Die CSU-Umweltexpertin Anja Weisgerber erklärt, wie sie eine neue CO2-Steuer lieber mit anderen Maßnahmen verhindern will. Pendler im ländlichen Raum und Arbeitnehmer in energieintensiven Branchen dürften nicht Verlierer werden, sagt die 43-jährige Rechtsanwältin aus Schweinfurt. Sie ist Umweltexpertin der CSU-Landesgruppe im Bundestag.
Frau Weisgerber, die Kanzlerin hat erklärt, dass man mit "Pillepalle-Maßnahmen" beim Klimaschutz nicht mehr weiterkommt. Eine CO2-Steuer auf Benzin, Diesel, Heizöl und Gas gilt als geeignete Antwort, um den CO2-Ausstoß zu senken. Die CSU ist bislang dagegen. Warum?
Weisgerber: Kein Pillepalle heißt, dass wir bis Ende des Jahres ein umfassendes Klimapaket mit Maßnahmen in allen Sektoren verabschieden, was es so noch nicht gegeben hat. Auch nicht unter Rot-Grün. Dafür ist ein Innovationsschub notwendig – im Verkehr, der Industrie, der Landwirtschaft und bei den Gebäuden. Wir schauen uns dann genau an, was jede einzelne Maßnahme an CO2-Einsparungen bringt, zum Beispiel die Förderung von Elektro-Autos und die energetische Sanierung von Häusern. Wir brauchen erst diese Maßnahmen, dabei setzen wir vor allem auf Anreize. Dann schauen wir auf den Preis von CO2.
Statt einer deutschen CO2-Steuer sollten wir uns das bestehende europäische Instrument anschauen.
Anja Weisgerber (CSU)
Kritiker sagen, das reicht nicht aus, den Ausstoß an Treibhausgasen rasch zu senken, um das Klima wirksam zu schützen. Und die meisten Wirtschaftswissenschaftler sind auch für eine solche CO2-Steuer. Die Grünen wollen mit 40 Euro je Tonne starten.
Weisgerber: Statt einer deutschen CO2-Steuer sollten wir uns das bestehende europäische Instrument anschauen. Es gibt ja bereits den Emissionshandel, über den sich die Energieerzeuger, die Industriebetriebe und die Fluggesellschaften mit Rechten eindecken müssen, um Kohlendioxid in die Luft blasen zu dürfen. Diese Rechte werden immer weiter verknappt und dadurch werden die Ziele erreicht. Jetzt nach der Europa-Wahl besteht die historische Chance, diesen Emissionshandel um die Bereiche Verkehr und das Heizen von Gebäuden zu erweitern. Das diskutieren die Parteien gerade im EU-Parlament. Eine Lösung mit den europäischen Partnern wäre deutlich besser als eine nationale Lösung.
Das würden sogar die Grünen unterschreiben. Sie wenden aber ein, dass eine europäische Lösung wegen der komplizierten Verhandlungen mehrere Jahre dauern würde.
Weisgerber: Ich sehe das nicht so skeptisch. Ich stehe bereits mit den Politikern im Europäischen Parlament in Kontakt. Dort wird gerade über das Thema verhandelt. Der Klimaschutz war ja auch ein zentrales Thema im Wahlkampf. Es zahlt sich aus, dass ich früher als EU-Abgeordnete neun Jahre vor Ort ein Netzwerk aufgebaut habe. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob es eine europäische Lösung geben kann, ob wir zunächst auf eine nationale bauen müssen oder ob es eine Kombination aus beidem geben wird.
In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob es eine europäische Lösung geben kann.
Anja Weisgeber (CSU)
Auch bei einer europäischen Lösung, die für das Klima sicher ein Segen wäre, würde es für die Bürger beim Tanken und Heizen dennoch teurer. Gäbe es auch bei der europäischen Lösung ihren Vorstellungen nach eine Entlastung?
