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GRAFENRHEINFELD: Bärtiger Barde ist deftig und heftig

GRAFENRHEINFELD

Bärtiger Barde ist deftig und heftig

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    Hansi, der Dahinter-Seher: Der Alpenländler Hans Söllner spielte das Gegenteil von Volksmusik.
    Hansi, der Dahinter-Seher: Der Alpenländler Hans Söllner spielte das Gegenteil von Volksmusik. Foto: Foto: Uwe Eichler

    Nein: Der Söllner Hans leistet keinen Widerstand gegen die Staatsgewalt. Die Ordnungshüter randalieren seit Jahren sinnlos gegen ihn, den Chuck Norris der linken Liedermacher-Szene. Könnte man zumindest meinen, wenn man den Reichenhaller Reggae-Rebellen so hört, hanfgekleidet auf seinem Thron in der Rafelder Kulturhalle.

    Man spürt die Begeisterung des Publikums, 552 Besucher hat irgendjemand gezählt. Wie oft haben sie ihn angehalten, gefilzt, auf die Wache zitiert, wollten wissen, was er in den Taschen hat: „nix.“ Trotz des Hosentaschen-Nirvanas musste der bekennende Cannabis-Konsument den Inhalt herzeigen, was ihn zu der Erkenntnis gebracht hat, dass für die Polizei das Nichts existiert.

    Ganze 21 Minuten dauert es, bis das erste Lied erklingt. Der Söllner macht erst mal Musikkabarett, der Steuer wegen: eine Art Steuerpolitik der Atomwirtschaft im Kleinen, ätzt der 58-Jährige mit gemütlich glühender, rauchiger Stimme. Ihm ist, „Grüß Gott“, nur zu bewusst, wo er gerade auftritt: „Steht es noch, das Atomkraftwerk?“ Die ersten vier Chemos, die gebe es neben so einer Anlage sicher umsonst. Die Kühe auf der Weide, die hätten dann wohl einen ähnlichen Zweck wie Kanarienvögel im Bergwerk: Wenn sie tot umfallen, wird es höchste Zeit abzuhauen.

    Sein Lieblingsthema bleibt der zivile Ungehorsam, die Überlastung der Aufpasser: „Wir müssen sie dazu bringen, jeden Einzelnen von uns zu überwachen.“ Das heißt, mal der Polizei hinterherfahren, mit dem Auto, mal nüchtern zickzack fahren oder den Führerschein abgeben, rein prophylaktisch. Der Snowden hätte bei uns Asyl erhalten müssen, nicht bei Putin, ausgerechnet. Joschka Fischer wird abgewatscht, als Verräter linker Ideale, dann ist die Ursula von der Leyen dran, die „Kriegsministerin“, die mehr Frauen bei der Bundeswehr will. Krieg, da wird der Hans ernst, ist nicht dasselbe wie Verteidigung. Zur Strafe gibt's beißenden Spott: „Ursula trägt keine schöne Unterwäsche“. Der bärtige Barde kann sehr deftig und heftig, bockig und böse sein, in seinem Zorn gegen Politiker, Reiche, Umverteiler, Biederbürger, Kriegstreiber, Völkervernichter.

    Marihuana? „keine Einstiegs-, eine Ausstiegsdroge.“ Vier Tage ist die letzte Tüte her, zwischendurch vermutet er selbst einen Flashback, manch Gedankenspiel wirkt ein bisschen konfus. Was Wunder: „Ich rauche jetzt seit 30 Jahren und kenne jede Nuance des Eingerauchtseins.“ Trotzdem, warnt er den Nachwuchs, soll man erst ab 21 kiffen.

    Mit „Hansi, Hansi“-Rufen fordern die Fans ihre Zugaben: Weil der Söllner in seinem Herzen ein friedliebender, fast schon wertkonservativer Revoluzzer (und verantwortungsbewusster Vater) ist, spielt er jetzt Beruhigendes, Nachdenkliches. Am Ende bringt der altlinke Hasch-Hexenmeister das Kunststück fertig, dass die Menge, die gerade noch urige Wut auf „die da oben“ gespürt hat, sanft und zufrieden nach draußen enteilt, zu den Klängen von Bob Marley. Uwe Eichler

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