Antrittsbesuch! Oberbürgermeister Sebastian Remelé kam mit Baureferent Jochen Müller und einigen Stadträten zum Hauptfriedhof, ließ sich von Leiter Helmut Schlereth sagen, in welchem Zustand der Hauptfriedhof ist. „In keinem guten“, musste das Stadtoberhaupt notieren.
150 Jahre ist er alt, der Hauptfriedhof, der damals den Friedhof an der Schultesstraße ablöste. Erweitert wurde er in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Maibacher Straße, die einst mitten durch das Terrain führte, weswegen die Beerdigungen stoppen mussten, wenn der Verkehr Richtung Röhn brummte, wurde erst später verlegt. 10 000 Gräber bietet der Hauptfriedhof seither, an dessen erste Kapelle heute nur noch die im Hauptgang aufgestellte Glocke erinnert. Der heutige Nebeneingang an der Friedhofstraße war vor 15 Jahrzehnten der Haupteingang.
Ende der 70er Jahre war der Hauptfriedhof voll belegt. Der neue Deutschfeldfriedhof sollte für Entspannung sorgen. Doch die Entwicklung kam anders als gedacht. Immer mehr Schweinfurter fanden die letzte Ruhe nicht im Erdgrab, sondern in den Urnenmauern, die heute Platz für 3000 Aschen bieten. Bei 60 Prozent liegt mittlerweile der Anteil der Feuerbestattungen in Schweinfurt. Ohne dem Zuzug von Familien aus dem Osten Europas wären die Erdbestattungen noch weit weniger.
Gebaut wurde das Krematorium mitten im Wohngebiet im Jahr 1963, nachdem das zweite Vatikanische Konzil den Katholiken die Verbrennung der Verstorbenen erlaubt hatte. Die Bischofsstadt Würzburg hatte abgelehnt. Schweinfurt griff zu. Damals durften die Krematorien nur von Gemeinden betrieben werden. Heute gibt es sie auch in privater Hand. Schlereth geht davon aus, dass ohne das Plus aus dem Krematorium die Schweinfurter doppelte Friedhofsgebühren zahlen müssten.
Die Finanzlage könnte sich zuspitzen, meint der Verwalter, da seit Jahren im Schnitt um die 200 Familiengräber in zwölf Monaten aufgelöst, jedoch nur 50 neu eingerichtet werden. Schlereth sieht dies allerdings auch positiv. Grünflächen würden die Mitarbeiter anlegen, den Wurzelbereich der Bäume schonen, der Friedhof werde ein Park, einer mit stattlichen Bäumen aller Arten und Sorten, 650 an der Zahl.
Als einmalig in ganz Bayern hat Schlereth den Judenfriedhof im Friedhof ausgemacht. Die Gedenkstätten der Juden seien ansonsten immer außerhalb der Bebauung, meistens an einem Wald gelegen.
Auf dem Weg zum Krematorium erfuhr Remelé, dass von dort Urnen in die ganze Welt verschickt werden, auf dem Postweg. Einen Abstecher in die Aussegnungshalle nutze Baureferent Jochen Müller, um auf den desolaten Zustand des großen Buntglasfensters von Gustl Kirchner zu verweisen. Eine Kunststoffwand auf der Außenseite schützt es provisorisch vor Wettereinflüssen. Doch der Mörtel zwischen den Glasteilen ist brüchig. Ein Abbau und eine Rekonstruktion sind teuer, wobei die Kosten noch nicht ermittelt sind.
Im überdachten Außenbereich fiel Remelé eine Lampe auf, die leuchtete und Abfluss für das Regenwasser vom sanierungsbedürftigen Flachdach ist. Ausgespart wurde bei dem Rundgang die Toilettenanlage, die nur noch der aufsucht, der keine andere Chance auf Erleichterung hat.
Saniert wird im Krematorium. Einer der zwei Öfen ist neu, allerdings noch nicht die Technik, die den Verbrennungsvorgang steuert. Rund 1,5 Millionen Euro sind für beide Öfen samt Technik in den städtischen Haushalt eingestellt. Im Sommer sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Die Öfen verfügen über jeweils drei Kammern, wobei Gas für Temperaturen zwischen 800 und 1100 Grad sorgt. Sarg und Leiche bleiben in jeder Kammer 75 Minuten. Anschließend werden Metallteile, etwa künstliche Hüften oder Sargnägel, aber auch Gold und Platin aussortiert, ehe die Restasche im Zerkleinerer (Knochen) und anschließend in der Urne landet. Die Wertstoffe sammelt das Friedhofsamt. Der Erlös solle einem sozialen Zweck zufließen, regte Schlereth an.
In die Urne gehört auch jeweils ein Stein, einer der sagt, aus welchem der 140 Krematorien in Deutschland die Asche stammt. Remelé las auf dem Stein für die nächste Urne die Zahl 87 682. Damit war klar, wie viele Leichen seit 1963 in Schweinfurt eingeäschert wurden, wobei seit Jahren Giftstoffe aus der Abluft per Gewebefilter ausgeschieden werden und anschließend auf der Sonderdeponie landen.