Seit einer Woche ist Geldersheim um mindestens einen Bürger gewachsen. Der kleine Davidson ist auf die Welt gekommen und liegt in den Armen seiner Mutter Victory aus Nigeria. Sie lebt als Asylbewerberin in den Conn Barracks. „Das sind alles Bürger unserer Gemeinde“, sagt Geldersheims Bürgermeister Oliver Brust. Er schenkte der jungen Mutter eine Packung Windeln.
Die Gemeinschaftsunterkunft ist seit Mitte April geöffnet, seitdem finden immer mehr Asylbewerber dort ein Zuhause. Platz ist für 196 Bewohner. Derzeit sind etwa 120 Menschen hier untergebracht, darunter zehn Kinder. Die Asylsuchenden kommen aus Syrien, Albanien, Nigeria, Serbien, Ukraine, Somalia, Afghanistan, Eritrea, Irak und Iran, zählt Unterkunftsleiter Hermann Fella auf.
Die Syrer stellen mit 67 Bewohnern die größte Gruppe. Unter ihnen ist auch die Familie Kourdi: Ein Vater mit seinen drei Söhnen. Sein Ältester ist Mohammed Fateh. Er kann etwas Englisch und erzählt von der Flucht. Die Familie kommt aus der nordsyrischen Stadt Aleppo. Eine Bombe traf ihr Haus, sagt der 22-Jährige. Vor über zwei Monaten machten sie sich auf den Weg nach Deutschland. Es ging mit einem kleinen Boot von der Türkei aus nach Griechenland. Von dort über den Balkan und Ungarn bis nach Österreich und schließlich Deutschland. 20 Tage dauerte die Reise.
„Wir wollen in Deutschland bleiben“, sagt Kourdi. Hier gehe es ihnen gut. Er will Deutsch lernen und falls möglich, sein Studium zum Maschinenbauer abschließen. Die Mutter soll nachkommen, sobald sie als Flüchtlinge anerkannt werden. Daran hat der 22-Jährige aber Zweifel, denn sie wurden bereits in Ungarn registriert – womöglich werden sie dorthin abgeschoben. Die Familie bewohnt eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der ehemaligen US-Kaserne: ein Tisch mit Stühlen, ein Fernseher, eine Küchennische, ein Bad und ein Schlafzimmer mit vier aneinandergestellten Betten. Dazu haben sie zwei Fahrräder bekommen.
Das ist oft die einzige Verbindung nach außen. Über 100 Fahrräder hat die Gemeinde Geldersheim für die Asylsuchenden gesammelt und von einem Freiwilligen herrichten lassen. Bürgermeister Brust will bald eine bessere Busverbindung organisieren. „Die Integration ist wegen der räumlichen Trennung schwierig.“ Im Dorf hätten sich jedoch einige Ehrenamtliche gefunden, die Fahrdienste und Sprachkurse anbieten. Freilich sei die Asylunterkunft eine Zusatzbelastung für die Gemeinde, sagt Brust. „Aber Zusatzbelastung ausdrücklich in Anführungszeichen. Es ist unsere Bürgerpflicht, diese Leute, die aus Kriegsgebieten kommen, hier aufzunehmen.“
Neben der Gemeinde kümmert sich auch die Diakonie um die Asylbewerber. Kourdi zeigt freudig einen Zettel, den er soeben von der Helferin Catarina Sauer bekommen hat. Es ist eine Bewilligung einer Stiftung, die seinem 14-jährigen Bruder kostenlos neue Brillengläser ermöglicht.
Uwe Kraus von der Diakonie erklärt, dass seine Einrichtung helfe, solche Dinge zu beantragen. Auch um die Eröffnung von Girokonten für die Flüchtlinge kümmert sich die Diakonie. Dolmetscher helfen zudem bei Amtsbesuchen und sind generell für alle Anliegen der Bewohner da. Das Angebot richte sich aber nicht nur an Asylbewerber, sondern an alle Hilfebedürftigen, betont Kraus.
Auf dem Platz vor der Kaserne fährt ein grauer VW-Bus vor. „Das sind die Neuen“, sagt Unterkunftsleiter Fella. Innerhalb der nächsten zwei Wochen werden dann wohl alle Plätze belegt sein, vermutet er.