Oberbürgermeister Sebastian Remelé hat am Dienstagabend bei der Bürgerversammlung im Rathaus nicht gezögert. Er hat von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und den einen Schreihals aus der Mitte der 150 Zuhörer und gleichsam aus der ganz rechten politischen Ecke aus dem Saal verwiesen. Der politisch gleichgesinnte ehemalige Stadtrat Roderich Sell folgte nach Zwischenrufen seinerseits der Aufforderung, am besten auch gleich zu gehen, nicht, äußerte sich dann aber im Laufe des Abends nicht mehr.
Mit knapp drei Stunden war die erste von zwei Bürgerversammlungen im Jahr 2013 eine der längsten und am besten besuchten sowie auch informativsten der letzten Jahre. Den Fragen der Bürger stellte sich die gesamte Referentenbank des Rathauses. Auch die Geschäftsführer der städtischen Töchter (Krankenhaus, SWG, Stadtwerke) und Polizeidirektor Detlev Tolle waren gekommen.
In 20 Minuten konzentrierte sich zu Beginn der Versammlung (19.30 Uhr) der städtische Konversionsbeauftragte Hans Schnabel auf die aktuellen Planungen für die Zeit nach dem Abzug der US Armee, der im September 2014 abgeschlossen sein wird. Der zu großen Teilen schon vollzogene Abzug ist laut Schnabel, der auch der städtische Wirtschaftsförderer und Leiter des Liegenschaftsamtes ist, die für die Stadt wohl größte Herausforderung der Nachkriegszeit.
Allein im Stadtgebiet werden 100 Hektar für eine neue Nutzung frei, welche die Stadt im besten Falle 15, in einem guten Falle 25 Jahre beschäftigen werde. Rundum erfreulich seien die bisherigen Ansätze, so Schnabel, der seinen Vortrag unter den Titel „Chancen!?“ gestellt hatte.
Die Flächen fallen nicht an die Stadt, sondern an den Bund, weshalb Schnabel drei grundsätzliche Vorgehensweisen für möglich hält: alles zu kaufen, könne sich die Stadt kaum leisten; sich auf das Planungsrecht zurückzuziehen, ist die preisgünstigste Variante, erlaube jedoch nur eine begrenzte Mitsprache; weshalb es der Mix machen soll – Investoren, der Bund und die Stadt sollen sich an einen Tisch setzen, meint der Konversionsbeauftragte.
Bei der Nutzung der 220 Hektar der Conn Kaserne sitzen bereits auch die Gemeinden Geldersheim und Niederwerrn mit im Boot. Entstehen soll dort ein Logistik- und Gewerbepark. Auf einem Teilgelände (35 Hektar) sollen die Bauarbeiten für ein Logistikzentrum (Schaeffler) bereits 2015 beginnen – ein „sportliches Ziel“, so Schnabel.
Für die Ledward Kaserne ist eine internationale Hochschule als Teil der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) anvisiert. Im Endausbau sollen an der Niederwerrner Straße 3000 Studenten vor allem aus dem Ausland eingeschrieben sein und auch auf dem jetzigen Kasernengelände wohnen. Sobald ein Termin bei dem künftigen bayerischen Wissenschaftsminister vereinbart ist, werden Vertreter der Stadt und der Hochschule mit diesem über das Projekt verhandeln, für das aus München bislang Zustimmung signalisiert ist.
Rabatz in der Rathausdiele
Bei diesem Punkt gab es aus der Mitte der Diele undefinierbares Geschrei. Mehrfach rief der OB zur Ordnung. Der Mann, der seine Jacke anbehalten hatte, verstieg sich in Beschimpfungen auch des Oberbürgermeisters, der sich diese und mehrere Drohungen nicht bieten ließ, auf den Störenfried zuging und ihn des Hauses verwies. Der Querulant ging nicht, ohne dem OB zu bedeuten, dass man sich woanders auch noch treffen werde und dann... Was dann passieren soll, ließ der Störenfried nicht wissen. Unterstützung bekam der Krakeeler von Roderich Sell, der die Aufforderung des OB, am besten auch gleich zu gehen, nicht annahm.
Die über 30 Hektar der Wohnsiedlung am Kennedy-Ring (Askren Manor) mit 700 Wohnungen soll Wohngebiet bleiben, doch nicht in der jetzigen Form. Angedacht ist ein sanftes Wohnen mit Freizeiteinrichtungen. Beeinflussen will die Stadt mit dem Neubaugebiet auch die Bevölkerungsstruktur, was heißt, dass man Schweinfurt für junge Familien attraktiver machen will. Schnabel: „Wir sind nicht in Eile“. Gleiches gelte für das Kessler Field und die „Holzhäuschen“ von Yorktown Village an der Heeresstraße.
In der Diskussion machte ein Vertreter der 400 Zivilbeschäftigten der Army, denen die Arbeitslosigkeit (gekündigt zum Herbst 2015) droht, aufmerksam. Der OB versprach, diesen Aspekt nicht zu vergessen. Angeregt wurde, einen Teil der frei werdenden Flächen der Natur zurückzugeben. Dies ist laut Remelé in den Hinterköpfen. Auf mehrfache Fragen zur Zukunft der Heeresstraße war von Baureferent Jochen Müller zu erfahren, dass bei diesem Thema 2014 eine Entscheidung falle werde, es bislang jedoch noch keine Planungen gebe.
Erich Ruppert, Sprecher der Lokalen Agenda, schlug für die Ledward Kaserne neben dem i-Campus die Errichtung eines neuen Volksfestplatzes vor. Recht gelassen sieht Schnabel die Altlastensituation auf dem militärisch genutztem Gelände. Anzeichen für einen katastrophalen Zustand seien nicht vorhanden. Der Bund werde großteils (90 Prozent) für die Beseitigung aufkommen, ist sich der Konversionsbeauftragte sicher.
Am Ende der Aussprache zu diesem ersten Punkt der Bürgerversammlung kündigte Schnabel für das kommende Jahr ein letztes und ein großes Deutsch-Amerikanisches Volksfest an, bei dem auch die Deutsche Barbecue-Meisterschaft ausgetragen werde.