In eins der Häuser aus dem Straßenzug hat eine Bombe eingeschlagen. Das Dach brennt, die Feuerwehr versucht zu löschen. Aus dem Nachbarhaus hat eine Frau bereits ein weißes Bettlaken zum Zeichen der Kapitulation gehängt. Im Hintergrund rollen amerikanische Militärfahrzeuge. Der Ort steht kurz vor der Einnahme.
Diese dramatische Szene vom Ende des Zweiten Weltkriegs in Mainfranken entsteht zurzeit im Museum für Zeitgeschichte. Sie verbildlicht das neue Thema, das sich Museumsleiter Günter Weißenseel und der Verein Militärgeschichte Franken ausgedacht haben: das Alltagsleben in den letzten Wochen und Tagen des Dritten Reichs in Mainfranken. Bis Ende März ist dafür eine weitere, rund 1000 Quadratmeter große Halle entstanden, in der Helfer momentan den neuen Ausstellungssektor aufbauen.
Alle Details sind echt. Die Utensilien stammen aus der Zeit des Dritten Reichs und den Jahrzehnten davor. Mit viel Mühe und Herzblut haben Museumsleiter Günter Weißenseel und weitere Helfer sie zusammengetragen. Da ist die Feuerwehrleiter aus dem Jahr 1928, die aus Salz bei Bad Neustadt stammt. Da ist die Küche mit kompletter Ausstattung aus der Umgebung Stammheims.
Die eingangs beschriebene Szene hat sich oft wiederholt in den Dörfern und Städtchen Mainfrankens, als die Amerikaner in den ersten Apriltagen 1945 unaufhaltsam, von Westen her kommend, mainaufwärts stießen, dabei auch Fahr und Stammheim nahmen und weiter Richtung Schweinfurt, Bamberg und Nürnberg vorrückten. Der Volkssturm in Stammheim war zu dieser Zeit bereits aufgelöst. Nennenswerten Widerstand gab es in der Region nur noch bei Ettleben, Euerbach und Alitzheim, berichtet Günter Weißenseel.
Im Original zu sehen sind wichtige Fahrzeuge dieser amerikanischen Offensive: Halbketten-Gefährte, Jeeps und der leichte M8-Panzer. Gleich daneben steht ein T 34. Der hat in dieser Szene eigentlich nichts zu suchen, denn er war der Parade-Panzer der Russen, und die waren 1945 nicht im Fränkischen zugange. Trotzdem ist der T 34 dabei, denn Ziel der Ausstellung ist es auch, die Alliierten mit ihrem gigantischen Waffenarsenal zu zeigen.
Doch nicht nur der militärische Bereich wird eingeblendet. Vor den Hausfassaden des fränkischen Straßenzugs sind auch Geräte zu sehen, mit denen der Bauer gegen Ende des Kriegs sein Feld bearbeitete. Da ist das „Pflugswägele“, das erste landwirtschaftliche Gerät, mit dem mehrere Arbeitsgänge auf einmal erledigt werden konnten. Oder der Kartoffelroder, der das Ausbuddeln der Erdäpfel mit der Haue ersparte. Oder die Dreschmaschine mit der Transmission im Original, die zwar immer noch viel Arbeit und Dreck machte, aber schon viel Zeit beim Auslösen der Körner aus den Ähren sparte.
Es wird noch einige Zeit ins Land gehen, bis alles fertig ist. „Wir wollen hier kein Hollywood, sondern authentische Zeitdokumentation. Die Detailarbeiten kosten Zeit“, sagt Günter Weißenseel. Alles soll so sein, wie es damals war. Um das zu erreichen, sucht der Verein weitere Utensilien, die zum Ende des Kriegs wichtig waren, vor allem von den Bauernhöfen.
Zum Saisonbeginn 2011 soll die neue Museumsabteilung fertig sein, natürlich als Dauerausstellung. „Wir wollen immer wieder neue Ideen umsetzen, das Museum darf nie statisch werden“, sagt Weißenseel in die Zukunft gerichtet.
Inzwischen hat das Museum aus kleinen Anfängen im Anfangsjahr 1997 heraus eine Ausstellungsfläche von 17 000 Quadratmetern. Dem Verein Militärgeschichte Franken gehören schon 400 Mitglieder an. Die jetzt erbaute neue Halle musste der Verein allerdings zu 100 Prozent über Sponsoren und auch über eine Kreditaufnahme finanzieren. „Wir haben keinerlei Zuschüsse bekommen, obwohl wir das zweieinhalb Jahre lang versucht haben“, berichtet der Museumsleiter.
Kontakt: Museum für Zeitgeschichte, 9 75 09 Stammheim, Tel. (0 93 81) 92 55; E-mail: info@museum-stammheim,de; Internet-Adresse: www.museum-stammheim.de
Museum für Zeitgeschichte
Die Entwicklung: Das Stammheimer Museum für Zeitgeschichte hat aus kleinen Anfängen im Jahr 1997 heraus heute eine Ausstellungsfläche von 17 000 Quadratmetern. Dazu gehören der Innenhof, mittlerweile drei Hallen und das Freigelände. Rund 400 Mitglieder sind im Verlauf der Zeit zum Verein Militärgeschichte Franken gestoßen. Etwa 10 000 Besucher kommen jedes Jahr ins Museum.
Museumsfrühling: Alljährlich gibt es zum Auftakt der Saison eine Woche vor Ostern einen Museumsfrühling mit einem Sonderthema. Solche Themen waren zum Beispiel Militärmusik, Dorfschmiede oder die Befreiungskriege vor rund 200 Jahren. Überregionales Aufsehen hat das Museum 2004 zum 60. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie (D-Day) erregt. Als einzige bis dahin offiziell eingeladene deutsche Gruppe nahm eine Delegation aus dem Museum an den Feierlichkeiten in der Normandie teil. Die Gäste aus Franken beteiligten sich an Rekonstruktionen des Landungsverlaufs im Abschnitt „Omaha-Beach“. Deutsche Bäcker buken Brot in der Feldbäckerei und gaben es an Veteranen und Bevölkerung ab. Dieses Zeichen der Völkerverständigung und Freundschaft würdigten viele Medien als ein besonders gutes Beispiel der deutsch-französischen Aussöhnung.
Oldtimer und Veteranentreffen: Immer am zweiten Wochenende nach Pfingsten kommen Besitzer alter Militär- und Zivilfahrzeuge zum Oldtimer- und Veteranentreffen in Stammheim zusammen.