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SCHWEINFURT: Daniel Schreiber und das Lob der Nüchternheit

SCHWEINFURT

Daniel Schreiber und das Lob der Nüchternheit

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    Nüchterner Blick: Daniel Schreiber bei seiner Lesung.
    Nüchterner Blick: Daniel Schreiber bei seiner Lesung. Foto: Foto: Olaf Blecker

    Alkoholiker sind Leute, die auf der Parkbank aufwachen. Verlierer. So denken viele, die gepflegte Rotweine schätzen, das Wochenende im Büro mit einem Gläschen Prosecco einläuten und sich ab und zu mit einem Schluck Grappa Urlaubsstimmung zurückbringen.

    Der Schriftsteller und Journalist Daniel Schreiber hat auch mal so gedacht. Inzwischen weiß er: Man kann sehr erfolgreich sein, auch wenn man trinkt.

    Schreiber hat irgendwann gemerkt, dass er das Trinken nicht beherrscht. Dass das Gegenteil der Fall ist: Der Alkohol beherrscht ihn. Sein Leben gehört nicht mehr ihm. Und er will es zurück. Diesen Prozess hat er in seinem Buch „Nüchtern. Über das Trinken und das Glück“ beschrieben. Schreiber liest im Bayernkolleg das erste und das letzte Kapitel: Wie alles begann, und wie der letzte Tag war, an dem er getrunken hat. „Es ist immer einfacher, sich an den Anfang einer Liebe zu erinnern, als an ihr Ende“, sagt er. Und Trinken war seine große Liebe. Sie hat ihn stärker, mutiger gemacht. Sie hat ihn getröstet, war immer da, wenn er sie brauchte. Sie hat ihn zusammengehalten auf ihre ganz eigene Art. Sie hat ihm geholfen zu entspannen und zu vergessen. Aber sie wollte ihn ganz für sich allein.

    Eine halbe Flasche Wein am Abend, am Wochenende ein paar Drinks mehr, dazwischen Phasen der Abstinenz für die Gesundheit. So richtig glaubte niemand Daniel Schreiber, dass er ein Alkoholiker ist. Schließlich pflegte er einen gesellschaftlich akzeptierten Lebensstil. Das ist übrigens ein Grund, warum er das Buch geschrieben hat, erzählt er im Gespräch mit Schulleiter Peter Rottmann. „Ich wollte ein Gespräch anstoßen.“ Trinken sei in Deutschland ein großes Tabu. „Es ist mit Scham und Redeverbot verbunden, dagegen wollte ich ankämpfen.“ Ob das Buch auch eine Art Therapie war, will ein Zuhörer wissen. Schreiben ist keine Therapie, sagt Schreiber. „Es ist einfach nur anstrengend.“

    Nüchternheit ist ein guter Wert fürs Leben, sagt Daniel Schreiber. Nüchtern blickt er auch auf sich, sein Leben.

    Auf die Jahre des Selbstbetrugs, den er eine geradezu kosmische Kraft nennt. Er jammert nicht, hadert nicht mit der Vergangenheit. Seine Nüchternheit hat ihn zu Weisheit geführt.

    Und zu Dankbarkeit. Das Wort Grace hat er sich auf sein Handgelenk tätowieren lassen, nachdem er sich von seiner großen Liebe Alkohol getrennt hat. Es soll ihn an die Gnade erinnern, die ihm zuteil wurde, und an die Dankbarkeit dafür. Und an den Moment der Klarheit, als er wusste, dass er so nicht mehr weitermachen kann. „Momente der Klarheit sind seltsame Zufälle. Man muss sie beim Schopf packen, denn sie können einem das Leben retten.“

    Was hat sich geändert durch den Verzicht auf Alkohol, will ein Zuhörer wissen. „Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sich das Leben verändert“, sagt Schreiber.

    Es war wie eine Karte aus einem Kartenhaus voller Probleme zu ziehen und zuzusehen, wie es zusammenfällt. Er erzählt vom wunderbaren Gefühl, ohne Kopfschmerzen aufzuwachen. „Ich habe mehr Zeit und mehr Geld.“

    Im Buch fasst er sein neues Leben so zusammen: „Diese Ruhe und dieses Glück, das ich heute kenne, hätte ich ohne die Krankheit nie kennengelernt.“ Susanne Wiedemann

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