Der Rücken kommt einigermaßen hin. Langgestreckt, leicht nach rechts verdreht, nach oben schmaler werdend. Aber das Gesicht sieht immer noch aus wie das eines Schweins. Nun ist gegen Schweine nichts einzuwenden, aber aus dem Tonklumpen auf dem Brettchen vor mir soll ein Wolf werden. Die Katze nebenan sieht längst eindeutig aus wie eine Katze. Mein Wolf immer noch wie ein Schwein. Oder wie eine Art Hund mit Schweinekopf.
Dabei habe ich im Gegensatz zu meiner Nachbarin eine Vorlage: Eine der kleinen Bronzeskulpturen, die Peter Vollert mitgebracht hat. Der Bildhauer leitet den „Workshop figürliches Modellieren“, den das Museum Georg Schäfer im Rahmen der Ausstellung mit den Tierskulpturen von August Gaul einmalig angeboten hat. Ein gutes Dutzend Teilnehmer, darunter zwei Familien, macht sich über die überraschend zähen Quader aus feuchtem Ton her. In Windeseile entstehen Schildkröten, Frösche, Katzen, Löwen, Hunde.
„Was mache ich, wenn ich einen Frosch modellieren möchte?“, fragt eine Teilnehmerin. „Dann machen Sie einen Frosch“, sagt Vollert.
Der Bildhauer geht herum und erklärt die Grundregeln des Modellierens: Man arbeitet von innen nach außen, das heißt, man stückelt immer wieder an. In der Bildhauerei ist es genau umgekehrt: Man schlägt von einem Holz- oder Steinblock alles ab, was einen stört. Wichtig beim Arbeiten mit Ton ist, dass keine Lufteinschlüsse entstehen. Die dehnen sich nämlich beim Brennen aus und sprengen so die Skulptur. „Letzthin hat es erst wieder ein Krokodil zerrissen“, erzählt Vollert.
Er spart nicht mit Rat und Aufmunterung und spricht ohne Umschweife an, wenn ihm Schwachpunkte auffallen: „Die Füße sind am Kinn angewachsen – das geht doch nicht.“ Und er spornt an, sich nicht zu schnell zufriedenzugeben. „Ist das noch nicht fertig?“, fragt eine Teilnehmerin. „Ich tät's schon noch ein bisschen schöner machen“, sagt Vollert.
Allerdings: „Kindern darf man nicht dreinreden, die haben ihr Zeug im Kopf.“ In der Tat, die fünfjährige Evelyn und die zehnjährige Johanna haben längst sehr katzenhafte Katzen geformt, als andere noch überlegen, welches Tier sie überhaupt modellieren wollen.
Vollert ist, wenn man so will, ein Nachfolger August Gauls: Ihn interessiert nicht die zoologisch korrekte Wiedergabe des Tiers, sondern das, was seine Anmutung, seine Ausstrahlung ausmacht. Seine Bären- oder eben seine Wolfhaftigkeit.
Der kleine Bronzewolf vor mir ist stark stilisiert. Sein Körper besteht aus ebenso sparsam wie klar gesetzten Linien, die harmonisch nach oben streben und dem Tierkörper die Spannung geben. Die eigentliche Arbeit hat Peter Vollert also schon erledigt. Und so sieht er auf Anhieb, wo es bei meiner Nachahmung fehlt: „Der Hals muss dicker werden.“
Vollert rupft mit geübtem Griff zwei kleine Brocken aus dem Tonblock und setzt die Ohren an. Dann huschen seine Daumen kurz über das Gesicht meines Hundeschweins, und schon wird aus dem Schwein ein Wolf. Wie er das einfach so hinkriegt, lässt sich wohl nicht erklären. „Das ist einfach Übung“, sagt Vollert. Und hin und wieder muss man auch bestehen lassen, was aus dem Ton entsteht. Peter Vollert hilft bei den Augen einer Katze: „Wenn Sie hier einkerben, dann schaut sie“, macht er vor. „Jetzt schaut sie aber ziemlich streng.“ Vollert: „Das ist halt eine strenge Katze.“
Zum Schluss ist ein weiterer kleiner Tierpark im Museum Georg Schäfer entstanden, der nun erstmal trocknen muss, bis er gebrannt werden kann. Eine Teilnehmerin fragt, ob die Brettchen abgespült werden sollen. Vollert: „Nein – Ton ist doch kein Dreck!“