Pfarrer Braun konnte es einfach nicht lassen: Die Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde begann 1566 mit einem Rechtsstreit, zwischen dem katholischen Pfarrer von Geldersheim und Grundherr Eyrich von Münster. Der adelige Protestant benötigte einen Geistlichen für seine Dorfkirche in Niederwerrn. Die war gerade „lutherisch“ geworden. Braun weigerte sich, hierher und vom katholischen Glauben abzurücken.
Als erster Pfarrer des „Augsburger Bekenntnisses“ trat Stefan Schatz sein Amt an, in einem schlichten Kirchlein mit Gottesacker, umgeben von einem Lattenzaun: ein Pfarrhaus gab es damals noch nicht, nur einen Vorgänger des 2000 renovierten Mesnerhauses, als Schule. Unter der Kirchenempore ist Schatz? Grabplatte aus dem Jahr 1612 erhalten. „Rein und lauter“ wurde unter dem Neuen das Evangelium gepredigt, zitiert Kirchenforscher Erich Kupfer den späteren Nachfolger und protestantischen Patrioten Hermann Bohrer.
Feier am Wochenende
An diesem Wochenende feiert die Kirchengemeinde gleich doppelt Jubiläum: 450 Jahre Reformation in Niederwerrn und 300 Jahre Dorfkirche. Zumindest findet sich über dem Südportal die Jahreszahl „1716“. Am 13. August gleichen Jahres wurde auf dem für 827 Gulden neu errichteten Turm eine goldene Kugel gesetzt, mit Wetterfahne, als krönender Abschluss einer zehnjährigen Neubau- und Vergrößerungsphase.
Es waren Tiroler Arbeiter, die an Kirchenstühlen, Kanzel und Decke werkelten, 1713 zog erstmals eine Orgel ein, aus Oberlauringer Werkstatt.
Die Kirchengeschichte selbst reicht weitaus tiefer in die Vergangenheit hinein – tief in den Boden des Kirchbergs. 1342 wird erstmals eine „Ecclesia“, eine Kirche, erwähnt. Verfärbungen im Boden ließen bei Grabungen darauf schließen, dass schon vor gut einem Jahrtausend ein kleiner Holzbau über „Werna“ gewacht haben wird.
Zum Jubiläumsfest hat nun Kupfer aufwendig eine „Chronik der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Niederwerrrn“ recherchiert und geschrieben. Eine Grundlage dafür war die Pfarrbeschreibung des „königlich bayerischen Pfarrers“ Bohrer, Seelsorger von 1912 bis 1918. Der Schreiber des Pfarrbuchs soll ein unbekannter Oberprimaner gewesen sein, mit auffallend schöner Sütterlinschrift: „Mit jedem Pfarrer, der nachgekommen ist, ist die Schrift immer schlechter geworden“, schmunzelt Kupfer, Vorsitzender des Kirchenbauvereins, bei dem die Chronik erhältlich ist, ebenso wie im Pfarramt. Auf 117 Seiten gibt es ein detailreiches Sittengemälde Niederwerrns zu bestaunen, das bis in die Nachkriegszeit als evangelische Hochburg galt.
Schweden und Russen
Wer weiß etwa, dass rund um die Kirche 300 gefallene Schweden liegen sollen. Der schwedische General Wrangel hatte 1647 Schweinfurt beschossen, mit dem Niederwerrner Wirtshaus als Hauptquartier und eigenen Verlusten. „Der Kirchhof wurde ganz umgegraben“, heißt es im Kirchbuch.
Anfang November 1813 zogen sogar die Russen durch Niederwerrn, mit Zar Alexander, im Krieg gegen Napoleon.
Es hat seit dem Bauernkrieg 1525 oder dem Markgräflerkrieg 1553 immer im Sturm der Geschichte gestanden, das Dorfkirchlein. Bereits Schatz? Nachfolger, Michael Leypold, wurde 1627 vom Abendessen gen Würzburg verschleppt, wo er im fürstbischöflichen Kerker seinem Glauben abschwören sollte. Der Dreißigjährige Krieg rollte mehrfach über den Ort hinweg, mit Pest, Feuer und „überkonfessioneller“ Plünderung.
Hernach gab es einigen Reparatur- und Erweiterungsbedarf. Seit 1741, der Zeit der Aufklärung, dreht sich der Zeiger der Turmuhr, der Sömmersdorfer Bildhauer Joes Georgius Gosohorsky steuerte 1758 den prachtvollen Rokoko-Altar bei. 1796 fielen die revolutionären Franzosen ein, Pfarrer Feghelm wurde verschleppt, misshandelt und starb an den Spätfolgen. 1857 sollte die Kirche schon abgerissen und völlig neugebaut werden. Pfarrer Konrad Hartlieb setzte sich für den romantischen Altbau ein. Das Idyll bekam allerdings buchstäblich Risse, es wurde reichlich renoviert. Seit dem Abschluss, im Kometenjahr 1910, gibt es das Himmelfahrtsbild als Glasfenster, eine Spende von Pfarrer Hellmuth: Kurz vor dem Weltkrieg verängstigten der „Januarkomet“ und (am 20.
April) der Halleysche Komet die Bevölkerung. 1916 stifteten die „Frauen und Jungfrauen“ ein Glasbild mit Soldaten, die ihre Lieben in die Schützengraben verlassen, dabei werden sie von Christus gesegnet: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage.“ Der Kirchturm, er sah weitere Schrecken, Hyperinflation, die Machtergreifung der Nazis, die Gewaltorgie der Pogromnacht 1938 gegen die jüdischen Nachbarn. Zwei der drei Glocken entgingen im totalen Krieg nur mit Glück der Einschmelzung.
Generalsanierung
Von 1973 bis 1978 folgte die Generalsanierung, seit dem Jahr 2000 erstrahlt auch der Kirchturm buchstäblich im neuen Licht.
An diesem Wochenende, vom 23. bis zum 24. Juli, laden die Pfarrer Grit Plößel und Euclesio Rambo zum Jubiläumsfest ein, rund um die Kirche, am Samstag ab 18 Uhr mit Wein, Samba und Livemusik, außerdem einem Festgottesdienst am Sonntag, ab 10 Uhr mit Regionalbischöfin Gisela Bornowski.