Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Gerolzhofen
Icon Pfeil nach unten

ÖTTERSHAUSEN/STAMMHEIM: Das verschwundene Soldatenkreuz

ÖTTERSHAUSEN/STAMMHEIM

Das verschwundene Soldatenkreuz

    • |
    • |
    Bild oben: Kein Verständnis hat der Stammheimer Sebastian Moller dafür, dass das so genannte Soldatenkreuz am Wasserreservoir von Gut Öttershausen abgeschlagen wurde und spurlos verschwunden ist. Inzwischen wurde das gesamte Gelände dem Erdboden gleich gemacht. – Bild unten links: Das Soldatenkreuz, bevor es entfernt wurde. – Bild unten rechts: Vom Dach des Gutshofs aus wurde der deutsche Soldat am 11. April 1945 von einem amerikanischen GI erschossen. Das Kreuz markierte die Stelle seines Todes.
    Bild oben: Kein Verständnis hat der Stammheimer Sebastian Moller dafür, dass das so genannte Soldatenkreuz am Wasserreservoir von Gut Öttershausen abgeschlagen wurde und spurlos verschwunden ist. Inzwischen wurde das gesamte Gelände dem Erdboden gleich gemacht. – Bild unten links: Das Soldatenkreuz, bevor es entfernt wurde. – Bild unten rechts: Vom Dach des Gutshofs aus wurde der deutsche Soldat am 11. April 1945 von einem amerikanischen GI erschossen. Das Kreuz markierte die Stelle seines Todes. Foto: Fotos: Norbert Vollmann (2), Sebastian Moller (1)

    War es vielleicht sogar eine gezielte Denkmalschändung oder nur eine gedankenlose Handlung? Im Zuge der Abbrucharbeiten am Gut Öttershausen ist jedenfalls jetzt ein Steinkreuz verschwunden, das die Stelle markierte, an der am Kriegsende ein deutscher Soldat von einem amerikanischen GI erschossen worden ist. Aufgefallen war dies Sebastian Moller.

    Der Stammheimer interessiert sich schon seit langem für die Geschichte seines Heimatortes und der näheren Umgebung. So ist er einer der wenigen, die überhaupt von dem Kreuz und der Geschichte, die dahintersteht, wussten. Zuletzt war das an der Böschung des ehemaligen Wasserreservoirs in unmittelbarer Nähe des zerfallenen Gutshofes stehende Kreuz völlig von Hecken und Sträuchern eingewachsen.

    Für Sebastian Moller ist der Umgang mit dem Kreuz auch ein Zeichen dafür, dass unsere heutige Welt keinen Raum mehr für Totengedenken und geschichtliche Relikte lässt.

    An dieser Stelle hat laut der Überlieferung von Zeitzeugen ein deutscher Soldat in den letzten Wirren des Zweiten Weltkriegs auf der Flucht seinen Tod gefunden.

    Nach Einnahme der hiesigen Ortschaften und auch des Guts Öttershausen durch die US-Armee soll ein auf dem Dach postierter amerikanischer Soldat beobachtet haben, wie der uniformierte deutsche Soldat, der sich offenbar tagsüber in einer der Scheunen versteckt hatte, aus dem Südtor entwich, um über freies Feld in Richtung Konstitutionssäule zu fliehen.

    Dort, wo noch bis vor kurzem das Kreuz mit Ausrichtung ins Maintal stand, hat ihn eine von dem amerikanischen Soldaten abgefeuerte Kugel tödlich getroffen.

    Starb hier Ludwig Weninger?

    Seit Jahrzehnten schmückte das schlichte Steinkreuz die Todesstelle. Hinterbliebene haben es nach Kriegsende zur Erinnerung an den gefallenen Soldaten aufstellen lassen, wie berichtet wird. Von diesen Angehörigen war der damalige Guts-verwalter gebeten worden, eine kleine Fläche um das Kreuz frei zu halten, was zu Zeiten der Hofbewirtschaftung auch stets beachtet wurde.

    Im Zuge der Abholzung des Bewuchses war das Kreuz vermutlich mit der Baggerschaufel abgeschlagen worden. Nur der Sockelrest befand sich noch an der alten Stelle. Inzwischen wurde das Gelände um das Wasserreservoir komplett eingeebnet und in die Ackerfläche einbezogen.

    Ein bedauerlicher Verlust für nachfolgende Generationen, findet Sebastian Moller. Alle Bemühungen des Stammheimers, das verschwundene Kreuz aufzuspüren, verliefen bisher im Sande.

