Wenn man das Gebäude der Firma Lintec Antriebstechnik in Gerolzhofen betritt, kann man nur schwer glauben, dass es sich hier um einen innovativen Betrieb handelt. Einige Wände sind unverputzt, an anderen sind Kacheln angebracht, die irgendwie Fehl am Platz wirken. Das Ganze strahlt eine Atmosphäre von Vorläufigkeit aus. Chef Alfred Berger ist sich dessen bewusst. "Das Gebäude soll nur eine Übergangslösung sein."
Übergang ist ein gutes Wort, um das vor zwei Jahren gegründete Unternehmen zu beschreiben. Die Schwierigkeiten des Anfangs - der Existenzgründung - sind noch da, die Firma ist allerdings dabei, sich zu konsolidieren, will heißen, aus dem Gröbsten herauszukommen. Alfred Berger entspricht nicht dem Typus eines Vorzeige-Gründers, er ist vielmehr einer, der langsam seinen Weg hin zum unternehmerischen Erfolg beschreitet - ein steiniger Weg oftmals.
"Am Anfang hat man noch mehr Freiräume, jetzt reagiert man mehr, als man agiert." Wenn Alfred Berger spricht, benutzt er meist die unpersönliche Form. Selten beginnt er einen Satz mit "Ich". Auch die genaue Erläuterung dessen, was seine Firma herstellt, fällt ihm nicht leicht. Schließlich ringt er sich zu einem Satz durch: "Bei der Antriebstechnik wird die Drehbewegung vom Motor in lineare Bewegung umgesetzt."
Ein paar Beispiele machen es deutlicher. Für die Radiologische Abteilung der Landesklinik Salzburg hat der 38-jährige Wirtschaftsingenieur ein System entwickelt, mit dem sich Laser positionieren lassen. In der Medizintechnik kommt ein elektromechanischer Hubzylinder zum Einsatz, mit Hilfe dessen Operationstische in der Höhe verstellt werden können. BMW braucht Systeme von Lintec, um Autoteile zu vermessen.
Alfred Berger gerät ins Schmunzeln, wenn er von seinem bislang außergewöhnlichsten Auftrag erzählt. Eine Familie in Gerolzhofen wollte ihr Wohnzimmer umbauen lassen. Dabei war auch eine Drehscheibe im Fußboden eingeplant, auf der sich die Couchgarnitur bewegen sollte. Durchmesser der Scheibe: stolze fünf Meter. Berger hat das Problem mit dem Dreh-Antrieb gelöst.
"Das war aber eher eine Image-Sache", sagt er bescheiden. Wofür der Besitzer im Wohnzimmer allerdings die Drehscheibe brauchte, weiß Berger nicht zu sagen. Mit solchen Dingen beschäftigt er sich ungern. Hauptsache ist, das System funktioniert.
Damit seine Firma, die derzeit vier Angestellte umfasst, in den nächsten Jahren funktioniert, braucht der ehemalige SKF-Mitarbeiter zwei Dinge: Geld und qualifizierte Mitarbeiter. Beides ist nicht einfach zu bekommen. "Ich könnte ein bis zwei Leute mehr beschäftigen, aber dafür fehlt das Kapital." Und manche Aufträge fallen einfach weg, weil zu wenig Manpower vorhanden ist. Ein Teufelskreis also. Um sich aus diesem herauszuwinden, braucht Berger etwa eine halbe Million Mark. "Ich muss mich unbedingt um Kapital kümmern", sagt er unentschlossen.
Berger ist ein Unternehmer, der von den Folgen der Gründung fast überrollt wurde. "Man hätte mehr Vorbereitungszeit gebraucht." Jetzt ist er oft damit beschäftigt, Krisen-Management zu betreiben. Zum Beispiel bei der Verwaltung: "Viele Sachen fressen einen auf, die nichts mit dem Geschäft zu tun haben." Er habe am Anfang nicht einkalkuliert, dass so viele Abende einfach drauf gehen. "Auch für ein Marketingbüro fehlt es an Zeit und Geld."
Sorgen bereiten ihm die Entwicklungsaufträge aus der Forschung. Denn bis ein System in Serie produziert wird, können schnell zwei Jahre ins Land gehen. Zwei Jahre, in denen Berger nicht viel Geld sieht. Aber er hat aus seinen Fehlern am Anfang gelernt. "Alles bis auf zehn bis 20 Prozent muss bezahlt sein." Viele Auftraggeber weigerten sich nämlich, zu bezahlen oder wollten Monate nach der Lieferung über den Preis feilschen.
Trotz aller Probleme ist Berger angriffslustig geblieben. "Ich will unbedingt expandieren." Denn die Basis sei vorhanden. 50 Prozent der Aufträge kommen automatisch ins Haus, für dieses Jahr ist ein Umsatz von 1,2 Millionen Mark geplant. Berger will über seine Hauptvertriebs-Gebiete hinauskommen. Fast als ob es darum geht, als Feldherr ein neues Land zu erobern, sagt er: "Nürnberg ist ein weißer Fleck auf meiner Umsatzkarte, das muss ich unbedingt ändern."
Und trotz aller Probleme bedauert es der Jungunternehmer auch nicht, den Schritt in die Selbstständigkeit getan zu haben. "Von der Arbeit ist es hoch interessant." Und am Ende findet er - der sich so oft unpersönlich ausdrückt - doch noch zu einer anderen Form: "Ich bin glücklich, weil ich mich in meiner Firma selbst entfalten kann."