Schweinfurt - "Warum gerade Politik, warum sind Sie nicht ein gut bezahltes Model geworden?" fragt Moderator Thomas Städtler galant die attraktive Sahra Wagenknecht. Das "schönste Gesicht des Kommunismus und Marxismus" sorgte am Sonntag mit 80 interessierten Zuhörern - mehr als bei ihrem Auftritt in Würzburg - für ein volles Haus bei "Edler & Friends": Ein offenbar guter Start für weitere Veranstaltungen, in deren Mittelpunkt stets das lebendige Gespräch stehen soll.
Als Einstieg liest die 34-jährige PDS-Vorzeigefrau, die inzwischen sieben Bücher geschrieben hat, jetzt Volkswirtschaft studiert und gerade an ihrer Promotion arbeitet, aus ihrem "Zeit"-Artikel "Jenseits der Mythen - ein Traum?": In einer fiktiven Geschichte besucht ein im Jahr 2169 geborener Geschichtsstudent in einer Vergangenheitsreise das Deutschland anno 2004.
Und er fragt deren Menschen: Warum habt ihr euch von einigen Glücksrittern der Börse und der Politik so abzocken lassen? Warum habt ihr die Verlogenheit eurer Zeit nicht erkannt? Warum habt ihr erlaubt, dass in einem gigantischen Roulette Wenige unverdient riesige Summen einstreichen, die den sozial Schwachen abgenommen wurden? Wieso wolltet ihr nicht begreifen, dass solche Ungerechtigkeiten den Terror begünstigen?
In einem langen Zwiegespräch zwischen Wagenknecht und Städtler erklärt die Politikerin ihren Weg zur überzeugten Marxistin. "Es wäre unredlich, sich nicht politisch zu engagieren, um die Gesellschaft zum Besseren zu verändern, wenn man von der Notwendigkeit überzeugt ist", beantwortet Wagenknecht Städtlers "Warum keine Model-Karriere?".
Auch seiner Frage nach ihrer Einschätzung des Christentums und eines künftigen Sozialismus weicht die bekennende Atheistin nicht aus: "Natürlich kann man Menschen missionieren, dass sie sich ändern sollen. Doch nach meiner Meinung ist es besser, erst einmal die gesellschaftlichen Strukturen zu ändern, allen soziale Sicherheit zu geben -_ dann wird auch die kalte Ellenbogen-Mentalität unserer Zeit einem menschlichen Miteinander weichen". Gerade dieses Sich-Kümmern um den Schwächeren sei ein wesentliches Merkmal des - gescheiterten - DDR-Sozialismus gewesen. Doch diese Maxime der Menschlichkeit gelte für sie noch heute.