Luft holen. Nochmal durchatmen. In der nächsten halbe Stunde wird Sauerstoff Mangelware sein, stahlverpackt in Flaschen, für 14 Feuerwehrleute inklusive Vizekommandant Dennis Reulein, die sich am Stützpunkt zum Abendspaziergang treffen. Allerdings nicht, um frische Luft zu schnappen. "Mit Atemschutz durchs Dorf" lautet das Motto des Trainings. Mit Preßluftflasche auf dem Rücken und Überdruckmaske vorm Gesicht soll es hinauf gehen, von der Hofheimer Straße aus Richtung Realschule, hoch überm Maintal.
Das Logo der Feuerwehr ist Programm: Der Namensschriftzug steigt steil an, über dem Slogan "Retten, Löschen, Bergen, Schützen". Schonungen ist für seine atemberaubende Hanglage bekannt.

Der Zeitungsreporter wurde zum Selbsttest eingeladen. Nun stehe ich in der Fahrzeughalle und lerne normale Umgebungsluft zu schätzen. Die gewohnteste Tätigkeit der Welt – sich mit jedem Atemzug die 21 Prozent Sauerstoff aus der Atmosphäre zu fischen – ist nicht mehr selbstverständlich, wenn die Rauchschwaden eines Zimmerbrands qualmen. Oder hell lodernde Autos einen hochgiftigen Cocktail aus Kunststoffen flambieren. "Brände von Elektroautos stellen die Feuerwehr vor besondere Herausforderungen", sagt Simon Scheuring, Pressesprecher der Floriansjünger im Schweinfurter Nordosten. Dann müssen teilweise schon leichte CSAs getragen werden, die grünen Chemieschutzanzüge, Modell "Marsmännchen". Messie-Wohnungen oder denkbare Suizide per Giftgas sorgen dafür, dass Feuerwehrleute auch beim "eiligen Türenöffnen" lieber einmal zuviel als zuwenig ihre Geräte anlegen.
Alle drei Jahre steht die Eignungsuntersuchung an
Ein Manometer zeigt Scheuring 300 Bar an, als Luftvorrat im "Tornister", der wie eine Taucherflasche getragen wird. Nur dass das Öffnungsventil mit dem Handrad nach unten weist. Vom Druckminderer aus strömt Luft zum Lungenautomat, der in Schonungen an die Maske geschraubt wird. Dem Zeitungs-Mutwilligen bleibt der Pressluftanschluss erspart. Selbst Darth Vader, weltweit der bekannteste Atemgeräteträger, müsste in Bayern erstmal bei der Eignungsuntersuchung G 26.3 keuchen: Die ist alle drei Jahre vorgeschrieben, ab 50 öfters.

Ein Preßluft-Atmer soll mindestens 18 Jahre alt sein, über die körperliche Eignung verfügen und seine Truppmann-Grundausbildung absolviert haben. Pflicht sind eine fachliche Unterweisung jährlich, ein Belastungstest in der Kriech- und Kletteranlage sowie eine Einsatzübung. Die Schonunger sind froh, dass sie mit 30 Geräteträgern unter 82 Aktiven Reserven haben. "Neben dem Trupp im Einsatz braucht es noch einen Sicherungstrupp, der für Notfälle bereitsteht", sagt Simon Scheuring. Die "Spaziergänger" sind eine junge Truppe: Der Pressesprecher ist 19, der Altersdurchschnitt liegt bei Mitte zwanzig. Wer aktuell keine G 26.3 hat, marschiert mit Vollmaske mit, es geht um (Wieder-)Gewöhnung und körperliches Selbstvertrauen.
Atmen will gelernt sein
Leichter Überdruck im Maskeninneren verhindert, dass bei Undichtigkeiten Schadstoffe eindringen. Allerdings sorgt der Widerstand des Ausatemventils auch ohne Lungenautomat für Geschnaufe, unter Helm und Flammschutzhaube. Nach dem Festzurren der Maskenbänder flach und hektisch loszuatmen – "das wäre gefährlich", erläutert Thomas Eberl, Vizeleiter der Atemschutzwerkstatt. Dann sammelt sich gefährliches Kohlendioxid im Körper an, bis hin zu Erstickungsgefühl und "Atemkrise". Am Brandherd wäre panisches Herunterreißen der Maske lebensgefährlich. Auch bei Stress ruhig ein- und kräftig ausatmen, lautet die Devise. Mit den wasserdichten Geräten können die Feuerwehrmänner und -Mädels dafür sogar tauchen, wie ein Handyfoto aus dem Hallenbad beweist. "Der Atemschutz wird heutzutage immer wichtiger", betont Fachkreisbrandmeister Eberl. Auch kleinere Feuerwehren würden damit ausgerüstet und mehr auf die langfristige Gesundheit der ehrenamtlichen Helfer geachtet.

Eingezwängt in die Retter-Rüstung wird losgestapft, im Schein der Helmlampen, die Stimmen klingen gepresst. Sechs Liter fasst die Stahlflasche, vielleicht kommen demnächst Modelle aus Kompositstoff: An manch potentiellen Einsatzorten gibt es starke Magneten, wie beim örtlichen Chemielabor, oder im Krankenhaus. Mit "Persönlicher Schutzausrüstung", Lampe, Seil, Hacke, Wärmebildkamera oder Schläuchen werden schon mal 30 Kilo oder mehr bewegt.
Zwei Kilometer keuchen, schwitzen und bloß nicht stolpern
Schweren Schrittes geht es am Felsenkeller die Treppenaufgänge nach oben, über hundert Höhenmeter hinweg. Insgesamt zwei Kilometer lang darf gekeucht und geschwitzt werden. Die Straßen und Stufen runter wird es einfacher, nur stolpern sollte man bei eingeschränktem Sichtfeld nicht. Es kribbelt in den Handschuhen, auch der Rücken macht sich bemerkbar. Es beginnt öfters zu pfeifen: Das Geräusch warnt, sobald ein Feuerwehrmann seine Luftreserve erreicht hat. Durch die dekomprimierte Hochdruckluft werden die Ventile zugleich eiskalt: ein physikalischer Effekt, der beim "Gang durchs Feuer" die Flasche kühlt.

Ganz kurz darf der Reporter Preßluft schnuppern, zur Demo. Die "frische Brise" ist sogar angenehm. Lüpft man den Maskenrand, strömt sie spürbar heraus. Runter mit dem Teil, zur Desinfektion und Reinigung. Die Flaschen kommen an den Kompressor, ein Teil steht schon in den Feuerwehrautos. Bereit für den Ernstfall, der wahrscheinlich kein Spaziergang werden wird.