Unter den Schweinfurter Fachgeschäften für Unterhaltungselektronik war „Elektro Beuschlein“ eindeutig eine Langspielplatte: Fast 80 Jahre ist der Familienbetrieb alt, der seine Pforten Ende Januar schließen wird, als einer der Letzten seiner Art.
Momentan werden die Bestände geräumt, beim TV-, Video- und Hi-Fi-Spezialisten am Markt 27, wo Gründer Adolf Beuschlein bereits 1949 eingezogen ist. Da lag die Stadt teilweise noch in Trümmern. Der aus der Gegend von Wertheim stammende Elektroinstallateur war seit 1939 am Graben ansässig. In den Nachkriegsjahren entwickelte sich das Geschäft rasch zu einer Schweinfurter Institution, die in der Stadt für den guten Ton sorgte.
Eine "Flimmerkiste" war damals eine teure Sensation
Das waren die Jahre, als nebenan noch Autoverkehr am Marktplatz vorbeirollte und die Polizei vom „Schwalbennest“ (einer gläsernen Beobachtungskanzel am Rückert-Haus) aus die erste Schweinfurter Ampel steuerte. Auch in den Wohnzimmern der Wirtschaftswunderzeit herrschte unerhörter technischer Aufschwung. Eine „Flimmerkiste“ war für Normalverdiener aber noch eine teure Sensation.
Viele Passanten standen „beim Beuschlein“ am Schaufenster und verfolgten das Weltgeschehen im ausgestellten Fernseher: den Beginn machte die Krönung von Queen Elizabeth 1953, es folgten Fernsehshows oder die aus dieser Zeit bekannten Fußballknüller.
Kein leichter Abschied
Junior Kurt Beuschlein stand mit Ehefrau Christel seit 1972 als Chef hinter der Verkaufstheke. Kurt Beuschlein ist gelernter Elektriker, sowie Radio- und Fernsehtechnikmeister. „Nun gehen wir halt doch in den Ruhestand“, sagen die Beuschleins. Vor allem Kurt Beuschlein fällt der endgültige „Sendeschluss“ sichtlich schwer, auch mit 83. In den letzten Jahren war der Laden fast schon eine Art besseres Hobby, die Konkurrenz des Großhandels und Onlineangebots war deutlich spürbar.
Vor allem der Stamm-Kunden wegen machte „Elektro Beuschlein“ einfach weiter: ein bekannter und beliebter Treffpunkt, wo nicht nur verkauft, sondern auch fachkundig beraten, manches Ersatzteil beschafft und vieles in der eigenen Werkstatt repariert worden ist. Die „gute Unterhaltung“ fing da oft schon im Laden an.
Jahrzehnte lang Trendsetter
„Elektro Beuschlein“ war in Schweinfurt viele Jahrzehnte Trendsetter auf verschiedenen Kanälen. Von dem Tag an, als Elizabeth II. die Krone aufs Haupt gesenkt wurde, in Westminster Abbey, schwarz-weiß im Fernsehen, aber bereits live für ein Millionenpublikum: ein Stück Fernsehgeschichte, für das extra eine meterhohe Antenne aufs Dach gestellt worden ist.
„Wir haben als Erste eine Schallplatten-Kabine gehabt“, sagt Kurt Beuschlein stolz. Dafür ist er eigens in die Schweiz gefahren („da waren die weit voraus“), hat ein Foto gemacht und das Ganze nachbauen lassen, schalldicht, mit zwei Lederstühlen. Später folgte noch eine zweite Kabine.
Wie in einer großen Telefonzelle
Für jeweils zwei Personen konnte eine Platte stereo abgespielt werden, wie in einer großen Telefonzelle: Sohn Ralf erinnert sich, dass er mit Bruder Thomas nach der Schule oft hinter der Glastür saß, um sich Musik und Hörspiele anzuhören. Die Kabinen mussten allerdings nach einigen Jahren aus Platzgründen weichen.
1964 wurde das erste Hi-Fi-Studio der Stadt eingerichtet, „die Treppe runter“, mit hochwertigen Lautsprecher-Boxen, Hi-Fi-Anlagen und Schaltpulten, zum Probehören. Legendär war die Schallplattenbar, eine Theke mit jeweils sechs Plattenspielern und Barhockern, sowie urigen Hörern, die separat ans linke und rechte Ohr gehalten wurden. „Ein toller Service“, erinnert sich Ralf Beuschlein, aber schon sehr aufwendig: „Manchmal war es wie in Karl Valentins Sketch „Im Schallplattenladen“. Nur eben mit astreinem Klang.
CD war damals revolutionär
Zum 50.Jubiläum 1989 folgte eine Camcorder-Videoabteilung. Damals galt die „Compact Disc“ oder CD als revolutionär. Heutzutage ist es die Schallplatte, die ihr Revival feiert. Um die zehn Mitarbeiter hatte die Firma zu Spitzenzeiten. Tonbandgeräte und Kassettendecks, Satelliten-Antennen, Walkmen und Kopfhörer, Radios, Plattenspieler, Fernseher, Stecker und Anschlüsse aller Art fanden oder finden sich in den Regalen. In einer kleinen „Museumsnische“, die zur 50-Jahr-Feier eingerichtet worden ist, steht noch ein uraltes Grammophon.
Kurt Beuschlein ist selbst ein großer Musikfan, vor allem Richtung Jazz und Klassik: Für ein Konzert in Schweinfurt half er einmal dem legendären kanadischen Jazz-Pianisten Oscar Peterson, der bedankte sich per Autogramm-Poster. Auch sonst ging es im Herzen von Schweinfurt international zu: In einer Wohnung über dem Laden wohnte in den 60er-Jahren Leutnant George A. Joulwan, später Oberkommandierender der NATO-Streitkräfte in Europa. Christel Beuschlein erinnert sich, dass der Obermieter unbedingt ein deutsches Federbett mit in die Staaten nehmen wollte: „Zum Dank hat er seine Militärkappe dagelassen.“ Vor ein paar Jahren war der ehemalige 4-Sterne-General libanesischer Abstammung noch mal auf Besuch bei den Beuschleins.
Nun wird endgültig der Stecker gezogen. Sohn Ralf ist aus den USA da und hilft bei der Geschäftsauflösung. Komplett weg sind Bild und Ton auch nach dem Räumungsverkauf nicht: Manch Fernseher oder Musikanlage aus dem Hause Beuschlein wird dann noch in den Wohnungen in und um Schweinfurt stehen.