„Das Fahrrad ist das perfekte Transportmittel um ein Land richtig zu erkunden und in die wahre Kultur einzutauchen“, sagt Hanna Full. Angesichts der Begeisterung in ihrer Stimme glaubt man es der 24-Jährigen aus Ettleben sofort. Insgesamt 11 000 Kilometer wird sie am Ende nach ziemlich genau einem Jahr des Reisens auf dem Buckel haben, momentan befindet sie sich auf der letzen Etappe in Richtung Amsterdam. Gemeinsam mit ihrem Freund Nadiem der Weduwen - einem Holländer - hat sie Länder in Europa, Amerika, Asien und auch Australien und Neuseeland mit dem Fahrrad erkundet.
„Das Tolle ist, dass man an Plätze kommt, die die wenigsten Touristen jemals kennenlernen“, erzählt Full. Denn: Mehr als maximal 120 Kilometer an einem Tag sind kaum drin und „da ist man schnell mal an Orten, die keine touristische Infrastruktur haben“. Sprich keine Restaurants, keine Hotels, Campingplätze oder Supermärkte. Oft wurden die zwei Radfahrer deshalb von Einheimischen in deren Häuser zum Essen oder Übernachten eingeladen und konnten hautnah in die Kultur eintauchen.
Überall hilfsbereite Menschen
„Überall haben wir extrem hilfsbereite und großzügige Menschen getroffen“, so Fulls Resümee der Reise. Egal auf welchem Kontinent, egal ob arm oder reich, egal ob man sich gegenseitig sprachlich verstand, „die Leute hielten an, wenn wir eine Reifenpanne hatten und brachten uns sogar bis zum nächsten Mechaniker, wenn es sein musste“.
Eine besonders nette Begebenheit passierte in einem ländlichen Gebiet in Thailand Richtung Kambodscha: „Da setzten Dorfbewohner alles in Bewegung, um uns bei einem Bekannten unterzubringen, denn es gab keine andere Möglichkeit zum Übernachten.“ Auch von Mönchen wurden die zwei Reisenden aufgenommen und durften im Tempel übernachten, zum Beispiel in Thailand oder Kambodscha. „Öfter, zum Beispiel in Neuseeland und der Türkei, übernachteten wir auch in Büros oder Restaurants, die uns als Schlafplatz angeboten wurden.“
Als Backpackerin hatte Full, die schon zuvor viel in der Welt unterwegs war, dieses immense Ausmaß an Hilfsbereitschaft nicht kennengelernt. Was war der Unterschied?, fragte sich die 24-Jährige und ging dem auf den Grund. „Viele Menschen sagten, dass wir mit dem Fahrrad nicht bedrohlich wirkten. Wir sahen nicht aus, als wollten wir feiern und trinken, sondern einfach nach müden Radlern, die einen Schlafplatz suchten.“ Das schaffte Vertrauen. „Fast schien es, als würde das Fahrrad eine Magie ausstrahlen.“
Die Warm-Shower-Gemeinschaft
Gute Erfahrungen machten Full und der Weduwen auch mit der so genannten „Warm-Shower-Gemeinschaft“ (deutsch: Warme Dusche), ein Online-Portal, durch das man Fahrradfahrer in der ganzen Welt kennenlernt, bei denen man kostenlos unterkommen kann – ähnlich des Couch-Surfings. „Die meisten Mitglieder waren selbst viel auf Reisen, haben Gastfreundschaft erlebt und wollen diese zurückgeben“, erzählt Full. Zwei bis dreimal die Woche seien sie bei Warm-Shower-Mitgliedern untergekommen. Außer in Asien, denn da sei die Gemeinschaft noch nicht so groß. „Man versteht sich meistens sehr gut, da man von vorneherein die Leidenschaft fürs Radfahren teilt“, so die 24-Jährige, die diese Art des Reisens nur weiterempfehlen kann.
