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Schweinfurt: Bahnhofsmission: Corona verschärft Ängste und Depressionen

Schweinfurt

Bahnhofsmission: Corona verschärft Ängste und Depressionen

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    Deutlich mehr psychisch angeschlagene Menschen suchen in Zeiten von Corona Hilfe bei der Bahnhofsmission in Schweinfurt.  Die beiden Leiterinnen Susanne Brand (links) und Ingeborg Götz (rechts) kümmern sich um die elementaren Bedürfnisse dieser Menschen, die in unserer Gesellschaft oft kaum Beachtung finden.
    Deutlich mehr psychisch angeschlagene Menschen suchen in Zeiten von Corona Hilfe bei der Bahnhofsmission in Schweinfurt.  Die beiden Leiterinnen Susanne Brand (links) und Ingeborg Götz (rechts) kümmern sich um die elementaren Bedürfnisse dieser Menschen, die in unserer Gesellschaft oft kaum Beachtung finden. Foto: Anand Anders

    "Es ist toll, dass es das gibt." Seit 15 Jahren kommt Johannes jeden Morgen zur Schweinfurter Bahnhofsmission, manchmal auch mittags. Er trinkt dort eine Tasse Tee oder einen Kaffee. Und wenn er einen mitfühlenden Zuhörer braucht, "dann ist immer jemand für mich da".     

    Susanne Brand und Ingeborg Götz leiten die Bahnhofsmission am Gleis 1. Unterstützt werden sie von zwei weiteren hauptamtlichen Mitarbeitern und acht ehrenamtlichen Helfern. Wegen Corona sind die Ehrenamtlichen im Moment aber nicht im Einsatz. "Das ist sehr traurig", sagt Susanne Brand, "denn unsere Helfer sind alle mit Herzblut dabei und werden dringend gebraucht." Vor allem jetzt in Zeiten von Corona. Denn die beiden Frauen haben festgestellt, dass sich die Aufgaben der Einrichtung durch das Pandemie-Geschehen verändert haben. "Es kommen deutlich mehr Menschen, die psychisch angeschlagen und einsam sind." Neben dem üblichen Hilfsangeboten rund um den Bahnsteig sind nun vermehrt seelsorgerische Gespräche hinzu gekommen.    

    An der Tür der Bahnhofsmission in Schweinfurt wird niemand abgewiesen. Susanne Brand (links) und Ingeborg Götz sehen ihre Arbeit, die eher im Verborgenen stattfindet, als einen entscheidenden Baustein im Sozialwesen der Stadt Schweinfurt. 
    An der Tür der Bahnhofsmission in Schweinfurt wird niemand abgewiesen. Susanne Brand (links) und Ingeborg Götz sehen ihre Arbeit, die eher im Verborgenen stattfindet, als einen entscheidenden Baustein im Sozialwesen der Stadt Schweinfurt.  Foto: Anand Anders

    "Wir betreiben hier Seelenhygiene", sagt Susanne Brand. Es kommen Menschen mit Ängsten, Krankheiten und finanziellen Problemen. Es sind Menschen, die plötzlich ohne Wohnung oder Arbeit dastehen. Menschen, die depressiv und einsam sind. Auch Johannes hat Depressionen. Seine Gefühlswelt ist ein Auf und Ab. Als sein Vater im Januar starb, war er froh, dass die beiden Frauen von der Bahnhofsmission für ihn da waren – ohne Ressentiments.

    "Wir betreiben hier Seelenhygiene"

    Susanne Brand, Leiterin der Bahnhofsmission

    "An der Tür der Bahnhofsmission wird niemand abgewiesen", betonen Ingeborg Götz und Susanne Brand. Rund 20 Gäste betreuen sie am Tag. In der kalten Jahreszeit werden es gewöhnlich mehr. Die Bahnhofsmission, die in der Trägerschaft des Diakonischen Werks und In Via Würzburg steht, bedient die elementaren Bedürfnisse nach Kleidung, Nahrung und Kommunikation von Menschen, die in der Gesellschaft kaum Beachtung finden. "Viele wollen einfach nur ihr Herz ausschütten", erzählt Ingeborg Götz. Seit 16 Jahren arbeitet die gelernte Bürokauffrau in der Bahnhofsmission. Anfänglich als Ehrenamtliche, seit acht Jahren als Leiterin. "Es hat mich nicht mehr losgelassen." Susanne Brand kam "zufällig" zur Bahnhofsmission. Sie ist Floristin und wollte mal was anderes machen. Jetzt ist sie seit zehn Jahren dabei, seit September in Leitungsfunktion.

