Ohne auf Bedenken der beiden christlichen Kirchen einzugehen, stimmte der Stadtrat einhellig für einen dritten verkaufsoffenen Sonntag im Jahr. Den Antrag dazu hatte Gerolzhofen-aktiv gestellt. Der verkaufsoffene Sonntag soll jeweils im August aus Anlass des Stadtfestes „Geo Classics“ sein, erstmals am 19. August.
Bei den ersten „Geo Classics“ präsentieren sich chromblitzende Autos und Motorräder bis zum Baujahr 1988 auf dem Marktplatz. Foodtrucks mit internationalem Speisenangebot sollen das Angebot fränkischer Spezialitäten der örtlichen Gastronomie-Betriebe ergänzen.
- Lesen Sie dazu einen Ein Kommentar von Norbert Finster
In seiner Sitzung vom 9. April hatte der Rat beschlossen, eine Anhörung bei den örtlichen Kirchen, der Handwerkskammer, der Industrie- und Handelskammer, des Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Landratsamtes einzuleiten. Mit Ausnahme der Gewerkschaft gingen die erbetenen Stellungnahmen ein.
Mehr als gängige Einwände
Inhaltlich besonders bedenkenswert war die von den Pfarrern Stefan Mai und Reiner Apel gemeinsam verfasste Stellungnahme, die weit über das hinausging, was in der Sitzungsvorlage stand, nämlich dass die Pfarrer lediglich auf „die gängigen Einwände der Kirchen gegenüber den verkaufsoffenen Sonntagen“ hingewiesen hätten.
„Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen“ (Blaise Pascal) und „Heute besuche ich mich, hoffentlich bin ich zu Hause!“ (Karl Valentin) sind zwei Zitate, die in den Augen von Stefan Mai und Reiner Apel die tiefer liegende Problematik der Gesellschaft zum Ausdruck bringen.
Der Mensch sehne sich danach, bei sich zu sein, müsse aber immer wieder feststellen, dass er weit davon entfernt ist. Feststellungen wie „Ich muss erst mal wieder zu mir kommen“ verdeutlichen das. Andererseits mache es manchen Angst, sich Zeit für sich zu nehmen.
Es sei nämlich nicht immer einfach mit sich selbst etwas anzufangen, es bei sich auszuhalten, mit anderen ins Gespräch zu kommen, schreiben die beiden Geistlichen.
Leichter sei es da, ständig nach neuen Anreizen und Füllern für die „Leere des Sonntags“ zu suchen, kurzfristig im „Event des Shoppings“ Lebensfreude zu generieren, sich bei Haus und Gartenarbeit die Zeit zu verkürzen. In der Beschäftigung mit allem Möglichen komme es jedoch schleichend zur Entfremdung von sich selbst.
Der Sonntag wäre der prädestinierte Tag, an dem auch der moderne Mensch auf die Suche nach seiner Seele gehen könnte, anstatt mit Anreiz von außen ständig vor sich davonzulaufen, meinen Mai und Apel.
Die Ausweitung von Ladenöffnungszeiten verdränge die Wahrnehmung und Wertschätzung all der Güter, die in Geldwert nicht auszudrücken sind und verenge das Lebens- und Freizeitverhalten auf die Fragen „Was kostet das?“ und „Was bringt mir das?“
Diese Fragen führen auf der Suche nach einem lebenswerten Miteinander in der Stadt nicht weiter, beziehen Mai und Apel klar Stellung gegen einen weiteren verkaufsoffenen Sonntag (bisher gibt es solche in Gerolzhofen zum Frühlings- und zum Herbstfest).
Grund für Rückgang des Ehrenamts
Und sie schieben eine Sozialprognose hinterher: „Wo immer nur der materielle Nutzen im Vordergrund steht, muss man sich nicht wundern, wenn das freiwillige, ehrenamtliche Engagement zurückgeht und Menschen, die über weniger finanzielle Mittel verfügen, sich von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen fühlen.“
Fazit: Die dauernde Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage, nach der viele, nicht nur aus Geschäftsinteresse, sondern aus Angst vor einer „sinnerfüllten Leere“ des Sonntags rufen, diene langfristig nicht dem Wohl des Menschen und werde auch das Problem eines wunderschönen, aber „leeren“ Gerolzhofens nicht lösen können.
Dessen ungeachtet tritt nun die Verordnung der Stadt über einen weiteren verkaufsoffenen Sonntag in Kraft. Die Geschäfte dürfen an diesem Sonntag im August von 12 bis 17 Uhr geöffnet sein. Ganz ausgereizt hat die Stadt damit ihr Kontingent an verkaufsoffenen Sonntagen noch nicht, denn in Bayern sind maximal vier solcher Tage im Jahr erlaubt.