Der Flickschuster hat ein Problem: Ob ständig wechselnder Gesetze in einer orientalischen Stadt verliert er Job um Job. Trotzdem nimmt er jeden Tag, wie er gerade kommt: „Morgen ist Morgen.“ Am Ende muss er bei der Königlichen Palastwache anheuern und sein Schwert versetzen, um – wie jeden Abend – einen fremden Gast bewirten zu können, wie es das unveränderliche Gesetz der Gastfreundschaft befiehlt.
Es ist Gesine Kleinwächter, Märchenerzählerin aus Würzburg, die an diesem Abend im Funduq von Niederwerrn, dem Gemeindezentrum, die Rolle der Shehezerade übernimmt. „Morgen ist Morgen“ ist der erste Teil der Tanzgala „Wüstenwind“ überschrieben: Schließlich befinden wir uns einen Abend lang im Morgenland. Auf die Bühne gebracht wird die glitzernde Phantasie aus 1001 Nacht von der Bauchtanzschule Moonas Tanztraum Oriental, auf Einladung des Dramatischen Vereins.
„Und es wehte von Osten her ein Wind, schwer und vollgesogen vom Duft des Jasminstrauchs“ – neckisch wippende Hüften, zart gelüftete Schleier, flammende Blicke mögen das Klischeebild vom Orient sein, aber das sind die Bilder, die von dort jeden Abend über den Fernseher flackern, ja auch.
Allein die Namen der Showgruppen lassen das Herz erbeben, als würde man nach einer langen Wüstenreise eine prachtvolle Oase erblicken: „Nara Faghira“ (Glückliche Blumen), „Tarana Subhiya“ oder „Zareen Lalitha“ nennen sich die Töchter der Anmut und Schwestern des Augenschmauses. Die kleinen Orientsternchen, die Gruppe „Bahira Maharanis“, „Alika Anjum“ oder „Al Massa“, die Schleiertänzerin Eleonora verzaubern ebenfalls auf Schritt und Tritt.
Shailyn, Amera, Shanan und Moona tanzen einen arabischen Flamenco, die Sibirierin Rada zeigt einen farbenfrohen Tanz der russischen Roma. Die Augen und die Klinge blitzen bei einem Säbeltanz, den Moona selbst aufs Parkett legt: Wer glaubt da noch, dass hier eigentlich eine Fränkin, nämlich Eva Streit, über die Bühne schwebt, professionelle Tanzlehrerin aus Theres mit Kursen in Schonungen, Schwebheim und Schweinfurt. Zur Pause stapft sogar ein lebensgroßes Kamel über die Bühne.
Vor allem in der zweiten Hälfte gibt es auch moderne Rhythmen zu hören – unter anderem einen flotten ägyptischen Stocktanz der Gruppe „Dunjana“, in einer broadwaytauglichen Version mit goldenen Stöckchen. Bestaunt werden dürfen ein Tüchertanz der persischen Lori, ein indischer Bollywood-Tanz des Trios Gypsy Nova, jede Mengen Trommeln, ein Mix aus afrikanischen und orientalischen Rhythmen oder ein magischer Fächerschleiertanz, bevor zum Finale an die 50 Tänzerinnen auf der Bühne stehen, sich das Publikum verwundert die Augen (und Ohren) reibt und nur langsam wieder aus seinem morgenländischen Tagtraum erwacht.
„Die Frau in der Flasche“ war dieses Kapitel überschrieben, nach dem Märchen vom eifersüchtigen Ehemann, der seine Liebste in eine Zauberflasche bannt, um sie jeden Tag mit auf die Arbeit nehmen zu können. Nur leider befördert die Angetraute beim Wäschewaschen versehentlich einen jüngeren Lover in die Pulle.
Die Moral von der Geschicht: Zuhause wie beim orientalischen Tanz geht es darum, die Frauen so anzunehmen, wie sie sind. Um Stolz und Selbstbewusstsein hinter luftigen Schleiern, für die Jüngeren wie die Älteren. Eine Erholung auch von der Unterwerfung unters abendländische Schönheitsdiktat: Gerade beim Bauchtanz bringt ein bisschen mehr Hüfte erst so richtig Schwung.