Walter Zeißner schwingt den wuchtigen Hammer in die Höhe und zielt. Schlag für Schlag verschwindet der Bohrstock ein Stück weiter im Ackerboden bis nur noch das Ende des Stabes herausragt. Dann setzt er einen langen Eisenhebel an und dreht den festsitzenden Bohrstock ein paar Mal um seine Achse, damit sich der wannenförmige Metallstab mit Boden füllt. Gleich wird der „Stich“ zeigen, welche Bodenqualität der Acker genau an dieser Stelle hat.
Zeißner ist Landwirt und der Örtliche Beauftragte der Teilnehmergemeinschaft der Waigolshäuser Flurbereinigung. Zusammen mit seinen sechs Vorstandskollegen ist er „den 22. Tag draußen“, um einen „ganz wichtigen Teil“ des vor sieben Jahren gestarteten Flurbereinigungsverfahren abzuarbeiten: die Wertermittlung der Böden. Es geht auf's Ende zu. Und auch wenn die gesellige Truppe gute Laune versprüht, sind sich alle einig, dass „es langt“.
Einfache Technik
Mit Unterstützung von Siegfried Strobel, „der einzige Gastarbeiter – weil mer Potenzial gebraucht ham“, hebelt Zeißner den eben versenkten Bohrstock Stück für Stück wieder aus dem Boden. Die Technik ist ebenso einfach wie effektiv. Außer dem Hammerstiel und einer Ziehhilfe ist dafür vor allem Muskelkraft nötig. „Wir sind körperlich fitter geworden“, gesteht der Waigolshäuser.
Kein Wunder. Neun bis zehn Stiche, alle einen Meter tief, werden pro Hektar gesetzt. Rechnet man noch einige Zwischenstiche mit ein, summiert sich das bei 730 Hektar Bereinigungsfläche auf „runde 8000 bis 8500“ Probenentnahmen. „Da waren Tage dabei, wo wir 47 und 48 Hektar geschafft haben“. Nicht immer ließen sich die Bohrstöcke so problemlos wie heute in den Boden treiben. Doch die Äcker südlich der Bahnlinie sind die „Schokoladen-Lagen“ von Waigolshausen.
Das bestätigt auch der Bohrstock-Inhalt auf ganzer Länge. „Humus, Nougatbraun, nahtloser Übergang, keine Verfärbung“, beschreibt Michael Krapf das zutage geförderte Bodenprofil. Der Frankenwinheimer ist einer von vier auswärtigen Sachverständigen, die den Waigolshäusern bei der Arbeit über die Schulter schauen. Sie sind von der Direktion für ländliche Entwicklung bestimmt und „dabei, damit alles läuft“, erklärt Krapf. „Für uns im Vorstand war das Neuland“, räumt Zeißner ein. Schließlich liegt die letzte örtliche Flurbereinigung über 70 Jahre zurück.
Den „super Stich“ vermeldet Zeißner als „Eins mit Stern“ in Richtung Stefan Hemrich. Der Vermessungsingenieur ist der Chef bei der Wertermittlung. „Ich versuch die Drei-Mann-Trupps zu leiten und leg fest, wo die Stiche gemacht werden“, erklärt er unter allgemeinem Lachen. Auf dem Rücken geschnallt hat Hemrich einen GPS-Empfänger, der mit seinem umgehängten Laptop verbunden ist. Dort dokumentiert er in einer gerasterten Flurkarte standortgenau alle Stich-Ergebnisse.
Einser-Böden sind die besten, Siebener die schlechtesten. Doch „so richtige Tonknüpel“, denen die Wasserspeicherfähigkeit eines guten Löß abgeht, gibt es in Waigolshausen kaum, weiß Alfred Pauls, Sachverständiger aus Aschfeld. Schließlich zählt die Bonität der örtlichen Böden zu den zweitbesten in Unterfranken. Der Durchschnitt liegt hier bei guten Zweier Böden.
„Wir ermitteln den reinen Tauschwert“ der Ackerflächen, erklärt Zeißner. „Je sorgfältiger das gemacht wird, desto leichter ist später die Neuverteilung“, mit der größere Ackerflächen gebildet werden sollen, sagt Pauls. „Dann gibt es keine Probleme beim Tausch“. Käme ein Einspruch von einem Eigentümer, könnte laut Vorstandsmitglied Herbert Mauder außerdem vor Ort gezeigt werden, „dass es stimmt“.
Bei Wind und Wetter unterwegs
„Gut getimt“, kommentiert einer das Zehn-Uhr-Läuten vom Kirchturm. Denn gerade ist die Truppe am Ende eines Weizenackers angekommen. Zeit für eine Pause. In einem mit Bänken bestückten Planwagen, einer „Leihgabe der KWS, der Saatzucht Seligenstadt“, gibt es wie jeden Tag Kaffee und selbst gebackenen Kuchen. „Der hat uns schon gute Dienste geleistet“, lobt Zeißner den Wagen, mit dem die Mannschaft die letzten Wochen bei Wind und Regen in der Flur unterwegs war.
Früher gab es über 30 verschiedene Boden-Unterscheidungen und es wurden noch Löcher mit dem Spaten ausgehoben, erzählt Sachverständiger Pauls. Vor ein paar Jahren wurde dann das System auf die heutigen Bodenklassen umgestellt. Doch die Reichsbodenschätzung von 1934 und ihre Klassifizierung nach Bodenzahlen ist noch in den Köpfen drin, wie sich beim Stich-Machen zeigt. Schließlich bildet sie auch den Ausgangspunkt der aktuellen Wertermittlung.
Dazu wurden 38 Mustergründe von damals in der Flur wieder aufgemacht und die Bodenprofile genau beschrieben. „Das war das Wichtigste“, sagt Zeißner: „Da beziehen wir uns drauf.“ Drei Tage verwendete die ganze Mannschaft im Vorfeld der Wertermittlung darauf und ordnete die Mustergründe den heutigen Bodenklassen zu. Ein geschultes Auge und Sachverstand braucht es trotzdem, um in der Praxis jeden Stich ohne langes Überlegen anhand von Farb-Nuancen und Konsistenz der einzelnen Boden-Horizonte beurteilen zu können.
„Auf geht's. Mach' mer weiter“, beendet Zeißner die Gespräche und den „letzten Umtrunk“. „Stefan, wie viel Hektar sind es noch?“. „Acht“. „Na, einmal 'rum und 'nauf“, meint Zeißner: „Mittag sind wir fertig“. „Nächste Woche stehen wir dann auf dem Hof und wissen nicht, was wir treiben sollen“, schäkert sein Vorstandskollege Heinrich Mauder lachend. Und schwingt den Hammer für den nächsten Stich.