Es geht durch Buchenwälder, die sich selbst überlassenen sind, durch geschützte Eichenbestände. Das Ziel: die riesige Freifläche, auf der früher Panzer fuhren. 365 Tage im Jahr sind hier, auf dem ehemaligen US-Truppenübungsplatz Brönnhof nördlich von Schweinfurt, nun die 15 Wildpferde von Gerold Ort unterwegs. Ihr Job ist die Landschaftspflege. Zwischen den Gemeinden Zell, Weipoltshausen und Madenhausen im Westen sowie Hambach und Pfändhausen im Osten sorgen die genügsamen und kräftigen Konik-Ponys und gleich viele schottische Angus-Rinder dafür, dass das offene Land im Zentrum des Brönnhofs nicht verbuscht und nicht vom Wald erobert wird.
Die US-Armee ging, die Natur kam zurück
Das größte Naturerbe-Projekt in Bayern hat stattliche 1230 Hektar Wald und offenes Land.
Die Steppenflächen des 1933 enteigneten Grunds, der bis vor drei Jahren von der US-Armee genutzt wurde, entwickelten sich über Jahrzehnte zu einem Biotop mit heute 350 gefährdeten und geschützten Tier- und Pflanzenarten – 13 davon gelten als vom Aussterben bedroht, darunter Hirschkäfer, Bechsteinfledermaus und Kammmolch. Zur Kategorie „besonders schützenwert“ gehören auch Brutvögel wie der Halsbandschnäpper und der Wendehals, Schmetterlinge und Falter, Gelbbauchunke und Zauneidechse, die Türkenbundlilie, die Trollblume und das bärtige Hornkraut. Für Naturliebhaber ein lohendes Ziel.
Die Hoheit über die Entwicklung des Naturerbes hat der Bundesforst in Hammelburg. Eigentümer des Brönnhofs sind der Bund mit 99 Prozent, die Hospitalstiftung der Stadt Schweinfurt und die Waldschutzgemeinschaft Schweinfurt. 200 Hektar Freifläche hat der Bundesforst verpachtet, davon 80 an eine Schäferei, die ihre Tiere hier im Frühsommer und im Herbst ein paar Wochen grasen lässt.
Tiere als Landschaftspfleger
Den Zuschlag bei der Großtierhaltung auf 50 Hektar bekam Gerold Ort, der mit Frau Helga und Sohn David den Pferdehof Lindenhof bei Hambach führt. Neben der Zucht und der Haltung von Pensionspferden betreibt die Familie Ackerbau – und seit über 20 Jahren Landschaftpflege mit Maschinen und Tieren. Ort hat noch weitere 60 Hektar auf dem Brönnhof in Pacht, wo auf den schweren Ton- und Lehmböden (darunter Muschelkalk und Keuper) das Winterfutter wächst. Das Heu vom Brönnhof gilt als minderwertig, weil es energiearm und schwer verdaulich ist. Es darf nur an die dort lebenden Pferde und Rinder verfüttert werden, von denen der Bundesforst höchstens ein Exemplar auf zwei Hektar zulässt.
Während der Forst die Buchenwälder im Naturerbeprojekt sich selbst überlässt und die traditionsreichen Eichenwälder als Kulturlandschaft naturnah bewirtschaftet (ohne die Eingriffe würde dort alsbald die Buche dominieren), brauchen die Freiflächen stete Pflege, um nicht zu verbuschen.
Ort stellt sich dieser Aufgabe seit Sommer 2015, weil er „die Vision von einer anderen Tierhaltung“ hat. Trotz der Ausgleichgelder vom Staat sei mit der Landschaftpflege auf dem Brönnhof kein Geld zu verdienen, sagt der Pferdewirt- und Landwirt-Meister. Warum er es dennoch tut? Er kann dort einen „Kindheitstraum“ verwirklichen.
