Die Großmacht Österreich war draußen aus dem Deutschen Bund, die nationale Einigung wurde „kleindeutsch“ unter Vorherrschaft des Militärstaats Preußen, verwirklicht. Er hätte für Deutschland auch anders enden können als in den Fängen des preußischen Adlers, der Bruderkrieg von 1866. „Wir haben uns daran gewöhnt“, sagt Militärhistoriker Dr. Dieter Storz zu den Ergebnissen. Die Macht kam schon vor 150 Jahren aus den Gewehrläufen.
„Keine Nostalgie: Die Bewaffnung im 'Deutschen Krieg? 1866“ nennt sich der Vortrag, Storz ist renommierter Experte für Feuerwaffen und Hauptkonservator des Bayerischen Armeemuseums in Ingolstadt. Oberbürgermeister Sebastian Remelé begrüßt außerdem ein kleines, aber fachkundiges Publikum in der Kunsthalle. Schnell, aber heftig verlief der Waffengang, wurde fast vergessen und bleibt doch „Wegscheide der deutschen Geschichte“ (Storz).
Viele Truppen in Schweinfurt
Die Stadt war als Aufmarschgebiet unmittelbar betroffen: „Zu keinem anderen Zeitpunkt gab es eine höhere Truppenkonzentration in und um Schweinfurt“, stellt Remelé fest. Bereits am 3. Juli waren die Österreicher in der Massenschlacht von Königgrätz zusammengeschossen worden. Eine Woche später durchbrachen die Pickelhauben die Stellungen der bayerischen Federmützen bei Hammelburg und Kissingen. Erst kurz vor Schweinfurt schwenkten die Invasoren nach Frankfurt ab.
Als kriegsentscheidend gilt der Kugelhagel aus Preußens neuartigen Hinterladern, während im Süden noch Vorderlader knallten, wie das bayerische Podewils- oder österreichische Lorenzgewehr. 1841 hatte Preußen diskret das Zündnadelgewehr des Thüringer Tüftlers Johann Nikolaus Dreyse eingeführt: ein Industrie-Produkt, bei dem Bleigeschoss, Treibladung und Zündpille bereits in einer Papierpatrone vereint waren.
Die Zeit der großen, runden, in glattläufige Rohre gestopften „Schlotterkugeln“ war aber auch bei den Vorderladern passé. Gezogene Läufe, mit spiralförmigen Rillen („Zügen“) im Innenrohr, brachten jetzt kleinere, tropfen-, kappen- oder kegelförmige Projektile zum Rotieren. Der Drall sorgte für eine stabile Flugbahn, diese und eine bessere Ausnutzung der Explosionsgase für effektive Reichweiten von einigen hundert Metern.
Moderne Geschosse
Die modernen, passgenauen Geschosse wurden beim „Dreyse M 41“ erstmals von hinten in eine zylindrische Verschlusskammer eingelegt: Das System ermöglichte das schnelle Nachladen ebenso wie das Feuern aus der Deckung, im Liegen oder im Knien. Gezündet wurde die Patrone im Lauf, durch eine federgespannte Nadel. Völlig ausgereift war der innovative Kracher auf dem Schlachtfeld nicht. Klemmte der Mechanismus, half der Infanterist schon mal mit Steinschlägen nach.
Die doppelte Schussfolge
Zwei bis drei Schuss gab ein Vorderlader pro Minute ab, Dreyses Hinterlader brachte es auf die doppelte Schussfolge. Bei den Bayern wurde das als „Munitionsverschwendung“ abgetan. Nicht ganz zu Unrecht, sagt Storz. Pro Mann standen nur 60 Patronen zur Verfügung, die in zehn Minuten verballert sein konnten.
So schnell schossen die Preußen aber gar nicht: Kaltblütig sollte der Schütze vorgehen, den kostbaren Vorrat zielgenau einsetzen. Erst bei Bedarf wurde auf Schnellfeuer „umgeschalten“, dann allerdings mit verheerender Wirkung, bei aufrecht anrückenden und ladenden Feinden. Als entscheidend sieht Storz weniger die Waffe selbst als den überlegenen Drill der Preußen an.
Preußen auch taktisch überlegen
Zur besseren Ausbildung kam eine flexible Auftragstaktik, die Offizieren Freiheit bei der Befehlsumsetzung gab: „1866 war das Allzeithoch der Preußischen Armee.“ Nie wieder erwies sich das Heer unterm Schwarzen Adler seinen Gegnern als derart überlegen. Nur: Am Podewils-Gewehr, benannt nach seinem Fabrikanten, lag Bayerns Schwäche nicht, stellt der Experte im detailreichen Bildvortrag klar.
Der präzise Vorderlader übertraf sogar amerikanische Standardmodelle, die ebenfalls noch mit Ladestock geladen wurden.
Abgefeuert wurde er durch ein Perkussionsschloss, per Hammer auf ein außen sitzendes Zündhütchen. Noch 1867 folgte der Umbau zum Hinterlader.
Die Feld-Artillerie beider Seiten zog buchstäblich nach, mit gezogenen Läufen für ihre bespannten, geradlinig schießenden Kanonen und Haubitzen (mit gekrümmter „Wurfbahn“ der Granaten und Kartätschen). Der Essener Industrielle Alfred von Krupp bescherte den Kriegsparteien zudem Hinterlader-Stahlgeschütze.
Messgeräte, Schieß- und Wurftafeln und Feldstecher erleichterten die Entfernungsschätzung im Pulverdampf, über Kilometer hinweg. Am Ende trug Bismarcks Kriegstechnik den Sieg davon. Ein Trost blieb den Bayern: Nach dem gemeinsamen Sieg von 1871 gegen Frankreich war auch Dreyses Zündnadelgewehr Geschichte, die blutige Zukunft gehörte Mehrladern und Patronen mit Metallhülsen. Dem sachkundigen Vortrag schließt sich ein Dauerfeuer an Fragen aus dem Publikum an. Storz ist hier ein militärhistorischer Volltreffer gelungen.
Die Ausstellung über den Krieg von 1866 im Konferenzzentrum ist noch bis 30. September zu sehen.