    Interessant ist die Geschichte um das Soldatenkreuz von Öttershausen auch und gerade deshalb, weil sich dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit die Todesursache des Kunstmalers Ludwig Josef Weninger klären lässt. Viele Indizien deuten darauf hin, dass die Spur des erschossenen deutschen Soldaten zu dem damals 40 Jahre alten Unteroffizier der Luftwaffe führt. Jedenfalls weisen die Schilderungen aus Stammheim und die Umstände von Weningers Tod starke Parallelen auf.

    Damit dürften sich auch anderslautende Hinweise widerlegen lassen, wonach der im Raum Gaibach-Öttershausen tot aufgefundene Soldat in den letzten Kriegstagen in der hiesigen Gegend wegen Verweigerung eines Angriffsbefehls standrechtlich erschossen worden sei.

    Vom Dach aus tödlich getroffen

    Vielmehr scheint die Version zuzutreffen, dass der deutsche Landser von dem US-Posten auf dem Dach erschossen worden ist, als er versuchte, sich über freies Feld in Richtung Konstitutionssäule davonzustehlen. Es ist bekannt, dass die Amerikaner in diesen Fällen schnell den Finger am Abzug hatten. Vor allem zurückflutende SS-Einheiten leisteten immer noch Widerstand.

    Ob Ludwig Weninger zum Personal des Fliegerhorstes Gerolzhofen gehörte – der Feldflugplatz befand sich im Zweiten Weltkrieg zwischen Zeilitzheim, Herlheim und dem Gut Wadenbrunn –, oder ob er mit versprengten Soldaten auf dem Rückzug durchgekommen ist, ist unklar.

    Sicher ist, dass wegen der vorrückenden US-Truppen die letzten deutschen Soldaten den Fliegerhorst exakt am 11. April, Weningers Todestag, verlassen hatten. Das bestätigt der Luftkriegsforscher Wolfgang Scholz als profunder Kenner der Geschichte des Flugplatzes. Während sich andere Richtung Steigerwald auf den Weg machten, könnte sich Weninger genauso gut Richtung Volkach bewegt haben, um vom Horst wegzukommen. Beim Herannahen der Amerikaner sei vieles in Auflösung begriffen gewesen, so Scholz.

    Ludwig Weningers Tod wurde dem Standesamt laut Eintrag „mündlich von der Militärbehörde angezeigt“, also von den Amerikanern gemeldet, was zur Erschießung durch einen GI passen würde. Der Tote wurde in Gaibach beerdigt.

    Um die Pflege des Grabes auf dem Friedhof in Gaibach als auch des Soldatenkreuzes in Öttershausen soll sich nach dem Krieg vor allem der in München beziehungsweise später in Freising lebende jüngere Bruder Ludwig Weningers, Dr. Hermann Weninger, gekümmert haben. Nach dem Tod des Regisseurs und Dramaturgen 1986 soll diese Aufgabe sein Sohn Ludwig Weninger jr, der nach dem gefallenen Maler benannte Neffe, übernommen haben.

    Wer erinnert sich?

    Uns würde nun interessieren: Wer kann sich an den Tod des deutschen Soldaten bei Gaibach-Öttershausen, seine Beerdigung in Gaibach sowie an die Aufstellung und Pflege des Soldatenkreuzes bei Öttershausen erinnern oder sonstige Informationen zu diesem Fall beisteuern?

    Kontakt: Main-Post-Redaktion Gerolzhofen, Norbert Vollmann, Spitalstraße 5, Tel. (0 93 82) 97 20 55, E-Mail-Adresse: red.gerolzhofen@mainpost.de

    Ludwig Josef Weninger

    Geboren am 2. Juli 1904 im mittelfränkischen Gunzenhausen, war der Maler ein Vertreter der so genannten Verschollenen Generation, des Expressiven Realismus sowie auch der Neuen Sachlichkeit. Seine Bilder verbinden expressionistischen Ausdrucksstil mit neusachlicher Formvereinfachung. Weninger gilt als bedeutender Hans Hofmann-Schüler.

    Bei dem Maler, der wie er aus Gunzenhausen stammte, war er 1932 Assistent geworden. Nach Hans Hofmanns Emigration im gleichen Jahr führte er die weltweit bekannte Hofmann-Schule zusammen mit dessen Frau bis zur Schließung 1933 durch die Nationalsozialisten weiter.

    Hofmann gründete nach seiner Emigration in die Vereinigten Staaten in New York eine Kunstschule, die großen Einfluss auf die Entwicklung des Abstrakten Expressionismus hatte.

    Nachdem Weninger zur Wehrmacht eingezogen worden war, diente er bei der Luftwaffe, vermutlich als Funker. Der Unteroffizier wurde am 11. April 1945 bei Öttershausen erschossen aufgefunden und auf dem Gaibacher Friedhof beerdigt. novo

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden