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Der Wandel zum Volk der Mitläufer

Gerolzhofen

Der Wandel zum Volk der Mitläufer

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    Der Bußgeldbescheid, mit dem die US-Militärregierung 1946 den
CSU-Kreis- und Gerolzhöfer Ortsvorsitzenden Hans Mattmann zu einer
Geldstrafe von 1000 Reichsmark verurteilt, damit er das Gefängnis wieder
verlassen darf.
    Der Bußgeldbescheid, mit dem die US-Militärregierung 1946 den CSU-Kreis- und Gerolzhöfer Ortsvorsitzenden Hans Mattmann zu einer Geldstrafe von 1000 Reichsmark verurteilt, damit er das Gefängnis wieder verlassen darf. Foto: REPRODUKTION NORBERT VOLLMANN

    Nachdem die bisherigen Ratsherren und Gemeinderäte ihrer Ämter enthoben sind, ist auf Anweisung des unterfränkischen Regierungspräsidenten Dr. Adam Stegerwald vom 14. August 1945 ein Beirat zu bilden, der die Aufgabe hat, die eingesetzten Bürgermeister in wichtigen Angelegenheiten zu beraten. Ein Beschlussrecht steht dem Gremium allerdings nicht zu. Zu Mitgliedern sollen Angehörige aller politischen Parteien mit Ausnahme der NSDAP unter ungefährer Berücksichtigung ihrer Stärkeverhältnisse im Jahr 1932 berufen werden.

    In Gerolzhofen waren bei der Reichtstagswahl am 6. November 1932 insgesamt 728 Stimmen auf die Bayerische Volkspartei, 590 auf die NSDAP, 168 auf die SPD, 43 auf die KPD und 38 auf die Deutsch-Nationale Volkspartei entfallen.

    Weiter heißt es im offiziellen Sprachgebrauch: "Im Beirat sollen die einzelnen Berufsgruppen angemessen vertreten sein. Er soll in den Gemeinden nicht mehr als sieben Mitglieder haben. Zum Beirat können auch die schon zu Beigeordneten ernannten Personen herangezogen werden".

    Die Bürgermeister haben die Beiräte zu benennen und bis 10. Oktober 1945 dem von den Militärs eingesetzten Landrat Thomas Keller zu berichten, welche Beiräte sie vorschlagen (aus dieser Zeit liegen leider keine Einträge in den Sitzungsbüchern des Stadtrats vor).

    Indessen treibt die Militärregierung die Wiedergründung der Parteien voran, noch mit der festen Absicht, davon die Aktivisten und Mitglieder der NSDAP auszuschließen. Der gute Vorsatz soll jedoch nicht lange halten. Der Krieg hat das Volk ausgeblutet. Viele, die die Verantwortung in Gemeinde, Stadt und Land trugen, sind gefallen oder gestorben. Außerdem "wandeln sich über Nacht viele ehemalige Parteigänger um 180 Grad vom Saulus zum Paulus", wie sich der Gerolzhöfer Karl Schulz erinnert. "Sie waren plötzlich nur noch Mitläufer, um ihre innehabende oder spätere Position nicht zu gefährden", beschreibt er das, was er als "Wandel der Menschen" bezeichnet. Die meisten tun nun so, als seinen sie gezwungen worden, also selbst "Opfer gewesen", und versuchen meist mit Erfolg, sich mit für sie ausgestellten "Persilscheinen" buchstäblich reinzuwaschen.

    Noch herrscht aber der Glaube an die Entnazifizierung vor, wird mit der Gründung einer Partei nur der betraut, der als Gegner oder Unterdrückter des Naziregimes gilt.

    In Gerolzhofen machen im Sommer 1945 Kurt Tully und Franz Ruf für die SPD den Anfang. Es folgt Peter Giemulla für die KPD (der Partei gelingt es jedoch in der Folgezeit nicht, Mandate in Stadt und Landkreis zu erwerben). Derweil beginnt der Schneidermeister Hans Mattmann mit Unterstützung von Bürgermeister Karl Schmitt damit, die CSU zunächst auf Stadt- und Kreisebene aus der Taufe zu heben.

    Mattmann gilt als absolut unverdächtig. Schon im März 1938 war er zusammen mit vier weiteren Gerolzhöfer Handwerksmeistern (Arnold Hümpfner, Heinrich Dittmeier, Ernst Bildstein und Josef Eben) wegen der Zugehörigkeit zur Kolpingfamilie als "Volksverräter" vom Gaugericht aus der Deutschen Arbeitsfront ausgeschlossen worden.

