Da spielen Orchideen mit liebestollen Insektenmännchen buchstäblich „Bienchen und Blümchen“. Ihre Flugsamen stehen in tödlicher Fressfeindschaft zu bestimmten Pilzen – und benötigen die Symbiose mit ihnen dennoch zum Überleben. Dann gibt es ölhaltige Stauden, die regelrechte Verpuffungen auslösen, wenn man ihnen mit offenem Feuer zu nahe kommt.
Werleins heutige „Expedition“ startet an der Jagdhütte von Herbert Heilmann am Zeller Wald. Es ist ein ungewöhnlich heißer Frühlingstag. Derzeit stehen die Wiesen wieder in der Blüte, auch wenn diese bedingt durch die Hitze zwei Wochen früher eingesetzt hat und Werleins Lieblinge, die Orchideen, mehrheitlich schon wieder verblüht sind.
Vogelnestwurz, Weißes Waldvögelein, Purpurknabenkraut oder der Frauenschuh sind die „Highlights“ im Landkreis. Auf einer Lichtung spüren Jäger Heilmann und Werlein blühende grünliche Waldhyazinthen auf, die wie alle Orchideen gefährdet sind und unter Naturschutz stehen.
Orchideen sind im Kommen
Rund 70 Arten (von Zehntausenden weltweit) gibt es in Deutschland, immer noch 34 in Franken, sowie ungezählte Hybride und natürliche Orchideen-Kreuzungen. Bedingt durch den Klimawandel, breitet sich die prächtige „Königin der Blume“ langsam auch wieder in nördlicheren Gefilden aus, wandert vom Kaiserstuhl wieder hoch Richtung Ostheim.
Da die Pflanzen zur Selbstbestäubung nicht in der Lage sind, sind sie bei der Vermehrung recht einfallsreich: Die Blüten des „Ragwurz“ etwa imitieren, je nach Art, das Aussehen von Insektenweibchen und senden deren Duftstoffe aus. Bienen-, Hummel- oder Wespenmännchen lassen sich blenden (oder an der Nase herumführen) und sorgen beim verwirrten Liebesspiel für die Bestäubung: Man ahnt, warum ein Erotik-Thriller mit Mickey Rourke und Jacqueline Bisset den Titel „Wilde Orchideen“ trug.
Vergleichsweise züchtig ist der prachtvolle „Frauenschuh“, der die Bienen ähnlich wie fleischfressende Pflanzen ins Blüteninnere rutschen lässt. Wenn die Pollenträger dann mühsam wieder herauskriechen, streifen sie ihre wertvolle Fracht ab.
4000 Flugsamen oder mehr sendet eine einzelne Orchidee aus, jedes Körnchen nur einige Millionstel Gramm „schwer“: Diese benötigen zum Keimen oft sogenannte Mykorrhiza-Pilze – Pilzfäden im Boden, die im ungünstigen Fall den Samen fressen (oder von diesem „gefressen“ werden), im Idealfall den Keimling mit Nährstoffen versorgen.
„Die meisten Leute laufen vorbei und sehen es gar nicht“, meint Werlein zum „Wunderwerk“ Blumenwiese. Oder sie graben Orchideen für den heimischen Garten aus, was den Beständen schweren Schaden zugefügt hat. Ebenso wie die Verbusch-ung der Waldrand-Wiesen, die nicht mehr gemäht werden, oder die Verdichtung des Bodens durch Befahrung der Waldschneisen.
Das „Leiden“ am Brönnhof
Der nahe Brönnhof etwa leidet diesbezüglich unter Holzeinschlag sowie der Schaffung des Militärgeländes im Jahr 1938, das heute von den US-Streitkräften genutzt wird. „Es steigt und fällt mit dem Bewuchs“, weiß der Hobby-Botaniker, der früher in der Industrie gearbeitet hat. Bei zu starker Beschattung durch robustere Artgenossen gingen die empfindlichen Orchideen ein.
Dazu kommt die Belastung durch Pestizide und Dünger: „Es wächst kaum noch etwas, das kann man nicht mehr rückgängig machen.“
Die auf den ersten Blick unscheinbaren, mageren, kalkhaltigen Hangwiesen bei Zell sind da echte Blumen-Refugien, vergleichbar mit den die Heidenfelder Seen oder der Bullenwiese bei Hesselbach.
Rund um den „Bumbershuckel“, einem für die Landwirtschaft uninteressanten Überrest der letzten Eiszeit, in dem sich Ackerwinden (früher berauschender Bestandteil von „Hexensalben“) oder Zaunwinden im Frühlingswind wiegen, spürt der rüstige Rentner Kurioses auf: Den kleinen Klappertopf (Rhinanthus minor) etwa, dessen Samen in den vertrockneten Fruchtständen klappernde Geräusche von sich gibt – früher ein Kinderspielzeug. Der stark gefährdete, große Bruder Rhinanthus major war 2005 „Blume des Jahres“.
Auf dem markanten Erdbuckel wächst auch gelblich-grüne Zypressen-Wolfsmilch, ein volkstümliches Heilmittel, das unter anderem gegen Warzen helfen soll. Immer wieder stößt Waidmann Herbert Heilmann auf Spuren von Wild, dass sich auf solchen naturbelassenen Flächen wohlfühlt. Etwa auf eine Kuhle, wo ein junger Rehbock seinen Bast abgestreift hat. Vor allem aber Schmetterlinge, Bienen und andere Insekten schätzen das Blumen-Angebot und locken andere Tiere, wie etwa Vögel an. Hoch über den Hangwiesen zieht ein Wespenbussard seine Kreise.
Zündender Diptam
Außerdem wächst auf den Anhöhen knapp unterhalb des Waldes der Diptam oder „Spechtwurz“: Eine große, in diesem Fall zartviolette Pflanzenstaude, die ätherische Öle enthält und eine eigene Gattung darstellt. Die Pflanze, die einen intensiven Zitronengeruch verbreitet, wird mit dem „Brennenden Busch“ aus der Bibel in Verbindung gebracht – soll sich das Öl doch bei großer Hitze selbst entzünden.
So recht glauben mag dies Heribert Werlein nicht. Einen Test mit dem Feuerzeug wagt er aber auch nicht: Der Diptam steht unter Naturschutz. Gefährlicher sei es schon, in die Stauden zu greifen und sich dann mit der Hand übers verschwitze Gesicht zu wischen: „Das hinterlässt Röteln auf der Haut.“
Noch schlimmer ist es bei der aus Osteuropa eingewanderten Herkulesstaude, weiß Werlein. Deren Hautgift wirkt in Verbindung mit Sonnenlicht – chemisch ist es mit dem des Diptam verwandt, die Riesenstauden lassen sich nur mit Schutzanzügen ausreißen.
Ein bisschen Abenteuer ist eben immer dabei, wenn man sich wie Heribert Werlein auf die Spur der heimischen Feld-, Wald- und Wiesen-Fauna begibt.