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Asyl: Warum so viel Feindseligkeit?

Stadt Schweinfurt

Asyl: Warum so viel Feindseligkeit?

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    Asyl: Warum so viel Feindseligkeit?
    Asyl: Warum so viel Feindseligkeit?

    Was ist die stärkste Triebkraft des Menschen? Liebe? Seit ein paar Tagen weiß ich: Es ist Neid. Die Angst, zu kurz zu kommen. Die Befürchtung, irgendjemand bekommt was, was man selbst nicht kriegt. Egal, ob man es überhaupt wollte, bräuchte, möchte. Ein Asylbewerber kriegt Taschengeld, ein Nicht-Asylbewerber nicht.

    Es gibt Menschen, die entfesseln darüber in den sozialen Netzwerken wie Facebook giftige Diskussionen. Wahrscheinlich wären sie nicht bereit, ihre Heimat zu verlassen, Gewalt zu erleiden, in Angst und Unsicherheit zu leben, um an dieses Taschengeld zu kommen. Geschweige denn, in einem Matratzenlager, einem Zelt oder mit mehreren fremden Leuten zusammen in einem Zimmer zu schlafen. Aber das tut ja nichts zur Sache. Sie fühlen sich zu kurz gekommen. Das reicht.

    Seit ein paar Tagen weiß ich auch, dass wir nicht in einer Informationsgesellschaft leben. Informationsverzichtsgesellschaft träfe es besser. Halbwahrheiten, gezielte und offensichtliche Unwahrheiten Parolen, Genörgel und Geschimpfe sind vielen Menschen wichtiger als eine sachliche Auseinandersetzung mit einem Thema.

    Die Diskussion zum Thema Asyl ist in den sozialen Netzwerken kein Austausch von Argumenten und Standpunkten. Die Diskussion hier ist reines Gepoltere – ohne Umgangsformen, ohne Respekt und leider auch oft ohne Grammatik. Das stört besonders bei Menschen, die sich in ihren Beiträgen besorgt um die deutsche Kultur zeigen. Denn diese gefährden Ausländer ihrer Meinung nach, auch weil sie schlecht Deutsch sprechen.

    Seit ein paar Tagen weiß ich auch, dass ein soziales Netzwerk sehr schnell ein unsoziales werden kann. Und das macht mir Sorge. Stammtischparolen gab es immer, Ausländerfeindlichkeit – Ausländerhass, um mal ganz deutlich zu sein, auch. Aber wenn in einer geschlossenen Facebook-Gruppe mit fast 8000 Mitgliedern Leute menschenverachtend über andere Leute herziehen, die sie nie gesehen haben, von denen sie nichts wissen – nur weil sie glauben, ihnen wird irgendwas weggenommen, wenn auch nur ein Asylbewerber mehr nach Schweinfurt kommt –, dann hat das eine andere Dimension. Ruck-Zuck ist so was draußen in der Welt.

    Irgendwann schreibt dann auch immer jemand, die Stadt sei eh dem Untergang geweiht. Er wisse das genau. Leider kann derjenige nicht wegziehen. Meistens muss er hier noch die Schule fertigmachen, oder er findet seinen Job gut. Oder die großen Schnitzel in einem Biergarten würden ihm fehlen.

    Seit klar ist, dass die Stadt Schweinfurt Asylbewerber zugewiesen bekommt – die Rede ist momentan von sieben Menschen pro Woche –, dass Notunterkünfte in der Stadt oder im Landkreis eingerichtet werden, dass dazu eine Erstaufnahme-Einrichtung in die Stadt kommt, wird gehetzt, was das Zeug hält. Mütter machen sich Sorgen, dass ihre Kinder jetzt nicht mehr auf die Straße können. Andere sehen Epidemien auf die Stadt zukommen, wegen der Viren, die die Menschen mitbringen. Auch das wissen sie genau.

    Andere erzählen, dass Asylbewerber auf 4000 Euro pro Monat kommen. In den Diskussionen werden Menschen mit Begriffen belegt, die erschütternd sind. Vor allem, wenn der Einstiegssatz lautet: Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber.

    Seit ein paar Tagen weiß ich auch, dass ich einige Menschen, mit denen ich via Facebook verbunden oder gar „befreundet“ bin, offenbar falsch eingeschätzt habe. Da werden Meinungen geteilt – im wahrsten Sinne des Wortes –, die menschenverachtend und bar jeglichen Mitgefühls sind. Manche dieser Ansichten sind eindeutig dem rechten Spektrum zuzuordnen, man sieht ja, ob der Urheber mal „Gefällt mir“ bei der NPD angeklickt hat.

