In der Tat, was „Kinkerlitzchen“, die Theaterinitiative im Markt Werneck, da als Ferienspaßvariante anbot, das ging über das normale Ferienspaßangebot weit hinaus. Drei mehrstündige Termine, die nur in ihrer Gesamtheit wahrgenommen Sinn machten, und das Einarbeiten der vielen spontanen Ideen aller 16 Teilnehmer in ein Rahmenthema, das erforderte Kreativität und Konzentration. Für die Umsetzung in eine bühnenreife Darstellung sorgten die Initiatoren Matthias Reimers und Michael Schirmer.
Produziert wurden lustige Ideen rund um das Medium TV. Speziell im Themenbereich Werbung wurden die Beiträge der Kinder aufgenommen und verwirklicht, Grund auch dafür, dass die Kinder immer bei der Sache waren. Da gab es witzige Vorschläge für das „Zunehmen“, für das optimale Getränk, für ganz erstaunliche (abschreckende) Kochrezepte und Animationen zum Fitnesstraining daheim.
Über gut bekannte Sendungen von damals, heute und visionär auch von übermorgen wurden den Kindern Grundlagen und technische Entwicklung des Fernsehens vorgestellt. Zwei Kommentatoren vor dem großen Bildschirm auf der Bühne führten von Szene zu Szene. Ein „Experte“ übernahm die fachlichen Erläuterungen. Diese führten beim Zuschauer zum so genannten „AHA-Erlebnis“. „AHA“ wurde somit auch zum Titel des lehrreichen Theaterstückes.
Schwarz/weiß-Szenen (Das Wunder von Bern) kokettierten mit aktuellen Sendungen (Wer wird Milliardär) und interaktiven Passagen aus dem „Wilden Westen“ und der ach so Gesundheit fördernden Morgengymnastik. Wer dabei gerade im oder vor dem Fernseher war - das machte fast schwindlig.
Das Medium Fernsehen scheint gestern wie heute die „Kundschaft“ in seinen Bann zu ziehen, zu verziehen, hochzunehmen, zu vereinnahmen, leider auch zu verschlingen. Und genau so endete die Bühnenaufführung beim Familienfest in Schraudenbach: Kommentatoren, die repräsentative Fernsehfamilie, Experte und Schauspieler – alle wurden förmlich in den Rachen des Fernsehers hineingezogen und verschluckt. Was mit ihnen weiter wird, das blieb offen. Das Stück war „AUS! AUS! AUS!“.
Es wäre der Sache nicht angemessen, würde man die Vorgehensweise im Workshop nicht kurz beleuchten. Dem Regisseur Matthias Reimer und dem Dramaturgen Michael Schirmer standen zwei junge Damen (Sophia Sauer, Egenhausen, und Madleine Kretzer, Werneck) als Betreuerinnen der 14 Kinder zur Seite. Nach kurzer Begrüßung stieg man voll in die Arbeit ein: Die Kinder durften sich eine spaßige Werbung ausdenken und möglichst witzig, kritisch, auch überzogen als kleinen Sketch vorspielen.
Vier Gruppen waren gebildet. Bemerkenswert, keine Idee wurde abgeschmettert oder madig gemacht. Viel Zeit beanspruchte die Rollenbesetzung, jeder sollte sich ja in seiner Rolle wohl fühlen und so gab es auch keine Direktiven, dezente Einflussnahme vielleicht. Forsche wie vorsichtige Charaktere fanden nach und nach ihren Part im ganzen Theater. Die Texte der kleinen Sketche sind letztlich auch das Ergebnis des Kinderwillens. Sie wurden von diesen entwickelt und schriftlich festgehalten. Ausgefeilt und ergänzt mit spontanen, Pointen setzenden Einwürfen von Reimers, entwickelte sich der textliche Rahmen jeder Szene. Viel Spaß bereitete auch die Erarbeitung der Szene „Das Wunder von Bern“, hier vor allem die Zeitlupenfassung in Bild und Ton.
Beim zweiten Treffen bekamen die Kinder das zwischenzeitlich von Michael Schirmer ausgearbeitete Textbuch an die Hand. Von nun an galt es, sich an den Text zu halten (auswendig oder gelesen) und am Schauspiel zu feilen. Reimers selbst spielte Detailszenen selbst vor oder er sprach die Zeitlupenvariante des Kommentators in übertriebener Verzerrtheit. „So ungefähr könnte es aussehen“, betonte er immer wieder, bejahte jedoch im gleichen Atemzug die Spielvariante der Kinder. Auf diese Art schaukelte sich das künstlerische Niveau jeder Szene nach oben.
Längst waren Requisitenvorstellungen eingeflossen: Perücke, Hauskleid für die Mutter des Hauses, alte Töpfe zur Kochsendung, Deutschlandtrikots für die Fußballer, eine äußerst provisorische Antenne für den Fernseher und, und, und. Äußerst stabil der große Bildschirm, gezimmert vom Schulhausmeister Keller. Beim dritten Termin wurde alles nochmals durchgespielt, um dann – endlich vor Publikum - das Erarbeitete zu präsentieren. Viel Spaß und Applaus war den Kindern Lohn.
„AHA“ war mehr als Ferienspaß!