Mit einem solchen Andrang hatten die Mitglieder des Ortsgeschichtlichen Arbeitskreises nicht gerechnet. Zum ersten Abend der fünfteiligen Sequenz über das Adelsgeschlecht derer von Bibra hieß es erst einmal Stühle schleppen. Fast auf den Tag genau 500 Jahre, nachdem Wilhelm von Bibra das Rittergut Schwebheim gekauft hatte, tauchten 90 Besucher in die „Genealogie und Besitzgeschichte einer fränkischen Niederadelsfamilie im Spätmittelalter“ ein.
Dr. Werner Wagenhöfer, Leiter des Staatsarchivs Würzburg, konnte zwar wenig zur direkten Ortsgeschichte beitragen, gab aber einen detaillierten Einblick in rund 400 Jahre Geschichte dieser wohl bedeutendsten fränkischen Niederadelsfamilie, die ja auch die Geschicke Schwebheim bis in die jüngste Vergangenheit hinein mitbestimmt hat. Auch wenn das Original der Kaufurkunde von 1513 dem Referenten nicht zugänglich war, so hatte er doch Lehenrevers des Wilhelm von Bibra. Dieser lässt vermuten, dass sich Jobst von Wenkheim mit dem Bau des Schlosses finanziell übernommen hatte und es deshalb an den von Bibra verkaufen musste.
Von der ersten urkundlichen Erwähnung eines „Pertoldus de Bibera“ im Jahr 1151 spannte Wagenhöfer seinen Bogen bis zum Sterbejahr des Würzburger Fürstbischofs Lorenz von Bibra im Jahr 1519. 188 Personen konnte er in dieser Zeit genealogisch dem Adelsgeschlecht zuordnen und mehr als 400 Örtlichkeiten benennen, in denen die Familie von Bibra zumindest zeitweilig Besitzrechte besaß. Der Schwerpunkt dieser Lokalitäten liegt im nördlichen Unterfranken und dem südlichen Thüringen.
Aufgrund der überaus guten Quellenlage – Wagenhöfer konnte allein auf 300 Pergamenturkunden zurückgreifen – gehört die Familie von Bibra heute zu den am besten bearbeiteten fränkischen Adelsfamilien. Eine Stammtafel gibt eine Übersicht über die Zeit vom beginnenden 14. bis ins frühe 16. Jahrhundert. Da im frühen 14. Jahrhundert das Anlegen von Lehenbüchern gang und gäbe wird, lässt sich auch der Lehenbesitz der Bibra gut dokumentieren.
Die Vergabe zahlreicher hennebergischer Lehen an verschiedene Mitglieder der Familie von Bibra belegt, dass das Verhältnis zum Grafenhaus derer von Henneberg Anfang des 14. Jahrhunderts noch gut gewesen sein muss. Johann von Bibra fungiert 1340 sogar als gräflicher Hofmeister und Hofrichter der Gräfin Jutta von Hennburg-Schleusingen. Dieses Verhältnis hat sich Mitte des 14. Jahrhunderts wohl drastisch verschlechtert. 1342 wird erstmals die Burg Bibra urkundlich erwähnt. Eine Urkunde beweist, dass die Brüder Heinrich und Dietrich von Bibra Diener des Würzburger Bischofs Otto geworden sind. Diesem räumten sie das Öffnungsrecht an ihrem Burgteil der „Veste Bybra bey Henneberg gelegen“ ein und sicherten ihm militärische Unterstützung im Kriegsfall zu.
Der Stammsitz der Bibra war eine Ganerbenburg, ein größere Burganlage, die von sechs Familien bewohnt und verwaltet wurde. Zehn Jahre später sicherten sich auch die Grafen von Henneberg vertraglich einen Anteil an der Burg, so dass diese am Ende des Mittelalters zu je einem Drittel dem Hochstift Würzburg, den Grafen von Henneberg und der Familie Bibra gehörte.
Im 14. Jahrhundert stiegen die Bibras zu einer der einflussreichsten und wichtigsten Niederadelsfamilien des Hochstifts Würzburg auf. Dies gelang vor allem durch den Erwerb von Pfandschaften, durch die sie in den Besitz von Burgen und territorialen Ämtern kamen. Das brachte nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern auch einen enormen Prestigegewinn, denn der Pfandnehmer vertrat den Landesfürsten. Kaspar von Bibra schaffte es durch seine Parteinahme für Bischof Johann von Brunn sogar, seine Pfandschaft, die Veste Irmelshausen, 1376 in einen Lehensbesitz umzuwandeln.
Es sollte noch über einhundert Jahre dauern, bis es Bischof Rudolf von Scherenburg gelang, sämtliche territorialen Ämter wieder auszulösen. Damals versuchte das Hochstift auch die Vogtei Irmelshausen zurückzukaufen, was einen 20-jährigen Rechtsstreit auslöste, den letztlich Valentin von Bibra, der Enkel Kaspars, für sich entschied. Er überließ dem Hochstift einen alten Schuldbrief des Fürstbischofs Johann von Brunn und bekam dafür den endgültigen Verzicht des Hochstifts auf das Wiederkaufsrecht.
Im ausgehenden 15. Jahrhundert wird der alte Stammsitz der Familie in Bibra im heutigen Landkreis Schmalkalden-Meinigen wieder aufgewertet. Unter der Federführung von Domprobst Kilian von Bibra und dem späteren Fürstbischof Lorenz von Bibra entschieden sich 14 männliche Familienmitglieder für den Neubau einer Pfarrkirche. Dem Kilian von Bibra und dem Ritter Wilhelm von Bibra, einem Halbbruder des Lorenz von Bibra, verdankt die Familie wohl auch ungewöhnlich reiche Privilegierung, die sie im 15. Jahrhundert genoss.
Mit diesem Ritter Wilhelm, dem Vater des gleichnamigen Familienmitglieds, der 1513 das Schwebheimer Schloss erwarb, schloss sich der Kreis: Wagenhöfer beendete seinen spannenden historischen Einblick ins spätmittelalterliche Leben des Adelsgeschlechts derer von Bibra.