    Andere Beiträge sind einfach nur unfassbar dumm. Da kennt jemand jemanden, der jemanden kennt, der weiß, dass die Flüchtlinge alle in den teuersten Klamotten und mit den neuesten Handys rumlaufen.

    Seit einigen Tagen weiß ich aber auch, dass es viele Menschen gibt, die sich für Toleranz einsetzen, die sich gegen den Hass erheben, die irgendwie vermitteln wollen. Oder glauben, mit Fakten überzeugen zu können. Auch sie haben sich zu Wort gemeldet. Haben erzählt, dass sie Flüchtlinge kennen. Dazu aufgefordert, sich mal zu überlegen, was diese Menschen alles durchgemacht habe. Gefragt, ob sich jemand vorstellen kann, dass es Spaß macht, die Heimat zu verlassen und in die Ungewissheit zu gehen. Die Standardantwort, sinngemäß: Uns hier hilft auch keiner. Wir kriegen kein Taschengeld. Und wer Flüchtlinge so gerne hat, kann sie ja bei sich daheim aufnehmen.

    Es wird nicht jeder, der einen Antrag stellt, auch Asyl bekommen. Nicht immer reichen die vorgebrachten Gründe aus. Und mitunter begehen auch Asylbewerber Straftaten – wie Menschen aller Bevölkerungsgruppen. Aber das rechtfertigt weder die pauschale Ablehnung noch den Hass.

    Viele dieser Facebook-Unterhaltungen sind mittlerweile gelöscht. Administratoren sind eingeschritten, etliche Beiträge waren volksverhetzend, beleidigend, unter der Gürtellinie, vielleicht sogar teilweise strafbar. Die Sätze und Begriffe sind verschwunden. Der Schaden bleibt. Das Gift auch. Die einsichtigen, für Nachdenken werbenden Kommentare sind allerdings auch verschwunden.

    Seit einigen Tagen weiß ich auch, warum so viele Leute so wenig mit Politik am Hut haben. Unwissenheit ist übrigens ein guter Nährboden für haarsträubende Meinungen.

    Nicht allzu glücklich agiert allerdings auch die Staatsregierung: Informiert die Medien vor dem Oberbürgermeister, dass wohl definitiv eine Erstaufnahmeeinrichtung nach Schweinfurt kommen soll. Mal ehrlich, liebe Staatsregierung – ist das eine Art, mit so einem sensiblen Thema umzugehen? Mit einem OB (übrigens Mitglied der CSU), der es als Zeichen der Menschlichkeit sieht, den Flüchtlingen zu helfen, aber jetzt ziemlich überrumpelt dasteht. Mit einer Stadt, die schon weitreichende Pläne für die ehemaligen US-Liegenschaften hat, in denen nun erstmal Flüchtlinge unterkommen sollen.

    Im Vorfeld die Gremien vor Ort einbeziehen, die Bürger informieren – diese Chance ist vertan. Ein gefundenes Fressen für alle Verschwörungstheoretiker da draußen im Netz. Für alle, die ein großes Komplott sehen, um ihnen was wegzunehmen. So haben die, die behauptet hatten, es sei eh längst alles entschieden, tatsächlich Recht behalten. Eine solche Blöße hätte sich die Politik nicht geben dürfen.

    In ein paar Tagen werde ich auch wissen, wie viele Leute mir – anonym wahrscheinlich – raten werden, einen Ausländer bei mir zu Hause aufzunehmen, wenn ich diese Leute so gerne habe. Sie werden mir auch nahelegen, doch gleich in die Kaserne zu ziehen („nach drüben“ geht ja leider nicht mehr). Wahrscheinlich kommt auch der übliche, anonyme, auf Schreibmaschine geschriebene Brief, der auflistet, wie furchtbar jetzt alles ist und dass es das früher nicht gegeben hat. Ich werde ihn zu den anderen legen.

    In den nächsten Tagen werde ich vor allem darauf hoffen, dass der Satz „Schweinfurt ist bunt“ keine Floskel ist. Und ich werde wahrscheinlich ein paar Facebook-Freunde weniger haben. Foto: Thinstock

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