Mindestens drei Jahre lang hat der Mann in einer Vielzahl von Fällen Mandantengelder für sich behalten, unberechtigt Gebühren in Rechnung gestellt und bei der Postbank unter Vorspiegelung von Leistungsfähigkeit einen „Businesskredit“ über 50 000 Euro erschlichen, ohne je eine Rate zurückzuzahlen. Er und seine Frau beauftragten einen Hochzeitsfotografen, ohne ihn zu bezahlen, täuschten einen Einbruch in die Kanzlei vor und kassierten die Versicherungssumme, dem HNO- und dem Tierarzt blieben sie die Rechnungsbeträge schuldig und Sozialversicherungsbeträge für Kanzleibeschäftigte wurden auch nicht abgeführt.
Dies und noch mehr wirft der Staatsanwalt einem 38-jährigen ehemaligen Rechtsanwalt vor, der seine Kanzlei in der Schweinfurter Innenstadt hatte. Zum Teil soll auch seine 27-jährige Frau beteiligt gewesen sein. Aus drei Anklagen listet der Vertreter der Staatsanwaltschaft 30 Tatvorwürfe auf und braucht eineinviertel Stunden, um diese zu Prozessbeginn vor der Großen Strafkammer zu verlesen. In der Summe kommt er auf „Untreue, Betrug, Gebührenübererhebung, versuchten Betrug, Vortäuschen einer Straftat, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und unberechtigtes Führen einer Berufsbezeichnung“.
Kein „Deal“ mit dem Ex-Anwalt
Zwei Rechtsanwälte, die den Auftakt im Zuschauerraum verfolgen, meinen, der Ex-Kollege habe wohl alles gemacht, was sich einem Anwalt verbietet. Der Verteidiger des 38-Jährigen bat um ein „Rechtsgespräch“. Doch darauf – im Volksmund „Deal“ genannt – ließ sich die Kammer erst gar nicht ein.
„Das kommt nicht in Betracht“, so der Vorsitzende, „weil der Angeklagte die Straftaten in seiner Eigenschaft als Organ der Rechtspflege begangen haben soll“. Er betonte dagegen den hohen Wert eines Geständnisses bei der Strafzumessung für den Fall, dass es etwas zu gestehen gebe. Der Wert sei um so größer, je früher und umfassender ein solches abgelegt werde. Dieser Hinweis verfehlte seine Wirkung nicht. Nach 20-minütiger Beratung räumte der Ex-Anwalt – er sitzt seit 25. Juni in Untersuchungshaft – über eine Erklärung seines Verteidigers die komplette Anklage bis auf ein paar Kleinigkeiten ein.
Für das Publikum im Schwurgerichtssaal war es wohl atemberaubend zu hören, wie dreist der 38-Jährige zum Beispiel Gelder von gegnerischen Versicherungen etwa für Unfallschäden oder erlittene Schmerzen, die eigentlich auf ein pfändungssicheres Anderkonto gehören, schlicht für sich behalten und selbst verbraten hat; wie er von rechtsunkundigen Mandanten Gebühren verlangte, die ihm nicht zustanden oder jenen, die auf die Auszahlung ihrer Versicherungssummen drängten, mit Aufrechnungen und Gegenforderungen begegnete.
Schließlich vergriff er sich auch am Vermögen einer psychisch kranken Frau, für die ihm die Betreuung übertragen worden war. Als Sachwalter auch ihrer Finanzen brachte er sie zunächst um 17 830 Euro, die er per EC-Karte in Beträgen zwischen 100 und 3000 Euro vom Konto abhob.
Auch Tierarztrechnung noch offen
Dann ließ er sich eine Lebensversicherung über 8169 Euro auszahlen, verbrauchte das Geld für sich – und beantragte für die Betreute Sozialhilfe. Indem er die Versicherung verschwieg, betrog der Ex-Anwalt laut Anklage die Regierung von Unterfranken als Sozialversicherungsträger um 5570 Euro. Hinzu kommt die die Vortäuschung eines Einbruchs in die Kanzlei, um die eigene Versicherung abzukassieren. Und auch für die Behandlung der Katze reichte es am Ende nicht mehr. 448 Euro wurden dem Tierarzt nicht bezahlt. Gesamtschaden: rund 80 000 Euro.
„Er hat sich um seine Fälle gekümmert, aber das Finanzielle war nicht so seine Sache“, sagt der Verteidiger des 38-Jährigen. Der Prozess wird am 12. November fortgesetzt.