Ganz anders sieht das Volker Conrad, Revierleiter im Gemeinsamen Bürgerwald Gerolzhofen-Dingolshausen und im Gerolzhöfer Stadtwald. Für ihn ist der Buchenborkenkäfer eine real existierende Gefahr, deren Vorboten auch schon den Raum Schweinfurt einschließlich Steigerwald erreicht haben. Zum Beweis hält er ein Schreiben der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) aus Freising an Markus Resch vom Amt für Landwirtschaft und Forsten in Schweinfurt in Händen. Resch hatte Teile Jung- und einer Altbuche aus der Nähe von Reichmannshausen mit verdächtigen Fraßbildern nach Freising geschickt.
Nicht gerade beruhigend die Antwort aus Oberbayern. Dr. Ralf Petercord von der Landesanstalt schreibt an Resch: „An den von Ihnen eingesandten Abschnitten konnten wir Fraßbilder des Kleinen Buchenborkenkäfers (Taphrorychus bivolor L.) und des Eichensplintkäfers (Scolytus intricatus) feststellen.“ Beide Borkenkäferarten gelten als Sekundärbesiedler prädisponierter (das heißt schon vor dem Befall durch falschen Standort, Hitze, Trockenheit und extreme Sonneneinstrahlung geschwächter) Bäume. Die Auswirkungen des Befalls sind stark von der Dichte abhängig. Beide Käferarten können auch unabhängig voneinander zum Absterben befallener Buchen führen, schreibt Petercord weiter.
Um die Gefährdungssituation besser einschätzen und, wenn nötig, Schutzmaßnahmen empfehlen zu können, braucht die Landesanstalt weitere Informationen zum Käferbefall.
Stamm durchlöchert
Die wird Volker Conrad in Kürze liefern. In der Abteilung „Brünnleinschlag“ im Gemeinsamen Bürgerwald Gerolzhofen-Dingolshausen oberhalb von Michelau zeigt er eine Buche, deren Stamm im unteren Drittel durchlöchert ist von Bohrstellen des Borkenkäfers. Unterhalb der Löcher ziehen sich dunkle Spuren einer vertrockneten Flüssigkeit den Stamm hinab. „Das nennen wir Schleimfluss. Durch die Flüssigkeit versucht der Baum sich gegen den Eindringling zu wehren“, erklärt der Förster. Doch die gezeigte Buche hatte keine Chance; sie ist bereits abgestorben.
Das Schlimme bei dem Ganzen: Die Borkenkäfer haben keine natürlichen Feinde, die ihnen bei einer Massenvermehrung gefährlich werden könnten. So war auch der Specht, der sich am Buchenstamm im „Brünnleinschlag“ offensichtlich Käfer aus der Rinde holte, keine große Hilfe zur Rettung des Baums.
Bereits 2004 hat die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg eine Prognose gestellt, die sich jetzt bewahrheiten könnte: In und nach Jahren mit extremer Trockenheit und Hitze sind Buchen oft derart geschwächt, dass sie von Rindenbrütern stehend befallen werden könne. Dieser Befall verhindert, dass sich die Bäume von den anderen Stressfaktoren wieder erholen können. „In der Folge kann es zu Massenvermehrungen kommen, wodurch grundsätzlich auch gesündere Buchen gefährdet sind“, heißt es aus Baden-Württemberg.
Conrad: Käfer nicht ignorieren
Volker Conrad will nun keine Panik machen und geht auch nicht davon aus, dass der Käfer im Moment bestandsbedrohend ist. „Aber wir dürfen ihn nicht ignorieren.“ Bleibt es nämlich bei der herrschenden Klimaerwärmung, auf die der Förster das Auftreten des Schädlings nun auch in höheren Lagen des Steigerwalds zurückführt, dann könnte der Borkenkäfer rasch zu einer Plage werden, „der wir nicht mehr Herr werden.“ Auch der Eichenprozessionsspinner war klimabedingt lange nicht im Steigerwald vorhanden, hat jetzt aber mit der Erwärmung bereits die höchsten Lagen um die 470 Meter erklommen.
„Niemand möchte den Steigerwald so sehen wie den Bayerischen Wald“, sagt Conrad in Anspielung auf den Nationalpark dort, wo wegen der strengen Verordnung keine Bekämpfungsmaßnahme gegen den Fichten-Borkenkäfer möglich war, der dann auch auf zahlreiche Privatwälder übergriff. „Bis heute kann uns keiner sagen, wieviel Totholz wir auf einer bestimmten Fläche brauchen und wie groß ein neues Totalreservat sein muss, um Urwaldcharakter zu erreichen“, kritisiert Conrad.
Die Buche aus dem „Brünnleinschlag“ ist kein Einzelfall. Im Wald bei Geusfeld hat Volker Conrad erneut ein Schadbild entdeckt – diesmal größeren Ausmaßes. Auf einem halben Hektar stehen 20 bis 25 Buchen, deren Stämme ebenfalls von Bohrlöchern übersät sind. Auch von hier gehen Proben nach Freising. Dort wird sich nach der Analyse entscheiden, ob und wie die befallenen Bäume zu behandeln sind.