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KREIS SCHWEINFURT: Bergsteiger wil Nepal helfen: Mit Bildung

KREIS SCHWEINFURT

Bergsteiger wil Nepal helfen: Mit Bildung

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    In Kagate hat Andreas Friedrich alle Dorfkinder kennengelernt.
    In Kagate hat Andreas Friedrich alle Dorfkinder kennengelernt. Foto: Andreas Friedrich

    Weiß so weit das Auge reicht. Seit drei Tagen schneit es ununterbrochen. Das Lager auf dem Hochgebirgspass kann unter den Schneemassen nicht länger aufrechterhalten werden. Er weiß, die einzige Rettung ist der Abstieg – beschwerlich und lebensgefährlich.

    Auf dem Weg nach unten überkommt ihn ein mulmiges Gefühl: Irgendetwas stimmt nicht. Und da passiert es: Über dem Hang löst sich der Schnee. Es bleibt gerade noch Zeit für einen Warnruf an die anderen, dann rasen die weißen Massen auch schon mit atemberaubender Geschwindigkeit den Berg hinab - direkt auf sie zu. Überall nur noch Schnee und Eis.

    Wo ist oben, wo unten? Die Zeit rast mit der Lawine ins Tal. Auf einmal Stillstand. Er kann sich kaum bewegen, steckt im Schnee fest, nur eine kleine Kammer kann er mit dem rechten Arm schaufeln – genug Sauerstoff, um ein paar Minuten zu überleben. Wird das reichen?

    Er spürt, wie sein Körper auf ein Minimum herunterfährt, fast gänzlich abschaltet, doch sein Kopf bleibt hellwach. Längst vergessene Kindheitserinnerungen ziehen an seinem inneren Auge vorbei, ein Tunnel durch den er gehen muss.

    Friedrich feiert einen zweiten Geburtstag

    Und dann, endlich, reißt der Schnee über ihm auf: Es ist der 17. November 2009, Andreas Friedrich feiert seinen zweiten Geburtstag.

    Dieser Moment im nepalesischen Teil des Himalaya soll Friedrichs Leben für immer verändern. Von Sherpas aus den Schneemassen befreit, überlebt er den Abgang der Lawine. Mit letzter Kraft schafft die Gruppe den Weg zurück auf die geplante Route. Drei Jahre später hat der Flugkapitän der DHL ein zweites Mal Glück: Kurz vor dem Aufstieg auf den achthöchsten Berg der Welt, den Manaslu, löst sich eine weitere Lawine. Die Schneemassen reißen zahlreiche Bergsteiger in den Tod.

    Andreas Friedrich befindet sich zu dieser Zeit im Base-Camp. Eigentlich wäre auch er auf dem Weg zum Gipfel gewesen, doch sein Aufstieg war um einen Tag verschoben worden. Ein weiteres Mal kommt er nur knapp mit dem Leben davon. Aus der Ferne muss er zusehen, wie sich die Tragödie ereignet. Auch dieses Mal retten Sherpas einigen wenigen Bergsteigern das Leben. Als sich Friedrich wieder in Sicherheit befindet, ist ihm eines klar: „Ich muss diesen Menschen etwas zurückgeben!“

    Bildung ist die Antwort

    Doch wie revanchiert man sich bei einem Volk, das mitten im Himalaya-Gebirge lebt? Ganz klar: „Mit Bildung“, weiß der 55-jährige Hobbybergsteiger, der vor kurzem von München in den Landkreis Schweinfurt zog. Doch leichter gesagt als getan, denn wo setzt man an? Hier bekam Friedrich Hilfe von einer langjährigen Freundin, Doma Lama, die er auf einer Expedition im Jahr 2006 kennengelernt hatte. Sie empfahl ihm ein Dorf in 2200 Metern Höhe: Kagate im Nord-Osten Nepals, einst das Tor zum Mount Everest.

    „Die Gegend hat großes Potenzial“, erzählt Andreas Friedrich, „Dort wachsen wertvolle medizinische Kräuter, die zum Beispiel für die Herstellung von Tiger Balm benötigt werden.“ Und noch eine weitere Kostbarkeit wächst in Kagate. Von ihr leitet sich der Name des Dorfes ab, „kagaj“, nepalesisch für Papier: der Seidelbast. Aus ihm wird das grobe Lokta-Papier gewonnen, das nicht nur die buddhistischen Mönche für ihre Gebetsrollen verwenden, auch alle offiziellen Schreiben Nepals werden auf diesem Papier verfasst.

    Und schon war die Idee geboren: Eine Schule muss her, denn dieses Potenzial muss ausgeschöpft werden. Kurzerhand gründete Andreas Friedrich im Jahr 2014 die Initiative „Mountain-Projects e.V.“, um unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ den Sherpa-Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Später sollen sie einmal sich selbst und ihre Region versorgen können.

    Zwei Stunden Fußweg zur Schule

    Circa 600 Menschen leben in Kagate und Umgebung. Die nächste Schule ist über zwei Stunden Fußweg entfernt, der über steinige Steilhänge führt – für kleine Kinder zu gefährlich. Notgedrungen findet deshalb der Unterricht in einem alten Viehstall in Kagate statt, der weder vor Wind und Wetter schützt, noch sanitäre Anlagen besitzt. Zudem ist der Stall so klein, dass nur die Hälfte der Kinder den Unterricht besuchen kann.