Jedes Land, das die beiden bereisten, sei auf seine Art einzigartig gewesen, habe aber auch eigene Herausforderungen mit sich gebracht: So blieben aus Kalifornien die sengende Hitze und ein stets lärmender Verkehr auf dem Highway in Erinnerung, extrem lange Distanzen, bis man irgendwo ankommt, seien in Australien das Problem gewesen. In Neuseeland indes nervten oft schlechte Straßenverhältnisse, in Asien kämpften das Paar mit der hohen Luftfeuchtigkeit und der Sprache. „Überall kamen wir mit Englisch gut zurecht. Hier nahmen wir dann Hände und Füße zur Hilfe.“
Heftige Unwetter in Europa
In Europa, vor allem auf dem Weg von der Türkei über Bulgarien Richtung Rumänien und weiter über Ungarn nach Österreich, erschwerte der ein oder andere Sturm die Weiterfahrt. „Einmal war das Unwetter in Kroatien so heftig, dass wir es kaum schafften das Zelt aufzubauen. Dann kauerten wir darin, hielten es mit aller Kraft fest und hofften, dass der Blitz nicht einschlagen würde“, erinnert sich Full.
Ansonsten habe es kaum gefährliche Situationen gegeben: „Wir hatten auch keine Angst, ausgeraubt zu werden.“ In Thailand sei ihr Partner vom Rad geflogen und habe sich verletzt, „da hatten wir kurz Sorge, dass sich die Wunden entzünden würden“. Doch auch hier standen hilfsbereite Jungs bereit, die die Wunde mit einer Creme desinfizierten.
Spenden für World Bicycle Relief
Auch einem sozialen Aspekt hat sich das Paar auf seiner einjährigen Reise gewidmet. So beschloss es, aus der Reise einen Fundraising-Trip für World Bicycle Relief (WBR) zu machen (wir berichteten).„Diese internationale Hilfsorganisation mit Sitz in Schweinfurt macht Menschen in ländlichen Entwicklungsregionen mit Fahrrädern mobil“, erklärt Full, die auch weiterhin für Spenden dankbar ist.
Als sie mit ihrem Freund zuvor in Afrika (Malawi) unterwegs war, habe sie mit eigenen Augen gesehen, wieviel ein Fahrrad im ländlichen Raum verändern könne. „Viele Mädchen mussten die Schule abbrechen, da sie wegen des zweistündigen Schulweges sonst keine Zeit mehr gehabt hätten, im Haushalt zu helfen.“
Als letzten Teil des Projekts für World Bicycle Relief werden Full und der Weduwen einen Film über ihre Reise anfertigen. „Wir haben versucht sowohl die guten als auch die schlechten Erfahrungen aufzunehmen, um das Reisen mit dem Fahrrad realitätsnah darzustellen“, erklärt die studierte Wirtschaftsingenieurin. Mit dem Trailer des Films will das Paar eine Kickstarter-Kampagne starten, um damit einen professionellen Filmbearbeiter zu bezahlen.
Das Erlebte zurückgeben
Außerdem will Full nach der langen Reise wieder ein festes Domizil beziehen, „wahrscheinlich in Berlin, wenn es mit dem Job klappt“. Ihre Beziehung ist durch den Trip noch gestärkt worden. „Eigentlich ein Wunder, denn wir haben einige Paare getroffen, die sich auf dem Weg getrennt haben.
“ Und was hat Full sich von der Reise um die Welt für die Zuzkunft mitgenommen? „Vielleicht hört es sich komisch an, aber ich glaube wir sind ein Stück weit bessere Menschen geworden. Ich habe mir vorgenommen, das was ich erlebt habe, auch zurückzugeben.“ Man glaubt es ihr sofort.
Die Reise von Hanna Full und Nadiem der Weduwen kann auf dem Instagram- Account “globebiking” verfolgt werden. Gespendet werden kann im Internet unter: t1p.de/tw92