare wohl dort gefunden haben und dadurch Verwandtschaften in Grettstadt neu gestiftet wurden.

    1941 erhielt Alfons Östreicher seine Einbürgerungsurkunde, wurde bald zum Militärdienst bei der Nationalgarde eingezogen. Dort sei sein Vater oft als Nazi beschimpft worden. Dies könnte ein Grund gewesen sein, weshalb sein Vater sich von Deutschland distanziert hat, einen kompletten Bruch machte und nie, so wie seine Geschwister, auf Besuch in der Heimat war. Nach dem Krieg stieg er bei der Metallbaufirma Trio Industries in Bridgeport ein. Er pendelte mehrere Jahre von New York nach Bridgeport und kaufte später ein Haus im benachbarten Fairfield, wo er 40 Jahre lang bis zu seinem Tod 1991 lebte. Bekannt war Alfons Ostreicher für seinen Rosengarten, aus dem er immer wieder gerne Rosen an Passanten und Freunde verschenkte. Aus der Ehe mit seiner polnisch stämmigen Frau Lucille Zakrezewki Ostreicher gibt es zwei Söhne: Eugen Ostreicher und Robert Ostreicher, der mit seiner Tochter Dawn auf Spurensuche in Grettstadt war.

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