Riskieren Einsatzkräfte ihr Leben, wenn sie dem verunglückten Insassen eines Elektroautos helfen? Diese Frage stellen sich Wernecker Feuerwehrleute. Anfang Juli haben die Einsatzkräfte einen tödlich Verunglückten aus dem Wrack eines Elektroautos geborgen, haben dabei auch Fahrzeugteile zerschnitten. Während sie arbeiteten, konnten die Retter nicht wissen, ob das Fahrzeug noch unter Starkstrom stand. "Elektro- und Hybrid-Autos bedeuten für die Retter ein großes Risiko; die Frage ist, wie wir künftig damit umgehen", sagt der Wernecker Feuerwehrkommandant Thomas Bauke.
Elektro-Leitungen lagen frei
Es war ein schwerer Unfall, zu dem die Einsatzkräfte am Dienstag, 2. Juli, gerufen wurden. Ein Autofahrer war im Wernecker Ortsteil Eckartshausen (Lkr. Schweinfurt) frontal gegen einen Brückenpfeiler geprallt. Gegen 18.20 Uhr waren Polizei, Notarzt, Rettungsdienst und Feuerwehr vor Ort; sie konnten dem Fahrer nicht mehr helfen. "Sein Auto war total zerstoßen und zerfetzt", so Kommandant Bauke. Orangefarbige Leitungen, die zu den Bedienteilen des Autos führten und erkennen ließen, dass es sich um ein Elektrofahrzeug handelte, seien sichtbar gewesen. "Wir haben Fahrzeugteile weggenommen, um an den Verunglückten zu gelangen", berichtet Bauke. Auch habe der Motor des Wagens, der fünf Meter weiter in einer Böschung gelandet sei, zu brennen angefangen. Den Brand habe man gelöscht.
"Ich will nicht, dass einer meiner Mitarbeiter tot umfällt"
Norbert Deppisch, Leiter eines Wernecker Abschleppdienstes
Hätten die Feuerwehrkräfte das Fahrzeug überhaupt anlangen dürfen? "Nein", findet Norbert Deppisch, Leiter jenes Abschleppunternehmens in Werneck, das am 2. Juli vor Ort war. Deppisch glaubt, dass die Feuerwehr "überhaupt nicht an das Auto gedurft hätte". Die Rettungskräfte hätten ja gar nicht wissen können, wo sich die Batterie des Fahrzeug-Wracks befand, ob sie noch geladen war und wo die Stromleitungen des Fahrzeugs liefen. "Eine normale Steckdose hat 220 Volt – die Batterie eines Elektroautos hat bis zu 800 Volt. Wer diese Stromleitungen versehentlich zerschneidet, ist tot", sagt Deppisch.
Unter Berufung auf entsprechende Vorschriften entschied Deppisch als Leiter des Abschleppdienstes, das Wrack des Elektroautos erst dann auf den Transporter zu laden, wenn klar sei, dass das Auto "komplett stromlos" sei. "Ich bin verantwortlich für die Sicherheit meiner Mitarbeiter. Ich will nicht, dass einer von ihnen da draußen tot umfällt", sagt Deppisch gegenüber dieser Redaktion. Am 2. Juli veranlasste er, dass auf den "Hochvolt-Beauftragten" der Auto-Herstellerfirma zu warten sei. Bevor dieser das Wrack nicht inspiziert habe, werde nicht aufgeladen. Die Bergung des Unfallautos zog sich deshalb bis nach Mitternacht hin.
"Rettungskräfte müssen im Umgang mit Elektroautos geschult werden"
Kreisbrandrat Holger Strunk, Landkreis Schweinfurt
Der Leiter der Abschleppfirma habe korrekt gehandelt, sagt auf Nachfrage Holger Strunk, Kreisbrandrat für den Landkreis Schweinfurt. Gleichzeitig habe natürlich die Feuerwehr die Pflicht zur Personenrettung. "Sie muss von der Feuerwehr vorrangig betrieben werden – unter notwendigem Eigenschutz natürlich." Genauso wie der Wernecker Kommandant Bauke schätzt Strunk, dass mit der zunehmenden Zahl von Elektro- und Hybridautos auf Bayerns Straßen neue und anspruchsvolle Aufgaben auf die Feuerwehren zukommen. "Die Rettungskräfte müssen im Umgang mit Elektroautos geschult werden, damit sie sich nicht selbst gefährden", sagt Strunk. Problematisch dabei sei allerdings, dass bei praktisch jedem Fahrzeugtyp die Starkstrom-Leitungen unterschiedlich verlegt seien. Üblicherweise sei ein Elektroauto auch mit einer Rettungskarte ausgestattet, die anzeige, wie die Leitungen lägen – bei einem Totalcrash wie in Werneck könne man nach so einer Karte aber lange suchen.
Rund 20 000 Elektrofahrzeuge und 62 000 Hybrid-Fahrzeuge in Bayern
Dem ADAC liegen derzeit keine Mengenauswertungen zum Thema "Bergen von verunfallten Elektrofahrzeugen" vor. Jedoch gehe man derzeit aufgrund der relativ geringen Zahl von Elektrofahrzeugen nicht von einer zu erwartenden Häufung von schweren Unfällen aus, so Jürgen Hildebrandt vom ADAC Nordbayern. Derzeit sind in Bayern 20 063 reine Elektrofahrzeuge und 62 000 Hybrid-Fahrzeuge zugelassen - bei insgesamt knapp acht Millionen bayerischer Autos.
So sorgen Fahrer von Elektroautos für eine schnelle Rettung bei einem Unfall Nach einem Unfall können Hochvolt-Stromleitungen Retter oder auch Unfallopfer gefährden. Setzt ein Retter nach einem Unfall Spreizer oder Rettungsschere unbedacht kann, kann das im Extremfall für den Retter tödlich sein. Umso wichtiger ist es für die Einsatzkräfte zu wissen, an welchem Teil der Karosserie die Retter gefahrlos ansetzen können und wie sie das Hochvoltsystem eines Elektroautos deaktivieren können. Für die schnellere Befreiung der Fahrzeuginsassen sorgt die Rettungskarte. Alle Hersteller von Elektro- und Hybridautos bieten für ihren Fahrzeugtyp eine Rettungkarte zum Download an. Autobesitzer sollten diese in Farbe ausdrucken und hinter der Fahrersonnenblende befestigen; dieser Ort wurde für Rettungskräfte international kommuniziert. Außerdem sollte man den Aufkleber "Rettungskarte im Fahrzeug" am rechten oberen oder unteren Rand der Windschutzscheibe anbringen. Den Aufkleber gibt es in allen ADAC-Geschäftsstellen. Nach der Bergung sollten Elektrofahrzeuge im Außenbereich, weg von brennbaren Stoffen abgestellt werden. Eine Brandentwicklung auch Stunden nach dem Unfall kann nicht ausgeschlossen werden. Hierfür gibt es mittlerweile eigens entwickelte Container, die man mit Wasser fluten kann. Quelle: ADAC