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GEROLZHOFEN: Die aufgewärmte Idee

GEROLZHOFEN

Die aufgewärmte Idee

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    Das alte Zollhaus an der Frankenwinheimer Straße ist heute das Wohnhaus der Familie Unger.
    Das alte Zollhaus an der Frankenwinheimer Straße ist heute das Wohnhaus der Familie Unger.

    Derzeit sorgen die Pläne von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, auch auf deutschen Straßen die Pkw-Maut einzuführen, für Aufregung. Letztlich ist diese Idee aber nur aufgewärmt. Denn schon im 15. Jahrhundert hat die Stadt Gerolzhofen mit einer Straßenbenutzungsabgabe versucht, ihre Finanzen aufzubessern. Die Maut hieß damals allerdings noch Pflasterzoll. Bis etwa zum Jahr 1935 wurde in Gerolzhofen noch fleißig abkassiert.

    In früher Zeit konnte man nur durch vier Toranlagen überhaupt in die befestigte Stadt gelangen. An jeder der vier Einfallstraßen – an der Dingolshäuser, Schallfelder, Frankenwinheimer und Rügshöfer Straße – wurde der Pflasterzoll kassiert. Zuständig dafür waren Privatpersonen, die für das Recht, den Zoll eintreiben zu dürfen, einen bestimmten Jahresbetrag an die Stadt zu entrichtet hatten. Den Überschuss ihrer Einnahmen durften sie behalten.

    Wo in der Dingolshäuser Straße der Zoll erhoben wurde, ist bislang noch nicht geklärt. Bekannt ist aber, dass in der Schallfelder Straße die Familie Jäth dafür zuständig war, die in der Hausnummer 7 wohnte. Auf einem alten Bild im Stadtarchiv sieht man an dem mit Spalierobst geschmückten Haus sogar noch den Pflasterzolltarif an einer Schautafel hängen. Der Zolleinnehmer saß am Fenster und wenn ein Fuhrwerk des Weges kam, hielt er an einer langen Stange eine Art Klingelbeutel dem Fuhrmann unter die Nase.

    In der Rügshöfer Straße war die Zollstelle am Anwesen mit der modernen Hausnummer 27, rechts von der alten Büttnerei Albert (heute das Hotel „Altes Zollhaus“). Auch von diesem Häuschen gibt es noch eine historische Schwarzweiß-Aufnahme, wo man die aushängende Tafel mit den Tarifen über dem Türstock erkennen kann.

    In der Frankenwinheimer Straße beziehungsweise in der Bahnhofstraße sind nur die beiden letzten Zollstellen aus moderner Zeit bekannt: zunächst im Gebäude, in dem heute das Jugendhaus untergebracht ist und ab 1912 dann im Häuschen Frankenwinheimer Straße 15 (das heutige Wohnhaus des Ehepaares Unger).

    Dieses Häuschen stand übrigens früher an anderer Stelle: Es war ursprünglich das Bürogebäude des Steinwerks Vetter (Eltmann/Gerolzhofen) westlich der Bahnlinie, wo heute die BayWa-Niederlassung ist. 1912 wurde das Haus abgetragen und einige Hundert Meter weiter stadtauswärts wieder aufgebaut.

    Die Höhe des Pflasterzolls wurde in regelmäßigen Abständen vom Stadtrat festgelegt und veröffentlicht. Die älteste überlieferte Preisliste aus Gerolzhofen stammt aus der Zeit um 1485. Dort ist festgelegt, dass Händler, die mit ihren Karren „Brot, Nüsse, Äpfel, Birnen etc.“ in die Stadt bringen, einen Heller (1/2 Pfennig) als Wegzoll zahlen müssen. Für wertvollere Ladungen, etwa bei Salz, wurden sechs Pfennige fällig.

    Eine moderne Pflasterzoll-Ordnung wurde am 17. Dezember 1868 von der Stadt erlassen, abgezeichnet von Friedrich Reinhard Karl Ludwig Graf von Luxburg, dem damaligen Regierungspräsident von Unterfranken und Aschaffenburg.

    Im Mittelpunkt auch dieser Ordnung steht die Preisliste: Zu zahlen waren zwei Kreuzer für jedes angespannte Pferd und eineinhalb Kreuzer für jedes angespannte Rind – womit also die Fuhrwerke abkassiert wurden. Frei gehende Pferde oder Rinder kosteten einen Kreuzer. Schaf, Kalb oder Schwein durften für einen halben Kreuzer in die Stadt.