Großes Gelände, viel Zaun
Für diese Vision haben die Orts, die vier Auszubildenden und die vier weiteren Mitarbeiter des Pferdehofs einen 7,4 Kilometer langen Zaun um die zwei Koppeln gebaut und dafür 820 Pfähle in den steinigen Boden gerammt. Ein Zaun um die gesamte Freifläche wäre kaum länger: 8,8 Kilometer. Diesen großen Weideplatz mit Windschutz am Waldrand und durch Hecken auf dem Gelände will Ort mit Bundesforst, Veterinäramt und Naturschützern noch verwirklichen.
Trotz des strengen Winters, der sich mit einem besonders dicken Fell der Pferde schon Anfang November angekündigt hatte, konnte Ort bislang auf ein Zufüttern weitgehend verzichten. Nur die Mutter- und Jungtiere müssen nicht nur von dem leben, was sie unter dem Schnee an Gras, Kräutern oder Wurzeln oder an den Spitzen der Stauden und Büsche noch finden. Täglich müssen die Wasserstellen kontrolliert und aufgefüllt werden. Wobei die Pferde die Tränke an den Tümpeln bevorzugen, sagt Ort. Die Eisdecken brechen sie notfalls mit den Hufen auf.
Mehr Arbeit, als der Ausflügler denkt
„Der Arbeitsaufwand ist enorm“, sagt Gerold Ort. Täglich, manchmal auch zwei Mal, wird nach den Tieren geschaut, die Stromversorgung der Weidezäune kontrolliert. Einmal in der Woche wird der Zaun abgefahren. Reparaturen sind immer wieder fällig, manchmal wird etwas mutwillig – etwa durch (verbotene) Motocrossfahrten – zerstört. Pro Jahr, hat David Ort ausgerechnet, kommen bei den Kontrollfahrten 10 000 Kilometer zusammen.
Vor zwei Jahren hatte Ort mit zehn Pferden auf dem Brönnhof angefangen. Nachwuchs hat sich eingestellt, und so stehen heute 15 Ponys der osteuropäischen Rasse Konics in den Koppeln. Geburten gibt es auch regelmäßig bei den Rindern – etwa an Heiligabend unter freiem Himmel und ohne Tierarzt. Wenn der Bestand zu groß wird, will Ort Pferde und Rinder an andere Betriebe der Landschaftspflege abgeben oder die Tiere bei weiteren Projekten in eigener Regie einsetzen. Trotzdem: Irgendwann wird das erste Rind auch zum Schlachter geführt.
Krank ist auf dem Brönnhof noch keiner der großen Pflanzenfresser geworden. Gefüttert werden dürfen sie von Besuchern übrigens nicht – auch nicht, wenn einmal die gesamte Freifläche eingezäunt und für Spaziergänger, Wanderer und Radler durch Tore begehbar ist. An einem dafür nötigen „Besucherlenkungskonzept“ arbeitet der Bundesforst gerade.
Tour am Brönnhof Parken: Parkplätze am Rande des Naturerbe-Projekts werden erst im Zuge des Besucherkonzepts ausgewiesen. Derzeit kann man sein Fahrzeug in den Orten rund um den Brönnhof abstellen – etwa in Hambach, Pfändhausen, Madenhausen, Weipoltshausen und Zell oder auf den Parkplätzen der Verbindungsstraßen. Wege: Die Wege sind kaum beschildert und ab dem Naturschutzgebiet mit Schranken für Autos gesperrt. Der Anmarsch zum Freigelände beträgt zwei Kilometer und mehr. Eine Brotzeit im Rucksack ist zu empfehlen – und ein Fernglas, denn die Tiere stehen im Gelände und kommen nicht auf die Besucher zu. Bestens geeignet ist der Brönnhof für Radtouren. Die geschotterten Waldwege sind gut befestigt. Von der Schweinfurter Haardt (Gaststätte Schießhaus) führt außerdem die geteerte Heerstraße durch den kompletten Brönnhof bis zur Ortsverbindung Pfändhausen-Rannungen (Länge: zwölf Kilometer). LA