Mit einem Alter von fast 450 Jahren ist die Grabplatte zweier Mädchen eines der ältesten Denkmäler der Ettlebener Geschichte. Ziemlich ungewöhnlich sind die Umstände, die das steinerne Zeugnis von 1566 – regelrecht in letzter Minute – vor dem Verfall und dem endgültigen Vergessen bewahrten. Auf Umwegen hat die historische Grabplatte, der eine überregionale Bedeutung zugeschrieben wird, jetzt auf Initiative von Peter Kraft eine dauerhafte Stätte in der Leichenhalle im Ettlebener Friedhof gefunden.
Ursprünglich bedeckte die Steinplatte das Grab der Mädchen in der örtlichen Kirche. Bis sie 1811 im Zuge einer Barockisierung des Gotteshauses mit allen anderen Grabplatten, die sich am Boden und an den Wänden befanden, aus der Kirche entfernt wurde, wie Kraft im Diözesanarchiv recherchiert hat. Die behauenen Steine wurden wohl verkauft oder verschenkt, meint der Ettlebener. Während alle anderen verschollen sind, überdauerte die Grabplatte von 1566 aber bis heute.
Kraft kann sich noch an das alte, vor Jahren abgerissene „Böhmshaus“ im Hirtentorweg erinnern. Dort war die Platte mit der Sichtseite zur Straße hin eingemauert. Seine Frau hatte ihn einmal darauf aufmerksam gemacht. Als mittlerweile pensionierter Lehrer konnte Kraft die lateinische Inschrift übersetzten: „1566 verstarb Marta, Tochter des Ettlebener Pfarrers, am 3. November“. In der Umschrift am Rand war zu lesen: „Im Jahre des Herrn 1573 starb (..) Fleyschman, ein Mädchen, ihre Seele ruhe in Frieden“. Dass hier ein Pfarrer, wenn auch in lateinischer Sprache, für jedermann einsehbar, seine Vaterschaft bekannte, sorgte bei den beiden für Erstaunen.
Wieder in den Sinn kam den Krafts die Steinplatte vor vier Jahren. Nach dem Tod des örtlichen KAB-Vorsitzenden war der überalterte Verein aufgelöst worden. Die Mitglieder entschieden, das noch vorhandene Vermögen im Ort für denkmalpflegerische Zwecke zu verwenden. Und bestimmten Kraft als „Testamentar“. Nach einigem Überlegen reifte die Idee, mit dem Geld die alte Grabplatte zu erwerben und sich um deren Erhalt zu kümmern.
Man nahm mit Peter Kuhn, dem Erben des „Böhmshauses“, Kontakt auf. Der hatte die historische Grabplatte beim Hausabbruch gerettet und sie in seinem Garten aufgestellt. Gegen eine „angemessene Gebühr“ überließ Kuhn, der selbst nicht mehr in Ettleben wohnt, das gute Stück. Kraft dankte vor allem Kuhns Nachbarn, „ein gewisser Herr Wolf“, der bemerkt hatte, dass die Platte im Freien zu zerfallen drohte. In Eigeninitiative brachte er sie in seiner Garage trocken unter.
Bei Kreisheimatpfleger Karl-Heinz Hennig holte sich Kraft nun Rat. Letzterer verwies an die Untere Denkmalschutzbehörde und den Bezirk Unterfranken. Es folgte ein „Antrag auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis“ für die Restaurierung. Für diese zog Kraft den Königsberger Restaurator Petro Schiller hinzu, der den Zustand der Platte als „katastrophal“ bewertete. Weil die Oberfläche nicht mehr mit der Trägerplatte verbunden war, musste weniger eine Restaurierung, als vielmehr eine Konservierung der vorhandenen Substanz erfolgen, was Schiller auf 3000 Euro veranschlagte.
Diese Summe überstieg allerdings das verbliebene KAB-Vermögen. Aber nicht nur Wernecks Bürgermeisterin Edeltraud Baumgartl sicherte, wenn erforderlich, eine finanzielle Unterstützung des Marktes zu. Auch eine Reihe örtlicher Vereine zeigte sich auf Anfrage Krafts bereit, mit einer Spende „ein Stück Geschichte Ettlebens zu bewahren“. Gerade dieses Engagement, machte es aus Krafts Sicht erforderlich, die restaurierte Grabplatte „nicht klammheimlich anzubringen“, sondern in einer öffentlichen Feierstunde zu übergeben.
Dabei nahm Kraft eine geschichtliche Einordnung der Grabplatte vor, „die doch eine gewisse Brisanz beinhaltet“. Denn offensichtlich war es 1566 selbstverständlich, dass der damalige Ettlebener Pfarrer Valentin Fleischmann seine Vaterschaft auf der Grabplatte bekannte. Verwunderlich daran sei aber die Tatsache, dass das Grab der beiden Mädchen und damit die Grabplatte in der Kirche war, also an einem bevorrechtigten Begräbnisplatz, beruft sich Kraft auf die Niederschriften von Johann Georg Weikard, der ab 1833 Pfarrer in Ettleben war.
Doch für Entrüstung sieht Kraft keinen Anlass. Denn zu Beginn des 16. Jahrhunderts herrschten mit Reformation, Bauernkrieg und dem Markgräfler Krieg wirre und gefährliche Zeiten, die auch von „geistiger Unsicherheit und sittlicher Orientierungslosigkeit“ geprägt waren. Krafts Hoffnung ist, dass die Grabplatte von diesen Zeiten noch lange Zeugnis ablegen kann.
Frei zugänglich und doch vor der Witterung geschützt, steht die Steinplatte in der Leichenhalle nun unter der Obhut des Marktes, der einen noch ungedeckten Betrag von 813 Euro für die Restaurierung übernahm.