    "Kindererziehung ist Parteisache"

    Im Herbst 1938 erklärt er öffentlich im Hotel Stern, dass er seine Kinder nicht zur Hitlerjugend lasse, weil die nationalsozialistische Partei Deutschlands (NSDAP) gegen die Religion eingestellt sei. Er werde die Kinder nach seiner katholisch geprägten Weltanschauung erziehen. Darauf muss er bei der NSDAP-Ortsgruppe antreten. Ihm wird unmissverständlich klar gemacht, dass die Kindererziehung Sache der Partei und nicht der Eltern sei. Sollte er sich weiterhin abfällig äußern, werde er ins KZ nach Dachau kommen.

    Zuletzt versteckt Hans Mattmann den geflohenen Felix Raab, der beim so genannten Frauenaufstand am 6. April zusammen mit Karl Eich die weiße Fahne auf dem Rathaus gehisst hat, tagelang in seiner Scheune in der Salzstraße.

    Acht Wochen nach SPD und KPD gründet Hans Mattmann im Auftrag von Captain Leinen und Lieutenant Jerome M. Simon von der US-Militärregierung und auf Bitten von Stadtpfarrer Dr. Josef Hersam und Redakteur Wilhelm Stettner im September 1945 die CSU in der Stadt. Stettner bringt als Muster die Satzung aus Schweinfurt mit.

    Die weiteren 24 Gründungsmitglieder, die Mattmann geworben hat, sind Hans Böhnlein, Ernst Bildstein, Bruno Albert, Georg Dittmeier, Josef Eben, Peter Herbig, Dr. Bernhard Lutterloh, Edmund Hacker, Arnold Hümpfner, Lisa Kwossek (Schriftführerin), Fritz Gräb, Michael Haupt, Josef Leopold, Andreas Kraus, Michael Schärf, Karl Schmitt, Isidor Stumpf, Andreas Wächter, Adam Wachtel, Gottfried Königer, Adam Stumpf, Wendelin Königer, August Schneider und Adelbert Markert.

    Versammlungsverbot

    Zu dieser Zeit herrscht das von den Besatzern verordnete Versammlungsverbot. Wer dennoch eine abhalten will, muss sich diese genehmigen lassen und der Militärregierung genau Bericht erstatten.

    Unter Mattmanns Regie erfolgt währenddessen gleichzeitig der Aufbau der CSU auf Kreisebene. Der Schneidermeister wird zum ersten Kreisvorsitzenden gewählt. Die ersten Ortsverbände entstehen neben Gerolzhofen in Volkach und Wiesentheid, bevor sich die Partei über den gesamten Landkreis ausdehnt.

    Bei der ersten freien Kommunalwahl am 25. April 1945 werden 13 CSU-Mitglieder in den Gerolzhöfer Stadtrat gewählt (Karl Schmitt, Michael Schärf, Hans Mattmann, Josef Eben, Dr. Lutterloh, Andreas Wächter, Arndold Hümpfner, Adam Wachtel, Adam Stumpf, Hans Böhnlein, Peter Herbig, Andreas Kraus und Bruno Albert. Für die SPD ziehen Julius Wülk, Kurt Tully und Josef Herrmann ins Rathaus ein. Karl Schmitt wird wieder 1. Bürgermeister, Michael Schärf sein neuer Stellvertreter und Andreas Steil nun 3. Bürgermeister. Das Gremium bedarf aber immer noch der Genehmigung durch die Militärregierung.

    In den Kreistag sind alle 31 CSU-Kandidaten gekommen, sechs weniger als der Partei zustehen. Es sind keine Ersatzleute mehr vorhanden. Die SPD stellt fünf Kreisräte.

    Bei den Kommunalwahlen am 25. April 1948 wird Karl Schmitt als parteiloser Kandidat erneut zum Bürgermeister gewählt. Insgesamt werden sechs Wahlvorschläge zur Stadtratswahl eingereicht und zwar von CSU, SPD, FPD, KPD, Bayernpartei und Parteiloser Wählergemeinschaft. Gewählt werden: Peter Herbig, Dr. Bernhard Lutterloh, Hans Mattmannm, Michael Schärf (2. Bürgermeister), Leo Thomas, Andreas Wächter (alle CSU), Kaspar Solf, Julius Wülk (SPD), Franz Bumm, Georg Höret (Bayernpartei), Georg Bördlein, Ernst Haderlein, Richard Röder, Robert Schmitt, Andreas Steil und Ludwig Tröster (alle Parteilose Wählergemeinschaft).

    Hans Mattmann steht übrigens bis 1965 an der Spitze des CSU-Ortsverbands und ist mehrere Jahre Kreisvorsitzender. 26 Jahre lang gehört er dem Stadtrat und 24 Jahre dem Kreistag an. Hans Mattmann stirbt am 2. Oktober 1992 im Alter von 87 Jahren.

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