Weisgerber: Natürlich. Wir sind ja die Partei, die in erster Linie eine Entlastung diskutiert. Für uns gelten vier Leitplanken. Es darf zu keinen einseitigen Mehrbelastungen der Bürger kommen, der Staat soll sich damit nicht die Taschen voll machen, in den energieintensiven Branchen wie zum Beispiel der Stahlerzeugung darf es nicht zur Verlagerung von Arbeitsplätzen kommen und die Anliegen der Pendler im ländlichen Raum müssen berücksichtigt werden.
Das Sorgenkind beim Klimaschutz ist der Verkehrssektor, wo bisher kein Kohlendioxid eingespart wurde. Für den Bereich hat Verkehrsminister Andreas Scheuer 50 Maßnahmen vorgeschlagen. Bemängelt wird, dass er zu stark am Verbrennungsmotor festhält. Fehlt Ihnen bei der CSU der Mut, Autokonzerne und die Fahrer schwerer Wagen härter anzufassen?
Weisgerber: Die Maßnahmen von Andreas Scheuer sind der richtige Schritt in Richtung mehr Klimaschutz im Verkehr. Bezüglich der Steuern und Abgaben wollen wir den anderen Weg gehen. Wir wollen uns im Steuersystem auf Steuersenkungen konzentrieren, indem wir zum Beispiel auch für andere alternative Antriebe Steueranreize einführen. Das haben wir bereits für die Elektroautos, die zehn Jahre keine KFZ-Steuer zahlen müssen. Damit der Umstieg auf die Elektromobilität gelingt, müssen wir aber auch die hohen Stromkosten in Deutschland senken, indem die Stromsteuer und die Ökostromumlage reduziert oder gestrichen werden. Wir wollen aber auch einen Steuerbonus für Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe bei der Energiesteuer, die aus grünem Strom hergestellt werden. Im Gegenzug müsste man sich die Kfz-Steuer anschauen. Dort wird zwischen den Schadstoffklassen noch nicht ausreichend differiert und der CO2-Ausstoß nur teilweise erfasst.
Sie versprechen den Wählern, dass Sie die Steuern und Umlagen senken wollen. Woher soll das Geld dafür kommen? Die goldenen Zeiten mit den enormen Haushaltsüberschüssen sind doch passé.
Weisgerber: Steuersenkungen sind wie Konjunkturprogramme, durch die Investitionen ausgelöst werden, die wieder Geld in die Staatskasse spülen. Ein Herzensanliegen von mir ist die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung. Das bedeutet erst einmal Mindereinnahmen für den Bundeshaushalt, das ist klar. Durch die Sanierungsmaßnahmen werden aber andererseits Mehreinnahmen zum Beispiel aus Umsatzsteuer und Lohnsteuer ausgelöst. Grundsätzlich gilt jedoch: Klimaschutz kostet Geld und der Bundesfinanzminister wird zeigen müssen, wie ernst es ihm damit ist.
Ein Herzensanliegen von mir ist die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung.
Anja Weisgerber (CSU)
Ein großes Problem für den Klimaschutz ist der zunehmende Flugverkehr. Im Frühjahr hatten Sie im Gespräch mit uns angekündigt, sich für die Besteuerung von Kerosin einsetzen zu wollen. Fliegen würde damit teurer. Was ist daraus geworden?
Weisgerber: Bei Steuern braucht es in Europa die Zustimmung jedes Mitgliedslandes. Deshalb ist es enorm schwierig, eine Kerosinsteuer in der gesamten EU einzuführen. Das ließe sich nicht durchsetzen. Aber es gibt jetzt Bestrebungen, die Luftfahrtbranche vollständig in den EU-Emissionshandel aufzunehmen. Bisher müssen die Fluggesellschaften nur für einen Teil ihres CO2-Ausstoßes Verschmutzungsrechte kaufen. Um das zu ändern, braucht es keine Einstimmigkeit der Mitgliedsländer. Eine Mehrheit reicht. Das wäre die beste Lösung für das Klima, gleichzeitig würden die deutschen Airlines nicht einseitig belastet. Übrigens müssen wir auch den Schiffsverkehr in den Emissionshandel aufnehmen. Es ist gut, dass im EU-Parlament darüber ebenfalls diskutiert wird. Denn es bewegt die Leute und darf nicht so bleiben, dass viele Schiffe so viele Abgase in die Luft blasen.