Zum Artikel vom 26. Mai erreichte die Redaktion folgende Zuschrift.
Der Schweinfurter Bauverein steht laut der Berichterstattung in einer sozialdemokratischen Tradition. Es geht ihm angeblich um die Schaffung bezahlbaren Wohnraums für seine vermutlich der Arbeiterklasse angehörenden Mitglieder. Er betrachtet nun den Abriss und Neubau eines Teils der Gartenstadt-Siedlung in Schweinfurt als einzig sinnvolle Lösung. Als Planungsvorschlag für die künftige Siedlung sieht man ein Bild mit gesichtslosen Legoklötzen, die in die Landschaft gerammt werden sollen, was die Bewohner angeblich herbeisehnen – logisch, wenn man ihnen keine vernünftige Alternative zum untragbaren bisherigen Wohnzustand aufzeigt. Ich finde es erstaunlich, wie unfähig die Sozialdemokratie immer noch ist, eigene Traditionen zu pflegen und menschengerecht zu bauen, obwohl sie angeblich so besorgt ist um die von ihr vertretene Arbeiterklasse.
Halten wir fest: Anstatt rechtzeitig in die Sanierung der alten Siedlung zu investieren, lässt man sie lieber verrotten, um sie dann geschichtslos abzureißen und gesichtslos zu ersetzen durch kantige Legoklötze, vermutlich aus billigem Beton. In ähnlicher Weise hat die Sozialdemokratie in vielen kriegszerstörten Städten ab 1945 auf riesige Betonsilos als „Arbeiterschließfächer“ gesetzt. Sie hat dies ästhetisch notdürftig mit einem Verweis auf das vermeintlich moderne „Bauhaus“ verbrämt und mit tiefsitzender Abscheu vor der angeblich „reaktionären“ bürgerlichen Architektur gerechtfertigt.
Letztlich ging es aber nur um das schnelle Hochziehen billigen Wohnraums. Darin waren sich die sozialistischen Plattenbaufreunde in der DDR und in der BRD übrigens sehr einig. Hätte sich diese furchtbare Billig-Fantasie durchgesetzt, würden unsere Städte heute durchgehend so gesichtslose wie hässliche Wohnsiloghettos sein.
Die Folgen sind auch so deutlich genug: Leerstehende „fortschrittliche“ Plattenbauten und marode Bausubstanz einerseits, hohe Nachfrage nach den „reaktionären“, hochwertigen Bürgerbauten der Gründerzeit andererseits. Ist es wirklich zu viel verlangt vom sozialdemokratischen Bauverein, seinen künftigen Legoklötzen wenigstens ein Dach zu spendieren und damit nicht den Eindruck des Wohnens in einem Baucontainer oder Hochbunker zu vermitteln?
Michael Kraus
97421 Schweinfurt