„Er habe sich so sehr aufgeregt“, sagt der Spaziergänger aus der näheren Umgebung, der kürzlich wieder einmal am sogenannten Vetter-See unweit der Straße von Rügshofen nach Mönchstockheim vorbeigekommen ist. Ein Unbekannter hatte dort am Ufer neben dem Wassereinlauf des kleinen Biotop-Sees neben dem Flurbereinigungsweg zur ehemaligen Erdaushub- und Bauschuttdeponie am Dammholz illegal gut einen halben Zentner gebeizten Weizen entsorgt.
Daraufhin schrillten bei unserem Informanten, der ungenannt bleiben möchte, alle Alarmglocken. Dazu muss man wissen, dass früher in der Landwirtschaft sogenannte Quecksilberbeizen zum Einsatz kamen. Sie waren zwar sehr wirksam, allerdings eben auch äußerst giftig. Seit 1982 sind diese Quecksilberbeizen in Deutschland verboten. Der Verzehr dieser Körner hätte den vielen Vögeln an dem kleinen Weiher, ebenso wie anderem Getier in der Tat den sicheren Tod gebracht.
Der heutzutage auf den Feldern ausgebrachte gebeizte Weizen ist nicht mehr mit Giftweizen gleichzusetzen. Allerdings ist auch er wegen seiner chemischen Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln nicht „ohne“. So ist es aus gutem Grund weder erlaubt, noch sachgemäß, das gebeizte Saatgut wie hier am Seeufer nördlich von Rügshofen zu verschütten. Dies ist und bleibt eine illegale Abfallentsorgung.
Vor allem Fische sind gefährdet
Gefahr geht vor allem für Fische aus, wie Pflanzenschutzexpertin Maria Staufer vom Fachzentrum Pflanzenbau am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Würzburg auf Anfrage dieser Zeitung bestätigt. Der gebeizte Weizen ist nämlich „fischgiftig“. Maria Staufer unterstreicht, dass die Körner nicht ins Wasser etwa von Gewässern wie Seen oder Bächen gelangen dürfen. Deshalb sei die Ablagerung des gebeizten Saatguts an dem Biotop-See bei Rügshofen auch alles andere als ordnungsgemäß.
Überhaupt dürfe gebeiztes Saatgut nicht offen herumliegen. Für den sachgemäßen Umgang gebe es klare Vorgaben. Deshalb würden auch sie und die anderen Mitarbeiter des Fachzentrums zum Beispiel stets Handschuhe tragen, um jeden unnötigen direkten Körper- und Hautkontakt damit zu vermeiden. Auch allergische Reaktionen seien nicht auszuschließen. Vor der Verwendung sollte stets erst das Etikett mit den Produktinformationen und Warnhinweisen auf den Säcken gelesen und diese entsprechend befolgt werden.
"Dem Mittel muss man gewisse Sorgfalt und Vorsicht angedeihen lassen."
Pflanzenschutzexpertin Maria Staufer
Was die Tierwelt, abgesehen von den besonders gefährdeten Fischen anbelangt, so rate sie dazu, „dass es die Vögel nicht unbedingt fressen sollten“. Maria Staufer unterstreicht: „Es handelt sich hier um ein Mittel, dem man gewisse Sorgfalt und Vorsicht angedeihen lassen muss.“
Das alles ist auch der Grund, weshalb das Saatgut, wie in diesem Fall rötlich gefärbt ist. So kann man es vom normalen, chemisch unbehandelten Saatgut unterscheiden. Die Körner sind heutzutage, wie in diesem Fall, gegen Brandkrankheiten wie Flug- und Steinbrand, Schimmelbefall oder auch Schlauchpilze, sogenannte Fusarien, mit Pflanzenschutzmitteln behandelt, sprich gebeizt worden. All diese Pilze und Krankheiten würden das Getreide schädigen. Die Ausbringung der wegen des Beizschutzes rot gefärbten Körner auf dem Getreideacker ist somit eine normale landwirtschaftliche Vorgehensweise, um durch ein gesundes Wachstum einen guten Ertrag zu erzielen.
"Getreidesorte an sich unbedenklich"
Einer der weltweit größten Saatguthersteller und -entwickler im Hinblick auf landwirtschaftliche Nutzpflanzen wie Getreide, Zuckerrüben oder Mais ist die Firma KWS Saat SE mit Sitz im niedersächsischen Einbeck. Nach Rücksprache mit ihrer Fachabteilung teilte Konzernsprecherin Sina Barnkothe dieser Redaktion mit, dass nach ihrem Kenntnisstand die Getreidesorte, die an dem Seeufer entdeckt worden war, „an sich völlig unbedenklich einzustufen ist“. Um konkrete Aussagen zu dem Beizmittel mit den entsprechenden Wirkstoffen und dessen Umgang treffen zu können, hätte es aber des auf dem Sack enthaltenen amtlichen Etiketts bedurft.
Aber auch Sina Barnkothe weist darauf hin, dass durch die Beizung bei unsachgemäßer Verwendung eventuelle Risiken nicht auszuschließen seien. Für den sachgemäßen Umgang mit gebeiztem Saatgut gebe es daher klare Vorschriften, so die KWS-Sprecherin weiter, die uns diesbezüglich zugleich an die verantwortliche Pflanzenschutzbehörde in der hiesigen Region verwiesen hatte
Nicht das erste Vorkommnis dieser Art am Vetter-See
Nach Aussage von Jagdpächter Robert Bumm (Kolitzheim) sei dies nicht der erste Fall von illegaler Abfallentsorgung an dem kleinen Naturparadies gewesen. Das See-Biotop befindet sich im Besitz der Stadt Gerolzhofen, die auch regelmäßig durch ihre Mitarbeiter zum Beispiel die Abfallkörbe an der kleine Sitzgruppe neben dem zum Dammholz und weiter nach Bischwind führenden Flurbereinigungsweg ausleeren lässt. Der kleine Weiher war in früheren Jahrzehnten im Besitz des bekannten Rügshöfer Spediteurs Peter Vetter und wird deshalb von der Bevölkerung gerne als „Vetter-See“ bezeichnet. Nachdem der See im Sommer einmal umgekippt war, schaut Robert Bumm dort regelmäßig nach, dass das Wasser, das den See im Silberbachgrund speist, am Einlauf läuft und frisch ist.
Das gebeizte Saatgut samt der dort ursprünglich zurückgelassenen Papiersäcke ist übrigens inzwischen wieder beseitigt worden. Offenbar hatte möglicherweise derjenige, der es hier verschüttet hatte, Wind davon bekommen, dass die illegale Abfallentsorgung öffentliche Aufmerksamkeit erregt hatte.
Hat der Vorfall mit der Umstellung auf Öko-Landbau zu tun?
Doch was könnte jemanden veranlasst haben, gebeiztes Saatgut hier illegal zu entsorgen? Robert Bumm hat einen Verdacht. Er könnte sich vorstellen, dass es sich um einen Bauern handelt, der von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft umgestellt hat oder gerade umstellt. Dazu muss er sich zum Beispiel sämtlicher chemisch gebeizter Ware auf dem Hof entledigen. Dafür gibt es den entsprechenden finanziellen Ausgleich für Bio-Landwirte.
Robert Bumm will nach dem jüngsten Vorkommnis jetzt verstärkt ein besonderes Auge auf den Vetter-See werfen, wie er betont.
