(ue) Am Anfang schwebte ein riesiger Wackelpudding durchs Universum, darauf ruhte die unterfränkische Metropole Karlburg. „Dann hat der Herr eine Welt darum gebaut“. Max Gehrigs Stimme hallt durch das Möbelhaus Dietmann, dank Techniker entrückt wie im Dom zu Kölle, seiner Heimatstadt. Merke: Auch andere fränkische Dörfer erheben den Anspruch, ältestes Dorf Deutschland zu sein. Wie Schwanfeld, das dann gleich zu Füßen von Karlburg entstanden ist, wie der ehemalige Kölsche Jung spottet.
Der Wahl-Karlburger tut sich schwer mit seiner neuen Heimat. Und dem Franken an sich: „Hier ist alles ein bisschen anders. Zum Essen geht man ins Möbelhaus. So was kennt man sonst nur von Schweden.“
Anderthalb Jahre hat es gedauert, bis mal ein Karlburger – sein zukünftiger Ex-Schwiegervater – mit dem Neigeschmeckten gesprochen hat, also mit seinem Hund. Motto: „Fremde Leud brauch mer nedd in Kalleberch. Am End muss ma noch redd.“
Während der überschwängliche Kölner sich vor lauter Begeisterung und Lebensfreude im rheinischen Singsang den Mund fusselig quasselt, ist der Franke nun mal eher zurückhaltend. „Bassd scho“ oder „gar nedd so schlechd“ sind hier die höchsten Komplimente, oder aber, der Gipfel der Begeisterung: „Gar nedd SOO schlechd“. Hier, wo man unter einer Stichstraße noch nicht den Weg ins Problemviertel versteht und Zeitangaben wie „35 Minuten nach Viertel“ einen Sinn ergeben.
Im Schlafgewand irrt der Alltagskabarettist über die Bühne, mit der Taschenlampe auf der Suche nach seiner Morgenzeitung. Er, der ins Bett geht, wenn seine Frau zur Arbeit aufsteht. Und erklärt, warum Saufen evolutionsbiologisch notwendig ist: Weil nur die schwachen, kranken und alten Hirnzellen dem Alkohol zum Opfer fallen. Survival of the fittest.
Max Gehrig, genannt der „dicke Onkel“, ist ehemaliger Zollbeamter, was vielleicht sein Interesse an Grenzüberschreitungen und den kleinen Geheimnissen anderer Leute erklärt. Zwischendurch dürfen Elisabeth und Klaus einen Leber- und einen Semmelknödel spielen: Die streiten sich als Pausenfüller, während sich der dicke Onkel seines morgendlichen Long Johns wieder entledigt.
Dicker Onkel mit Long Johns
Der Humor des Mittvierzigers wird nach zwei schnell eingeschlürften Weizen immer rheinländischer: wie die Schlussgeschichte etwa, mit dem schönen Titel „Nie wieder von hinten“. Aber man hört dem gemütlichen Dampfgeplauder gerne zu, bei den Schwanfelder Kabaretttagen. Ein bisschen erinnern die freundlich vor sich hin gärenden Geschichten an Jürgen von der Lippe, hier werden Anekdoten und Zoten vom Main-strom geboten, aber keine platte Mainstream-Comedy.
Am Vortag soll das Publikum gefremdelt haben. An diesem Donnerstagabend sorgt der jecke Blick auf die fränkische Provinz fast drei Stunden lang für Sektlaune und Heiterkeit, die Besucher werden aber auch vom ersten Moment an mit einbezogen. Darunter Bürgermeister Richard Köth, der ob seiner Webpräsenz auch einen kleinen Seitenhieb erntet.
Zur ausgelassenen Stimmung trägt Arno Dietmann mit Ehefrau und Team bei, ergänzt durch ein Sommeracher Weingut und einen Würzburger Cateringservice. „Gute Nacht, Freunde!?“ nennt sich das Programm, mit dem melancholischen Reinhard-Mey-Song verabschiedet sich der Immigrant vom Rhein dann von der Schwanfelder Bühne.