Eigentlich hätte der Weihbischof oder mindestens der Dekan kommen müssen – damals zur Glockenweihe. Aber irgendwann ist wohl dem Pfarrer der Kragen geplatzt, weil die Kirchenoberen keinen Termin fanden und hat die Sache selbst in die Hand genommen. Die „alten Katholiken“ der Gemeinde denken zurück an die Zeit, als die Hedwigskirche Glocken und Orgel bekam. Da kommt so manche Episode ans Tageslicht, die nicht in den Geschichtsbüchern steht.
Öffentlich machte sie der Ortsgeschichtliche Arbeitskreis beim historischen Stammtisch. Ein Super-Acht-Film von Wolf-Dieter Thiel führte rund 30 Jahre zurück in die Vergangenheit. Nachdem die Filialgemeinde 1976 ihre Kirche hatte einweihen können, beschloss sie 1980, auch Glocken und eine Orgel anzuschaffen. „Die Anstrengung für die Pfarrgemeinde war enorm“ erinnert sich Hans Proske. Um kurz nach dem Kirchenbau auch noch die finanzielle Belastung für Glocken und Orgel zu stemmen, mussten die Gläubigen kreativ sein. „Meine Frau hat damals kleine Glocken aus Ton gefertigt und verkauft“, erinnert sich Wolfgang Knoblauch. Hildegard Schneider weiß es genau: „So eine hab' ich noch.“
60 000 Mark mussten für die Glocken zusammenkommen, die Orgel war noch teurer. Aber man war einfallsreich: Es wurde ein Abdruck der Kupferplatten auf den Kirchentüren gefertigt, Künstler Anton Lehmden zum Signieren nach Österreich geschickt. Die vervielfältigten Werke gingen in den Verkauf. Hans Proske staunt noch heute: „Da haben die Leute hundert Mark hingelegt.“
Einige Pfarreimitglieder sind eigens mit Pfarrer Lothar Kirchner in die Glockengießerei nach Bad Friedrichshall gefahren, um bei der Herstellung dabei zu sein. „Es war eine eigentümlich feierliche Atmosphäre in dieser eigentlich doch schmutzigen Halle“, erinnert sich Wolfgang Knoblauch. Bei Qualm und gewaltiger Hitze, begleitet von den Gebeten des Pfarrers entstanden die vier Glocken der Hedwigskirche: die 687 Kilogramm schwere Christusglocke und die kleineren, die Marien-, Hedwigs- und Kiliansglocke. Die Hedwigsglocke wurde von der politischen Gemeinde und die Kiliansglocke von Wilhelm Krämer gestiftet. „Die Frau hat sich ganz schön gewundert, dass der uns eine Glocke stiftet“, erinnert sich einer der Anwesenden.
An Allerheiligen 1981 riefen die Glocken erstmals die Gemeindemitglieder zum Gottesdienst. Das allerdings nicht zu jedermanns Freude. Einige Anwohner beschwerten sich heftig über die neue „Musik“. „Es sind sogar welche weggezogen“, erinnert sich Norbert Göbel. Und Helene Baumann erzählt, dass die Glocken am Anfang so laut waren, dass beim Wandlungsläuten die Kirchenbänke vibrierten. Daraufhin habe man den Glockenturm verschalt: Dann war es besser.
Um nicht mit den Nachbarn in Streit zu geraten, lenkte die Pfarrgemeinde auch beim Geläut ein. Das „Sechs-Uhr-Läuten“ wurde auf sieben Uhr verschoben und das Elf-Uhr-Läuten ganz weggelassen, erzählt Lorenz Bremer. Christa Mott zog vor elf Jahren in die unmittelbare Kirchennachbarschaft und hörte immer noch als Erstes von den Anwohnern: „Erst haben wir für die Glocken gespendet und jetzt wecken sie uns jeden Morgen auf.“
1984 ist die nächste Anschaffung verwirklicht worden: 1761 Orgelpfeifen sind auf knapp drei Quadratmeter Stellfläche auf der Empore des Gotteshauses montiert worden. Der Film zeigt, in welch halsbrecherischen Aktionen die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter die Orgelbauteile auf die Empore zogen. Mancher schüttelt darüber heute den Kopf.
„Das alles ist erst 30 Jahre her, und doch schon so weit weg“, wundert sich Peter Götz. Norbert Göbel staunt über die „vielen Leute“, die damals mitgeholfen haben. Ursula Weippert stellt fest, dass es noch immer dieselben sind.
Und Hans Proske äußert seine Vermutung, warum der damalige Weihbischof damals keine Zeit fand, die Glocken zu weihen: Er sei nämlich in Schwebheim bei einem früheren Besuch ausgebuht worden. Daran können sich einige Schwebheimer noch erinnern. Der Bischof war mit dem Auto vorgefahren, feierlich erwartet von der Pfarrgemeinde. Er begrüßte seine Schäfchen jedoch mit den Worten: „Grüß Gott, liebe Hesselbacher!“