    Viermal hat Andreas Friedrich schon das Dorf besucht: „Ich will, dass all diese Kinder eine Schule bekommen“, so lautet sein größter Herzenswunsch. Das Ziel: Erdbebensichere Gebäude mit Küche und WC, hergestellt aus den dort verfügbaren Materialien und finanziert aus den Spenden, die mit Mountain-Projects gesammelt werden konnten.

    Zwei Jahre nach der Gründung des gemeinnützigen Vereins konnte der Bau beginnen: Ein einstöckiger Kindergarten, dahinter ein zweistöckiges Schulgebäude mit vier Klassenräumen, weiter oben am Hang ein Gebäude für Lehrer. 90 Kindern werden die neuen Räumlichkeiten Platz bieten und schon bald wird das erste der drei Gebäude fertiggestellt.

    Doch das alles schafft man nicht allein. „Man braucht Leute, die für das Projekt brennen, die sich auf das Ziel einschwören“, weiß Friedrich.

    Deshalb hat er sich die Hilfe von verlässlichen Freunden geholt: Darunter Doma Lama und ihr Sohn Chhewang, der die Lage vor Ort koordiniert. Dorflehrer Lalit hat schon mehrere Schulneubauten in der Region begleitet und steht dem Projekt mit seiner Erfahrung zur Seite. Gleichzeitig informiert er die Dorfbewohner und bereitet sie auf den modernen Neustart vor.

    Reihe von Unterstützern

    Auch Verena Bentele, Olympiasiegerin im Paralympics Biathlon, ist mit an Bord. Durch ihre Sehbehinderung weiß sie, wie wichtig die Hilfe anderer Menschen ist, deshalb unterstützt sie Mountain-Projects als Fürsprecherin. Für das Design der Website ist Informatiker Patrick Michelberger zuständig. Hier kann man nicht nur spenden, sondern auch direkt in die Gesichter der Kinder blicken.

    Ein weiterer Partner ist die Universität Leipzig. Gemeinsam mit Mountain-Projects hat sie ein Programm gestartet. Es heißt „Train The Teachers“ und sieht vor, Referendaren der Uni Leipzig die Möglichkeit zu bieten, einheimische Lehrer in Kagate weiterzubilden.

    Ziel: Kindern ein Vorbild sein

    Neben Mountain-Projects wollte Friedrich noch ein ganz besonderes Zeichen setzen: Im Jahr 2016 bestieg er den höchsten Berg der Welt, den Mount Everest. „Das Bergsteigen erfordert Fokussierung, Mut, Ausdauer und Disziplin“, weiß der Pilot aus langjähriger Erfahrung. „Ich möchte den Kindern ein Vorbild sein, ihnen zeigen, dass man alles schaffen kann“, so Friedrich. Denn mit 8848 Metern ist der höchste Punkt der Erde für ihn ein Sinnbild der persönlichen Ziele im Leben.

    So fand sich das Motto für das gesamte Projekt: „What is Their Everest?“, auf Deutsch: „Was ist ihr Mount Everest?“. Gemeint sind die Ziele und Träume der Sherpa-Kinder, die Friedrich mit dem Neubau der Schule zu verwirklichen hofft. Im Jahr 2019 will es der gebürtige Essener noch einmal wagen – als Vorbild und um Aufmerksamkeit für seine Initiative zu erwecken. Nebenbei tourt er mit seinen Vorträgen rund um die Everest-Expedition durch Deutschland und sogar bis Österreich.

    Weitere Projekte geplant

    Im Moment finanziert Mountain-Projects nur den Schulbau in Kagate. „Wir lernen noch, da möchten wir lieber ein Projekt richtig betreuen“, sagt Andreas Friedrich. In Zukunft hofft er allerdings auf weitere Projekte: „Ich brauche immer einen Reiz und das Thema Bildung ist für mich ein ewiger Reiz.“

    Neben dem Hauptsponsor „Sherpa Adventure Gear“ gibt es auch Einzelpersonen, die mit ihrer Spende etwas zum Projekt beitragen wollten. Eine von ihnen ist Janosch Kluge. Der Münchner Lehramtsstudent wollte nach dem Abschluss seines Studiums etwas Gemeinnütziges tun und hat sich zu diesem Zweck zahlreiche Initiativen angeschaut. Wiedergefunden hat er sich in Andreas Friedrichs Projekt.

    Kurzerhand fasste der 26-Jährige den Entschluss, mit dem Mountainbike nach Kagate zu fahren, suchte sich Sponsoren für jeden gefahrenen Kilometer und machte sich direkt vom Odeonsplatz aus auf die Reise. „Cycling for Nepal“, nannte er das Abenteuer, das er am 20. August 2016 startete. Circa 12 000 Kilometer und etliche Höhenmeter später erreichte er am 26. März sein Ziel. „Das ist einfach eine Wahnsinns-Leistung“, freut sich Andreas Friedrich, den Kluges Erfolg sichtlich mit Stolz erfüllt.

    Die Website von Mountain-Projects e.V. finden Sie unter www.mountainprojects.de

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