SRAM, die Nummer zwei unter den Fahrradkomponentenhersteller der Welt, setzt den Schlusspunkt unter ein Kapitel der Schweinfurter Industriegeschichte, das 1905 mit der Erfindung der Torpedo-Freilaufnabe durch Ernst Sachs aufgeschlagen wurde. Zum 1. Mai wird die – längst nach Fernost verlagerte – Produktion von Nabenschaltungen eingestellt.
Die Entscheidung des Konzerns mit Sitz in Chicago und Niederlassungen rund um den Globus überrascht nicht. Seit Jahren sank die Nabenproduktion. SRAM, erfolgreich vor allem im höheren Preissegment bei Kettenschaltungen, Bremsen, Federungen oder Laufrädern, bekam die Billig-Konkurrenz zu spüren, die Räder samt Nabenschaltung ab 200 Euro verkauft.
Nachfrage blieb aus
Nicht profitieren konnten die Nabenschaltungen vom E-Bike-Boom. Im Fahrrad mit Motor werden Kettenschaltungen verbaut. Außerdem: nicht nur auf dem amerikanischen Markt geht es in erster Linie sportlich zu. Gefragt ist nicht die Bequemlichkeit, sondern Sportlichkeit.
Ein Flop war 2007 die neue Neun-Gang-Schaltung der I-Motion-Reihe. Nach wenigen Jahren wurde diese nicht mehr hergestellt. Für Schlagzeilen sorgte ein Jahr später noch einmal eine Nabe mit zu- und abschaltbarem Freilauf bei den Trendmodellen Fixie und Singlespeed, Räder die leicht, wartungsfrei und vor allem wendig sind.
Das offizielle Ende der Getriebenaben bei SRAM heißt, dass Automatix, I-Motion 3 und Dual-Drive nicht mehr gefertigt werden. Alle anderen Nabenantriebe von SRAM sind bereits ausgelaufen. In Schweinfurt endete die Herstellung der unverwüstlichen und nahezu wartungsfreien Nabenschaltungen im Jahr 2010.
Von Sachs zu SRAM
Erste Sachs-Schaltungen waren in Schweinfurt im Jahr 1907 vom Band gelaufen. Damals begann der weltweite Erfolg der Torpedo-Freilaufnabe mit Schaltung.
Am 7. November des Jahres 1997 war die Zweiradkomponenten-Fertigung von Sachs an SRAM (steht für die Gründer Scott, Ray und Sam) übergegangen. Einen Namen hatte SRAM durch die Grip Shift genannten Schaltgriffe. Diese wurden Ende der 1980er Jahre für Rennräder und Triathlon-Bikes entwickelt.
Ab Mitte der 1990er Jahre begann das Unternehmen, sein Sortiment durch eigene Entwicklungen und Markenzukäufe auszubauen: Schaltwerke, Federgabeln (RockShox), Dämpfer, Bremsen (Avid), Kurbeln, Lenker und Vorbauten (Truativ), Laufräder (Zipp) und Leistungsmesser (Ouarq). Weltweit entwickeln und produzieren heute 3800 Mitarbeiter an 17 Standorten in 13 Ländern SRAM-Produkte.
Entwickeln und testen
In Schweinfurt arbeiten knapp 200 Mitarbeiter in der Entwicklung von Ketten- und Nabenschaltungen, im Verkauf, Marketing und Händlerservice. Beim Kauf im Jahr 1997 hatte SRAM 400 von 700 Sachs-Mitarbeitern übernommen. 2002 sollte dann die Produktion nach Tschechien verlagert werden. Das Vorhaben scheiterte. Die Anzahl der Beschäftigten schrumpfte jedoch und lag im Jahr 2010 bei 265. 2012 war dann die Produktion an der Romstraße 1 im Maintal endgültig ausgelaufen und nur noch 120 Mitarbeiter (vor allem Entwicklung) beschäftigt.
In den letzten Jahren sorgten Entwicklungen aus Schweinfurt immer wieder für Schlagzeilen, darunter eine drahtlose elektronische Schaltung für den Rennsport in 2015 und im vergangenen Jahr der Eagle-Antrieb für das Mountainbike, der an den Pedalen nur noch ein Kettenblatt und am Hinderrad zwölf Ritzel hat.
Ingenieure gesucht
Auf Anfrage teilte der Redaktion dieser Zeitung Geschäftsführer Marcus Schneider (Schweinfurt) mit, dass das Ende der Produktion von Nabenschaltungen keine Auswirkungen auf die Arbeitsplätze habe, weder in Schweinfurt noch in der Fertigung in Asien. Frei werdende Kapazitäten würden von der Entwicklung bis zur Produktion dringend gebraucht. Die Nachfrage am höheren Preissegment sei ungebrochen. Auch sorge der gut gehende Verkauf von E-Bikes für Aufträge und verlange Innovationen. Für den „Markt im Wandel sucht SRAM Schweinfurt händeringend nach Ingenieuren“, so Schneider.