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GEROLZHOFEN: Der Mut eines jungen Arztes

GEROLZHOFEN

Der Mut eines jungen Arztes

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    Es gibt noch junge Hausärzte: In Gerolzhofen hat Dr. Tobias Weigand (Mitte) so großen Zulauf, dass er mit Dr. Susanne Ziegler und Holger Blum zwei Kollegen mit ins Praxis-Boot holte.
    Es gibt noch junge Hausärzte: In Gerolzhofen hat Dr. Tobias Weigand (Mitte) so großen Zulauf, dass er mit Dr. Susanne Ziegler und Holger Blum zwei Kollegen mit ins Praxis-Boot holte. Foto: Foto: Norbert Finster

    Das Wartezimmer ist brechend voll. Sogar auf dem Gang vor der Praxis aufgestellte Stühle sind restlos besetzt. Arzthelferinnen rufen ständig neue Patientennamen auf. Der ganze Praxisbetrieb wirkt straff und gut organisiert. Trotzdem gelingt es oft nicht, dass der Patient zum vereinbarten Termin im Arztzimmer sitzt.

    Alltag in der Praxis von Dr. Tobias Weigang in der Bahnhofstraße. Der junge Mediziner ist die große Ausnahme in der Region: Er hat es 2008 gewagt, eine Hausarztpraxis in einer Kleinstadt zu übernehmen. 71 Mal ist das im Jahr 2010 in Bayern nicht gelungen; auch in 2011 gab es solche Negativbeispiele – in der Umgebung von Gerolzhofen in Donnersdorf oder in Schwebheim.

    In der Stadt selbst hat sich die Zahl der Fachärzte für Allgemeinmedizin ebenfalls reduziert. Kollegen sind in Ruhestand gegangen oder haben Gerolzhofen verlassen. Das ist einer der Gründe, warum die Praxis von Tobias Weigand total überlaufen ist. Nach der jüngsten Praxisschließung in Schwebheim drängen nun auch noch Herlheimer, Unter- und Oberspiesheimer nach Gerolzhofen.

    Doch nicht nur die Praxis in der Bahnhofstraße, auch andere Gerolzhöfer Allgemeinmediziner oder praktische Ärzte sind am Limit und können neue Patienten nicht mehr oder nur noch begrenzt annehmen.

    Tobias Weigand: „Die Entscheidung, ob wir jemanden aufnehmen, hängt besonders von der Frage ab, inwieweit unsere Praxis die Erwartungen der Patienten erfüllen kann. Beispielsweise bei Magen- oder Darmspiegelungen können wir einfach nicht das leisten, was Dr. Dieter Ewald früher geleistet hat“, verweist Tobias Weigand auf das Fehlen eines Kollegen, der in Ruhestand gegangen ist.

    Aufgestockt

    Um dem Patientenansturm wenigstens halbwegs Herr zu werden, hat der 36-Jährige personell aufgestockt. Im Juni 2010 kam Holger Blum mit in die Praxis, seit Beginn des Jahres ist nun auch noch Dr. Susanne Ziegler mit im Boot.

    Gemeinsam eine Praxis zu betreiben, hat für Tobias Weigand viele Vorteile. „Erstens wird das Familienleben nicht ganz abgewürgt, zweitens werden die Wochenenddienste für jeden einzelnen weniger.“ Dazu hat jeder einmal in der Woche einen Nachmittag frei. Und wenn der Arzt selbst einmal krank wird, bricht nicht gleich der ganze Praxisbetrieb zusammen.

    Im Moment trägt Weigand noch alleine die Verantwortung für die Praxis. Doch er ist weiterbildungsbefugt und Kollege Holger Blum steht kurz vor dem Abschluss seiner Facharztausbildung. Wenn er die in der Tasche hat, kann auch er eine Praxis führen und wird dann bei Tobias Weigand einsteigen. In solchen kleinen Teams sieht Weigand die Zukunft. „Einzelkämpfer werden es immer schwerer haben.“ Ob auch Susanne Ziegler in der Gemeinschaftspraxis bleiben wird, weiß die 35-Jährige heute noch nicht.

    Alle drei Mediziner kommen aus der Geomed-Klinik. Warum gingen sie den Weg aus der Klinik in die Praxis in einer Zeit, wo viele Kollegen dankend abwinken? „Hausarzt zu sein ist die abwechslungsreichste und dankbarste Tätigkeit“, sagt Tobias Weigand. Ein Hausarzt könne das Wirken seiner Arbeit oft über Jahre am Patienten verfolgen. Die Arbeit in der Klinik ist dagegen, so Weigand, oft auf einen kleinen Sektor der Medizin reduziert. „40 Jahre lang immer nur in diesem kleinen Bereich zu arbeiten, wäre mir einfach zu wenig.“

    Das Geomed haben die Drei aber nicht verlassen, weil sie dort unzufrieden waren. „Man muss drei Jahre in einer Klinik gearbeitet haben, um in die Praxis zu können“, erklärt Susanne Ziegler. Sie und Tobias Weigand sind sich einig, dass die Gerolzhöfer Klinik „eine gute, solide und fundierte Ausbildung“ bietet, besonders für Ärzte, die einmal eine eigene Praxis führen möchten. Das sei sogar besser als an einer Uni-Klinik, wo man oft nur spezielles Fachwissen vermittelt bekomme.

    Ein Arzt mit einer eigenen Praxis muss sich auch um die wirtschaftliche Seite kümmern, nennt Tobias Weigand ein starkes Motiv für Kollegen, an der Klinik zu bleiben.

    23 Prozent älter als 60 Jahre

    So wird es auch bei positiver Einschätzung des Berufsbilds Hausarzt zunehmend problematischer werden, die hausärztliche Versorgung besonders auf dem Land zu gewährleisten. „Wenn sich die politischen Voraussetzungen nicht grundlegend ändern, wird es für einen jungen Kollegen immer schwerer, eine Hausarztpraxis zu eröffnen“, meint Tobias Weigand. Die wesentlichsten Hemmnisse sieht er in der schlechten Honorierung der hausärztlichen Leistung und im gewaltig gestiegenen Bürokratieaufwand. Kein Wunder also, dass in Bayern bereits jetzt 23 Prozent aller Hausärzte älter als 60 Jahre sind, weil Nachwuchs fehlt.

    Und für Susanne Ziegler ist eines klar: „Die Zeit des idyllischen Landarztlebens, wie in einer ZDF-Serie gezeigt, wird nicht mehr zurückkommen.“ Für sie geht es dabei gar nicht so sehr ums Geld, sondern vielmehr um den Faktor Zeit.

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