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SCHWEINFURT: Carus-Preis: Physik kann so einfach sein

SCHWEINFURT

Carus-Preis: Physik kann so einfach sein

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    Herausragende Wissenschaftler ausgezeichnet: Eine Juristin und ein Physiker erhielten den Carus-Preis der Stadt Schweinfurt. Im Bild (von links) Prof. Dr. Jörg Hacker, Leopoldina-Präsident, Prof. Dr. Stefan W. Hell, Prof. Dr. Giesela Rühl und OB Sebastian Remelé.
    Herausragende Wissenschaftler ausgezeichnet: Eine Juristin und ein Physiker erhielten den Carus-Preis der Stadt Schweinfurt. Im Bild (von links) Prof. Dr. Jörg Hacker, Leopoldina-Präsident, Prof. Dr. Stefan W. Hell, Prof. Dr. Giesela Rühl und OB Sebastian Remelé. Foto: Foto: Waltraud Fuchs-Mauder

    Eigentlich geht es bei der Verleihung des Carus-Preises in der Rathausdiele um mehr als um die mit 10 000 Euro dotierte Auszeichnung, die diesmal die Juristin Prof. Dr. Giesela Rühl und der Physiker Prof. Dr. Stefan W. Hell bekamen. Es geht vor allem um Verbindungen. Die zur Stadt Schweinfurt, wo vier Ärzte 1652 die Leopoldina Gesellschaft gründeten zum Beispiel. Daraus ist mittlerweile die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina geworden. Seit 1878 sitzt die Leopoldina in Halle. Nachdem Nikolaus Hofmann, der Baumeister des Schweinfurter Rathauses, aus Halle stammt, ergibt sich wieder eine Verbindung.

    Die Verbindungen der Leopoldina zu Schweinfurt sind nie abgerissen, auch zu Zeiten der Deutschen Teilung nicht. Man hielt Kontakt. Leopoldina-Präsident Prof. Dr. Jörg Hacker erinnert sich noch gut an seine Studentenzeit in Halle, als OB Kurt Petzold die Akademie besuchte. Verbindungen sind aber auch das, was Wissenschaft ausmacht. Verbindungen der Forscher untereinander, Vernetzungen der Disziplinen, aber auch die Auswirkungen, die die Arbeiten und Ergebnisse auf die Gesellschaft, die Menschen haben.

    Und dann kommt auch der Aspekt Verantwortung ins Spiel, den Oberbürgermeister Sebastian Remelé bei der Feier anspricht: Wissenschaftliche Erkenntnis soll niemals Selbstzweck sein, die Ergebnisse müssen der Gesellschaft zur Verfügung stehen. Ganz in der Tradition der Gründer der Leopoldina, die ihrem Netzwerk einst das Motto gaben: Numquam otiosus – niemals müßig.

    Jörg Hacker geht auf den Stifter und Namensgeber Carl Gustav Carus (1789–1869) ein. Der wollte zu seinem 50-jährigen Professoren-Jubiläum junge Männer unterstützen, die seine Forschung weiterführten. Gottseidank geht der Preis jetzt auch an Wissenschaftlerinnen, meint Hacker. Und auch die Bereiche Geistes- und Kulturwissenschaften werden berücksichtigt. Er freut sich besonders, dass zum ersten Mal eine Juristin ausgezeichnet wurde.

    Beide Preisträger stellen dann ihre Schwerpunkte vor: Giesela Rühl, Uni Jena, spricht über „Globale Gesellschaften und nationales Recht“. Stefan W. Hell, Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen, über „Grenzenlos scharf: Lichtmikroskopie im 21. Jahrhundert“.

    Wer sich als Zuhörer im ersten Moment fragt, wie diese beiden Themenkomplexe wohl mit seinem Leben in Verbindung stehen, lernt an diesem Abend einiges. Giesela Rühl (Jahrgang 1974) betreibt rechtsökonomische Forschungen. In ihrer Habilitationsschrift ging es um die Ökonomik internationaler Transaktionen. Sie hat die Vorschriften des Internationalen Privatrechts erstmals aus ökonomischer Sicht untersucht – und damit die Grundlagen für die Entwicklung eines von nationalen Strukturen losgelösten Internationalen Privatrechts gelegt, wie es in einer Würdigung im wissenschaftlichen Forum academia-net heißt.