    Die beiden Frauen sind keine Sozialpädagoginnen und keine Therapeutinnen, aber sie haben viel Wissen durch Fortbildungen und Lebenserfahrung. "Das sind Menschen wie du und ich", und das schätzt Johannes. "Hier fühle ich mich aufgehoben."

    Jeder Woche gibt es in der Bahnhofsmission ein "Mutmacherchen". Die aufmunternden Sprüche darf sich jeder Gast mitnehmen.
    Jeder Woche gibt es in der Bahnhofsmission ein "Mutmacherchen". Die aufmunternden Sprüche darf sich jeder Gast mitnehmen. Foto: Anand Anders

    Susanne Brand und Ingeborg Götz vermitteln auch fachkundige Hilfe, zum Beispiel bei Beratungsstellen. Sie vereinbaren Termine, helfen beim Ausfüllen von Anträgen, machen Kopien oder rufen Behörden an. In erster Linie aber sind sie Zuhörer. Manchmal tröste schon ein Stück Kuchen oder eine Tasse Tee. "Es gibt keine Erwartungshaltung, unsere Gäste sind zufrieden, wenn sie hier sein dürfen." Aufgrund der Corona-Pandemie darf aber immer nur ein Gast in den kleinen Besuchsraum. Während Johannes seinen Tee trinkt, wartet draußen schon der Nächste. Auch ein Stammgast, er möchte sich eine Brotzeit abholen.

    "Viele wollen einfach nur ihr Herz ausschütten"

    Ingeborg Götz, Leiterin der Bahnhofsmission

    Als kleine "Mutmacherchen" verteilen Susanne Brand und Ingeborg Götz wöchentlich aufmunternde Sprüche, fein säuberlich auf gelbem Papier gedruckt und zusammengerollt mit einem Schleifchen versehen. "Das findet großen Zuspruch." Aktuell laufen die Vorbereitungen für die Weihnachtspäckchen-Aktion. Jeder Gast wird beschenkt. Das beliebte Kranzbinden fällt leider Corona zum Opfer. Auch das monatliche Stadteilcafé fällt während des Lockdowns aus.

    Ein besonderes Highlight für die Gäste ist der Beauty-Day, bei dem Friseurinnen und Kosmetikerinnen ihre Dienste ehrenamtlich zur Verfügung stellen. "Zu beobachten, wie ein Mensch im Verlauf dieser ungewohnten Behandlung äußerlich und innerlich zu glänzen beginnt, ist faszinierend und beklemmend gleichermaßen", meint Susanne Brand. Es zeige, wie bedeutend Zuwendung, Wertschätzung und Achtung für das Selbstwertgefühl eines Menschen seien.     

    Johannes hat inzwischen seinen Tee getrunken und macht sich wieder auf den Heimweg. Er wohnt nicht weit von der Bahnhofsmission entfernt. Im Gegensatz zu manch anderen Gästen hat er noch soziale Kontakte zu Familie und Freunden. Den täglichen Gang zur Bahnhofsmission möchte er trotzdem nicht missen. Hier holt er sich auch Inspirationen für seine Kurzgeschichten und Krimis, die er seit 30 Jahren schreibt. Irgendwann will er sie verlegen lassen. Und wenn Corona es zulässt, wird er in der Bahnhofsmission eine Lesung halten.  

    Hinweis: Die Bahnhofsmission ist auf ideelle und finanzielle Hilfe angewiesen. Wer helfen will, findet Informationen und Spendenformulare auf der Homepage unter www.bahnhofsmission-schweinfurt.de

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