    Es wurde aber auch Mengenrabatt gewährt: „Berühren diese Tiere in Herden das Straßenpflaster in Gerolzhofen, so ist für je zehn Stücke bloß ein Pflasterzoll von drei Kreuzern zu entrichten.“ Wer ohne tierische Hilfe seine Waren bewegte, musste trotzdem zahlen. Jeder „Schiebkarrenführer“ musste einen halben Kreuzer berappen.

    Die Liste derer, die vom Pflasterzoll befreit waren, ist lang. Da waren zunächst einmal natürlich die Gemeindebürger und Bewohner von Gerolzhofen, außer wenn diese im Auftrag von Auswärtigen Transportfuhren erledigten.

    Dann waren auch alle „ärarialischen“, also die staatlichen Fuhrwerke und die des königlichen Hofes vom Zoll befreit, sowie die Postomnibusse, die Fuhren mit Kohle, Staatsbedienstete und Soldaten auf Dienstreise – und die auswärtigen Besucher, die am gleichen Tag schon einmal gezahlt hatten. Befreit von der Maut waren dankenswerterweise auch „die Fuhrwerke und Tiere, welche aus Anlass der Leistung von Nothilfe in Brand- oder sonstigen Unglücksfällen das Straßenpflaster berühren“.

    Wer sich der Zahlung des Pflasterzolls widersetzte oder eben versuchte, die Zollstelle zu umfahren, musste mit empfindlichen Strafen rechnen. Bei Wiederholungstätern war als Strafe gar der 20-fache Betrag des hinterzogenen Zolls möglich.

    Dass es wiederholt solche Unterschleifversuche gab, daran konnte sich auch noch Johanna Albert erinnern, als sie vor gut zehn Jahren im Alter von 85 Jahren als Zeitzeugin befragt wurde.

    „Für viele Bauern war der Pflasterzoll ein lästiges Übel, das unnötig Geld kostete.“

    Johanna Albert wurde im Zollhaus geboren

    Ihre Großmutter Maria Bätz hatte 33 Jahre lang den Zoll am westlichen Stadtrand, zuletzt in der Frankenwinheimer Straße 15, eingenommen. Johanna, die im September 1918 von ihrer Mutter Maria Wirtz im Zollhaus geboren worden war, bei ihrer Oma aufwuchs und später den Beruf der Putzmacherin erlernte, durfte als junges Mädchen mithelfen.

    „Für viele Bauern war der Pflasterzoll ein lästiges Übel, das unnötig Geld kostete.“ Und so wurde oft gemogelt. Denn als die Stadtmauer im Bereich der Entengasse durchbrochen und so eine fünfte Einfahrt in die Innenstadt ermöglicht wurde, war es für Auswärtige relativ einfach, die Zollstation zu umfahren. „Die fuhren dann über die Weiße Marter“, erinnerte sich Johanna Albert.

    Im Zeitzeugen-Interview erinnerte sich Johanna Albert auch noch daran, dass die Bauern und Händler, die die Frankenwinheimer Straße befuhren, kurz vor der Station ihren Pferden die Peitsche gaben, um in schneller Fahrt ohne Stopp passieren zu können.

    Es nützte aber nichts: „Oma und ich rannten hinterher und verlangten das Geld.“ Denn Oma Maria hatte 500 Mark für das Zolleinnehmerrecht an die Stadt entrichtet. Und zumindest dieser Betrag musste wieder eingenommen werden. Viel mehr war es meistens nicht. „Es war nur ein kärgliches Zubrot zu ihrer schmalen Rente“, erzählte Johanna Albert.

    Dafür musste man viele Opfer aufbringen. Und früh aufstehen. Maria Bätz stand schon morgens um drei Uhr parat, wenn die Fuhrwerke aus umliegenden Gemeinden zum Holzholen im Steigerwald durchkamen. Die Fuhrleute bekamen nach der Bezahlung von der Maut-Einnehmerin eine Quittung ausgestellt, die eine freie Rückfahrt durch das Gerolzhöfer Stadtgebiet garantierte.

    Eine solche Art von Quittung plant ja auch der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Allerdings soll sie Vignette heißen. . .

    In loser Folge greift die Main-Post historische Themen auf, die in der Gerolzhöfer Facebook-Gruppe diskutiert werden. Tipps und Anregungen richten Sie bitte an klaus.vogt@mainpost.de oder gerne auch telefonisch an die Lokalredaktion Gerolzhofen unter Tel. (0 93 82) 97 20 53.

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