    Das ist wichtig, wenn es um Handelsbeziehungen geht. Oder wenn man etwas im Ausland bestellt und es Ärger zwischen Käufer und Verkäufer gibt. Moderne Gesellschaften sind globale Gesellschaften, grenzüberschreitendes Handeln ist leicht geworden, sagt Rühl. Recht ist aber weitgehend eine nationale Angelegenheit. Viele schrecken vor internationalen Verträgen zurück, fürchten Unsicherheit, Identitätsverlust. Die Folge: Die Potenziale des internationalen Handels werden nicht ausgeschöpft. Ein global geltendes Einheitsrecht sei aber keine Lösung: Die Ausarbeitung sei schwierig und zeitaufwendig, auch von politischen Vorstellungen einzelner Staaten abhängig. Internationales Privatrecht, das Recht der offenen Gesellschaft, wie sie es nennt, sieht die Juristin als beste Lösung. Mit ihrer Arbeit möchte sie einen Beitrag leisten, den grenzüberschreitenden Handel zu fördern.

    „Also, so hätte mir Physik Spaß gemacht“, ist die einhellige Meinung im Publikum nach dem Vortrag von Stefan W. Hell (Jahrgang 1962). Laienhaft ausgedrückt, haben es er und sein Team, da legt er Wert darauf, geschafft, dass im Lichtmikroskop kleinere Partikel zu sehen sind, als bis vor einiger Zeit noch möglich. Denn Lichtbrechung im Objektiv funktioniert nur bis zu einem gewissen Punkt, daran ist nichts zu machen. Aber die STED-Mikroskopie ermöglicht es, Moleküle, einfache Atome zu sehen. Wie? Gewisse Teile des Objekts unter dem Mikroskop werden quasi ausgeschaltet, so dass sie kein Licht reflektieren. Das ermöglicht es, den Rest größer zu sehen.

    Großer Aha-Effekt, als Hell das Bild eines unübersichtlichen Klumpens an die Wand projiziert, der sich mit dem STED-Mikroskop betrachtet in viele einzelne Punkte auflöst. Mit dieser Technik ist es auch möglich, die Nervenzellen in einer lebenden, betäubten Maus zu untersuchen. Vor allem für die Krebsforschung sind solche Möglichkeiten wichtig. „Das macht viel Spaß“ sagt Hell, voller Freude über die Möglichkeiten dieser neuen Mikroskopie: „Manchmal ist die Physik so einfach.“ Dem schließt sich der OB an. Physik in der Schule habe er nie verstanden, sagt er. „Aber das habe ich verstanden.“ Ein heiterer Moment in einer für einen Festakt überhaupt sehr fröhlichen Veranstaltung. Dazu trägt auch die Musik von Jörg Wiedersich (Flöte) und Lorenz Schmidt (Gitarre) bei.

    Dass Wissenschaft nicht nur todernst sein muss, zeigt Giesela Rühl, als sie humorvoll darauf eingeht, was viele Menschen von Juristen halten: wenig. Dank ihres Vortrages wissen die Zuhörer auch, warum es nie einen Nobelpreisträger aus ihrer Zunft geben wird. Schließlich haben bisher sieben der Carus-Preisträger einen Nobelpreis bekommen. Stifter Alfred Nobel hasste Juristen wie die Pest – wohl auch, weil er seine Patent-Prozesse alle verloren hat. Auch so eine Verbindung.

    Der Carus-Preis der Stadt Schweinfurt, dotiert mit 10 000 Euro, geht seit 1962 alle zwei Jahre an den oder die Träger der Carus-Medaille des Vorjahres. Mit der Carus-Medaille wiederum, benannt nach dem Arzt, Forscher und Künstler Carl Gustav Carus (1789–1869), zeichnet die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften bedeutende Forschungen aus.

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