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SCHWEINFURT: „Dem Schlaf hinterhergerannt“

SCHWEINFURT

„Dem Schlaf hinterhergerannt“

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    Alle sechs Stunden ausgerückt: Mitarbeiter des BRK Schweinfurt beim Hochwassereinsatz BRK
    Alle sechs Stunden ausgerückt: Mitarbeiter des BRK Schweinfurt beim Hochwassereinsatz BRK Foto: Foto:

    „Ich habe das erste Mal gesehen, welche Gewalt Wasser hat. Das kann man sich nicht vorstellen.“ Die Bilder vom Hochwasser im Juni in Süddeutschland bleiben Alexander Fuchs wohl ewig in Erinnerung. Die Wassermassen und der Schlamm, der Geruch und die verzweifelten Menschen: Das alles könne man über Fernsehbilder gar nicht richtig wahrnehmen, sagt auch Manuela Held-Thein. Beide waren mit dem Technischen Hilfswerk (THW) in den Hochwassergebieten im Einsatz und haben zahlreiche Eindrücke mit nach Hause gebracht.

    Bei einem Empfang für die Hochwasserhelfer in der Rathausdiele würdigte Oberbürgermeister Sebastian Remelé die Arbeit dieser „Repräsentanten der Solidarität und Hilfsbereitschaft“. Nicht nur THW, Wasserwacht, Bayerisches Rotes Kreuz (BRK) und die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) waren vor Ort, auch eine privat organisierte Helfergruppe hatte sich auf den Weg ins Niederbayerische gemacht.

    „Wir sind miteinander durch dick und dünn gegangen, durch gute Laune und schlechte Laune.“ So beschreibt David Fischer das Miteinander von acht jungen Menschen, die sich vor ihrem gemeinsamen Einsatz gar nicht kannten. Ein Anruf seiner Tante aus Deggendorf hatte den jungen Mann aufgeschreckt: „Hier ist die Hölle los.“ Unterstützt von Rundfunksendern, suchte Fischer daraufhin Mitstreiter. Acht haben sich gemeldet, dazu kamen materielle Hilfsangebote von Fahrzeugen über Getränkespenden bis hin zu Kleidung und Geld. Vier Wochenenden haben die jungen Leute im Hochwassergebiet geholfen, dabei seien Freundschaften entstanden und sogar eine Beziehung, erzählt Fischer.

    Einmal haben sie alte Menschen von ihrer Notunterkunft in der Kaserne zurück in ihr Seniorenheim gebracht. „Sie waren froh, wieder in ihrer alten Umgebung zu sein“, erinnert sich Fischer. Bei einem gemeinsamen Mittagessen habe eine alte Dame gesagt, dass sie es sich nicht habe vorstellen können, dass junge Leute von so weit herkommen, um zu helfen. Das sei das Schönste gewesen am Einsatz, sagt seine Mitstreiterin: „die lachenden Gesichter und die große Dankbarkeit der Menschen“.

    Auch die 21-jährige Nathalie Worcester hat sich spontan ansprechen lassen. Sie war im Rettungsdienst tätig, „als die Alarmierung reinkam“. Spontan erklärte sie sich bereit, in die überschwemmten Gebiete zu fahren; eigentlich hatte sie Urlaub. „Die Evakuierten haben immer nach der Hochwasserlage gefragt und nach ihren Tieren“, erinnert sie sich. „Aber ich konnte auch nichts sagen.“ Während Worcester hauptsächlich im Fahrdienst eingesetzt war, kämpfte ihre Kollegin der der Wasserwacht, Sabine Ruß, in den Fluten. „Ich bin mit dem Neoprenanzug ins Wasser und habe Rehe gerettet“, berichtet sie.

    Der Geschäftsführer des BRK-Kreisverbandes, Thomas Lindörfer, erklärt: „Da stand ein ganzer Wald über einen Meter unter Wasser.“ „Ein Reh im Wasser sieht schon sehr jämmerlich aus“, beschreibt Ruß die Situation. „Die Neoprenanzüge unserer Leute mussten wir nach dem Einsatz als Sondermüll entsorgen“, erklärt Lindörfer. Reinigung unmöglich.

    Alle sechs Stunden ist die Wasserwacht mit den Booten die Häuser abgefahren, deren Bewohner sich nicht hatten evakuieren lassen: „So nach und nach sind die meisten dann doch gegangen, in einem Haus ohne Strom und Kanal kann man nicht lange aushalten“, erklärt Lindörfer. Aber er erinnert sich auch an eine Familie, die im ersten Stock auf ihrer Terrasse saß, ein Boot am Geländer angeleint. Sie wollten bleiben, bis es gar nicht mehr ging.

    Wie unterschiedlich Menschen mit solchen Katastrophen umgehen, erlebten wohl alle Helfer. Manche haben schon richtig Übung, erzählt Alexander Fuchs: „Einer hat selbst seinen Keller mit Wasser volllaufen lassen, damit das Schmutzwasser aus dem Kanal nicht nach oben drückt. Dort haben wir sauberes Wasser ausgepumpt.“

    Roland Möller und Michael Klüpfel von der Bereitschaft Stammheim hatten wohl den meisten Kontakt zu den Menschen. Sie haben in Plattling eine Unterkunft mitaufgebaut und die Feldküche eingerichtet. Auch Klüpfel kennt besondere Schicksale: „Die Tochter war hochschwanger. Die Familie wusste nicht, ob sie nach dem Hochwasser überhaupt noch ein Zuhause haben würde.“

    Solange man im Einsatz ist, bestätigen die Helfer, hat man keine Zeit für Mitleid. Es gibt zu viel zu tun. „Wir sind dem Schlaf hinterhergerannt“, erzählt Möller, „mehr als zwei, drei Stunden waren nicht drin. Länger als drei bis vier Tage hält das niemand aus.“ „Aber wenn man dann zuhause ist, dann fängt man das Grübeln an“, hat Klüpfel erfahren. Auch Lindörfer bestätigt: „Ich habe zwei Tage gebraucht, um wieder in meinen gewohnten Rhythmus zu finden.“

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