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GOCHSHEIM: Buchstaben aus Blei

GOCHSHEIM

Buchstaben aus Blei

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    Blei-Buchstaben, Fotos und mehr: Willy Denzers Setzerwerkstatt in den Gochsheimer Gaden führt zurück in die Druckgeschichte. Für den gelernten Schriftsetzer ist die Werkstatt wie sein Zuhause, wie er sagt.Foto: Hannes Helferich
    Blei-Buchstaben, Fotos und mehr: Willy Denzers Setzerwerkstatt in den Gochsheimer Gaden führt zurück in die Druckgeschichte. Für den gelernten Schriftsetzer ist die Werkstatt wie sein Zuhause, wie er sagt.Foto: Hannes Helferich

    Als die angemeldete Gruppe aus Schweinfurt in Gochsheim ankommt, hat Willy Denzer die Holztore seiner Setzerwerkstatt in den Kirchgaden schon längst geöffnet. „Das Blei im Setzkasten hat die Welt mehr verändert als das Blei im Gewehr“, steht auf einer Tafel am Eingang. Nach gut eineinhalb Stunden mit diesem Gochsheimer Original weiß der Besucher mit diesem Satz etwas anzufangen.

    Denzer war bis 1997 Chef der letzten Druckerei und Setzerwerkstatt in der Gemeinde. 1948 erlernte er die Setzerkunst im Betrieb seines Vaters Georg. Die Firma übernahm er 1969. Dem Vater wiederum hatte zuvor Großvater Bernhard die Druckerei übereignet.

    1997 ging Willy Denzer in den verdienten Ruhestand. Im Jahr darauf hatte er die Setzerwerkstatt im Reichsdorfmuseum aufgebaut. Auf gerade mal acht Quadratmetern findet man das Wichtigste über die mehr und mehr von der Bildfläche verschwindende Kunst. Dass er bis heute Führungen anbietet, hatte er so gar nicht geplant. Aber nur eine Aufsicht, die nichts erklärt, weil sie nichts über die Setzkunst weiß, das geht nicht, sagte er sich. „Da habe ich mich halt erbarmt“, sagt der 79-Jährige grinsend.

    Viele Ausstellungsstücke erinnern an den Wandel der Zeiten im Setzerhandwerk. Ein hölzerner Setzkasten, ein Setzschiff, ein Winkelhaken, eine Mater, ein Rundstereo und viele Fotos, die Denzer helfen, die lange Geschichte seiner Handwerkskunst anschaulich zu erzählen.

    Und Willy Denzer ist ein großartiger Erzähler. Er erklärt gut verständlich den Buchdruck, berichtet nachvollziehbar, wie das Setzen entstanden ist, und streut immer wieder Anekdoten ein, Erlebnisse seiner Zeit als Chef der Druckerei Denzer mit den „Kunden“, die offensichtlich nicht immer nur einfache Zeitgenossen waren.

    „Buchdruck ist Hochdruck und in diesem Verfahren drucken wie beim Stempel nur die hochliegenden Teile einer Druckform“, erklärt er. Der Gruppe aus Schweinfurt, sechs Leute, die am Wochenende davor einen Workshop im Werk-Druck in der Disharmonie erlebt haben, berichtet er, dass nicht etwa Gutenberg der Pionier auf diesem Gebiet war. Schon Jahre zuvor – 1377 – seien in Korea die Einzelbuchstaben aus Metallguss erfunden worden. Der entscheidende Durchbruch des Metallgusses sei freilich Gutenberg um 1440 gelungen: Auf einen Stahlstift wurde ein Buchstabe graviert und in eine Kupferplatte eingeschlagen. Davon konnte Gutenberg in einem von ihm erfundenen Gießinstrument beliebig viele Buchstaben aus Blei schnell und präzise herstellen.

    Eine weitere Erfindung Gutenbergs war die hölzerne Druckpresse mit Press-Spindel, die erst nach rund 335 Jahren von der gusseisernen Presse mit Hebel abgelöst wurde. Die Druckpresse habe er sich von den Weinpressen der Winzer abgeguckt. Als „das bedeutendste Werk Gutenbergs“ nennt Denzer die 42-zeilige Bibel. Gutenberg imitierte die Handschrift, übernahm die Aufteilung des Textes in zwei Spalten und hielt den Blocksatz bei. Wir erfahren von Friedrich Koenig (heute König & Bauer Würzburg), der um 1810 mit der Erfindung der Schnellpresse eine für damalige Verhältnisse enorme Druckkapazität schuf. Als die Rotationsmaschine 1863 den Zeitungsdruck auf Endlospapier ermöglichte, steigerte man die Druckleistung nochmals um ein Vielfaches.

    Wir wechseln vom Druck zur Bildherstellung. Denzer erzählt vom manuellen Holzschnitt und Holzstich, die durch die Erfindungen Strichätzung 1848 und Rasterätzung 1882 abgelöst wurden. Hierbei kopierte man die Vorlage über ein Filmnegativ auf eine Zinkplatte, auf der wiederum die nicht druckenden Stellen tiefgeätzt wurden, die so genannten Klischees.

    Dann gibt es Informationen zum Offsetdruck (oder Flachdruck), der ab 1960 den Hochdruck verdrängt hat, wir erfahren von der Schriftsetzer-Gehilfenprüfung, alles über die vier Druckverfahren und das Gautschen, den alten Buchdruckerbrauch, bei dem ein Lehrling nach bestandener Abschlussprüfung in einer Bütte untergetaucht und/oder auf einen nassen Schwamm gesetzt wird.

    Dass die Kirchenburg auch heute noch mit Leben erfüllt wird, ist dem Historischen Förderkreis Gochsheim-Weyer zu verdanken. Nach der 1980 abgeschlossenen Sanierung der Gaden machte es sich der damals gegründete Verein zur Aufgabe, die Gaden als Museum zu nutzen. Im nördlichen Flügel werden Erwerbszweige und bäuerliche Wohnkultur präsentiert. Neben der Setzerwerkstatt gibt es eine Fahrradabteilung und eine Büttnerei. Auch Denzer hat sich mit der Kirchgadenbefestigung beschäftogt- Seine „Gedanken über Zuflucht und Schutz“ darin hat er in einer 16-seitigen Broschüre niedergeschrieben. Am Sonntag, 5. Mai (von 14 bis 17 Uhr), und am 12. Mai anlässlich des 36. Internationalen Museumstages, zum Museumsfest mit Festbetrieb ab 11 Uhr, ist das Reichsdorf-Museum geöffnet. Auch Willy Denzer erklärt dann wieder seine Kunst in der Setzerwerkstatt, obwohl er das ursprünglich gar nicht vorhatte.

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