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STADTLAURINGEN: Appell an die Zivilcourage

STADTLAURINGEN

Appell an die Zivilcourage

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    Mahnung für die nachwachsende Generation: Der Stadtlauringer Gemeinderat hat seinen Segen gegeben, dass im Ort zwei so genannte Stolpersteine verlegt werden – die ersten im Landkreis Schweinfurt. Mit der Aktion des Künstlers Gunter Demnig (links bei einer Verlegung 2006 in Würzburg) soll an jüdische Einwohner erinnert werden, die im Nationalsozialismus ermordet worden sind.
    Mahnung für die nachwachsende Generation: Der Stadtlauringer Gemeinderat hat seinen Segen gegeben, dass im Ort zwei so genannte Stolpersteine verlegt werden – die ersten im Landkreis Schweinfurt. Mit der Aktion des Künstlers Gunter Demnig (links bei einer Verlegung 2006 in Würzburg) soll an jüdische Einwohner erinnert werden, die im Nationalsozialismus ermordet worden sind. Foto: Foto: Andreas Jungbauer

    Die ersten Stolpersteine im Landkreis, die an im Holocaust ermordete jüdische Einwohner erinnern sollen, werden in Stadtlauringen verlegt: Sie erhalten ihren Platz vor einem Haus in der Kirchtorstraße. Diesem Vorschlag von Ferdinand Freudinger hat der Gemeinderat einmütig zugestimmt. In Schonungen dagegen war das Projekt für acht Stolpersteine im vergangenen Jahr gescheitert (wir berichteten).

    Die beiden Mahnmale in der Kirchtorstraße, die mit einer Messingtafel versehen wie Pflastersteine in den Gehweg eingelassen werden, sollen die Namen der einst dort wohnenden Simon und Regina Hirschberger tragen, die am 25. April 1942 deportiert und im Raum Lublin ermordet worden sind. Sie waren die einzigen jüdischen Einwohner Stadtlauringens, denen dieses Schicksal widerfahren ist. Nach Recherchen von Elisabeth Böhrer sind an diesem Tag 169 Menschen jüdischen Glaubens aus der Stadt und dem Landkreis Schweinfurt verschleppt worden. Eine große jüdische Gemeinde existierte im Nachbarort Oberlauringen, wo es bis heute einen jüdischen Friedhof gibt; von dort waren es 13.

    Der Stadtlauringer Hilmar Gerschütz (84) kannte die schräg gegenüber wohnende Familie Hirschberger gut, die vier Töchter hatte. Besonders mit deren jüngster Tochter, Lore Hirschberger, hatte er guten Kontakt. „Die Hirschbergers waren eine sehr nette Familie und orthodoxe, strenggläubige Juden“, so Gerschütz gegenüber dieser Zeitung. Er kann viel über die jüdischen Gesetze, nach denen die Familie lebte, erzählen. So besuchte Regina Hirschberger oft seine Mutter, konnte dabei aber nie einen Tee trinken, da das Geschirr nach deren Gesetzen nicht koscher war. Und da die Juden an Sabbat (Freitagabend bis Samstagabend) kein Feuer anschüren durften, erledigte dies manches Mal Gerschütz' Mutter für die Familie Hirschberger.

    Als die Judenvernichtung in Deutschland begann, war dies auch eine schreckliche Zeit für die Familie Gerschütz: Sie habe den Umgang mit Juden als völlig ungerechtfertigt betrachtet. „Und uns war klar“, so erinnert sich Gerschütz, „dass wir die Nächsten gewesen wären, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte. Denn wir waren gegen Hitler.“ Dass mit Stolpersteinen nun an die jüdischen Nachbarn erinnert werden soll, findet Gerschütz „hervorragend“. „Man vergisst viel zu rasch“, sagt er, „die Juden waren schließlich voll integrierte Bürger unserer Gemeinde.“

    Der Gedanke, Stolpersteine zu verlegen, kam Ferdinand Freudinger, als er von der Aktion „Wir wollen uns erinnern“ erfuhr. In Erinnerung an die Opfer der Deportationsmärsche soll in Würzburg am 10. Mai der Weg des dritten Deportationszuges nochmal begangen werden. Der 67-Jährige, der die Stolpersteine auch selbst bezahlen will, befasst sich schon seit Jahrzehnten mit der jüngeren Zeitgeschichte und es war ihm ein großes Anliegen, den deportierten Juden wieder einen Namen zu geben. Sein Ziel ist es, den entrechteten, enteigneten und unter einer Nummer ausgelöschten Bewohnern der Gemeinde ihre Identität, ihre Heimat und Menschenwürde wiederzugeben.

    Wider den Rassismus

    Zudem möchte er bei der nachwachsenden Jugend ein Bewusstsein zur permanenten Wachsamkeit gegenüber aufkeimendem Rassismus und Antisemitismus wecken. „Denn wir müssen Zivilcourage zeigen, wo Menschenwürde verletzt wird,“ lautet Freudingers Appell.

    Im Gemeinderat stieß seine Initiative auf fruchtbaren Boden. Johann Riegel berichtete, dass er sich mit vielen Bürgern über die Stolpersteine unterhalten habe und sie diesem Ansinnen durchweg positiv gegenüber stünden: „Alle sind dafür, dass solche Steine angebracht werden.“ Roger Treubert zollte der Familie Freudinger Respekt für diese Initiative.

    Auch Bürgermeister Friedel Heckenlauer bezeichnete solche Aktionen für sehr wichtig, um auch künftige Generationen daran zu erinnern, zu welchen Gräueltaten Menschen fähig sind. Oswald Schneider erwähnte, dass mit den Steinen auch an die Behinderten gedacht werde, die in dieser Zeit getötet wurden. Und Hubert Braun sagte, dass es wichtig sei, solche Mahnmale anzubringen, solange es auch noch Zeitzeugen gibt. Wie etwa Hilmar Gerschütz. Mitarbeit: mjs

    Stolpersteine

    Die Gedenktafeln sollen an das Schicksal der Menschen erinnern, die im Nationalsozialismus ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben worden sind. Die Stolpersteine sind ein Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig, dessen Intention es ist, den NS-Opfern, die in den Konzentrationslagern zu Nummern degradiert worden sind, ihre Namen zurückzugeben: Ein Stein, ein Name, ein Mensch. Nach seinen Angaben hat Demnig bereits Steine in 510 deutschen Orten verlegt. Es handelt sich um einen Betonwürfel, der mit einer Messingtafel überzogen ist. Dort sind die persönlichen Daten des Opfers aufgeführt. Kosten: 95 Euro.

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