Konzentriert und mit Präzision schminkt sich Viviane vor dem Spiegel. Immer wieder prüft die 22-Jährige Augen und Lidstrich, bevor sie die Perücke aufzieht. Weiße Haare, klassischer Pagenschnitt – passt. Viviane hat sich in „2B“ aus dem Action-Rollenspiel „NieR:Automata“ verwandelt. An der Theke bestellen sich Yasmin und Aladdin eine Portion Miso-Ramen, japanische Nudelsuppe. Und die DuckTales melden sich im Veranstaltungsbüro für den Cosplay-Wettbewerb an.
Samstagvormittag im Schweinfurter Jugendhaus „FränZ“ – eine bunte Schar von fantasievoll gekleideten Charakteren aus der Welt der Mangas und Animes, der japanischen Comicfiguren und Animationsfilme, hat sich bei der Convention, kurz „Con“ versammelt. Eine „unkonventionelle Zusammenkunft“ von Computerspielfiguren-Fans, Verkleidungsfreaks, Comicliebhabern . . . Teenies und Omas, verkleidet oder in den Alltagsklamotten, seit vielen Jahren in der Szene unterwegs oder Neuling, der einfach mal schauen will.
Es ist mehr als ein schlichtes Treffen. Viele kennen sich, von anderen Conventions in Deutschland und über Soziale Netzwerke. Überall hört man freundliche Begrüßungen, sieht herzliche Umarmungen, glückliche Gesichter – und kommt sich vor wie in einer rosarot-harmonischen Welt. Doch sind es sehr bodenständige Menschen, die hinter den aufwendig gestalteten Kostümen und perfekten Make-ups stecken: Die Manga- und Anime-Fans sind Versicherungskauffrau und Student, angehende Holzbildhauerin, Prüftechniker oder Rentnerin. Und sie wissen genau zwischen Alltag und ihrem Hobby zu unterscheiden.
Aber Offenheit, Neugier und Lust am „Ausprobieren“ teilen sie alle: Katzenohren werden genäht, in einem Kurs japanische Schriftzeichen geübt, Schminktechniken verfeinert. Es gibt Workshops, um das Zeichentalent zu schulen, Bühnenpräsenz beim Cosplay zu verbessern oder die ein oder andere Schrittfolge für den abendlichen Ball zu lernen. Am Maltisch im Foyer wird zu einem vorgegebenen Thema gezeichnet. Trotz Konzentration gibt man sich freundlich den ein oder anderen Tipp, reicht Stifte weiter, lobt das Manga des Nachbarn. Dass es sich eigentlich gerade um einen Wettbewerb handelt, macht nur die gelegentliche Zeitansage der Juroren deutlich.
Auch beim Cosplay-Wettbewerb auf der großen Bühne wird mehr gemeinsam gefeiert als gegeneinander konkurriert. Die Fans der japanischen Comics und Animationsfilme schlüpfen in die Rollen und Kostüme ihrer Lieblingsfiguren und versuchen, ihr Verhalten und ihre Eigenschaften möglichst originalgetreu darzustellen.
„Akuro“ hat auf der Bühne dafür zwei Minuten Zeit. Ihr Kostüm hat sie über einen langen Zeitraum mit Detailverliebtheit selbst entworfen und genäht. Die Jury lässt solches Engagement in ihre Bewertung einfließen. Einen Sieger zu küren, scheint hier aber eher Nebensache: Die Zuschauer feiern jeden Teilnehmer wie einen Helden – wohlwollend und freundlich. Manga, Anime, Cosplay – Aline aus Oberfranken bringt es auf den Punkt: „Bei den Conventions findest du die offenste und toleranteste Gesellschaft, die es in unserer Zeit gibt!“