Am Samstag wird das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld zum letzten Mal Strom produzieren, die charakteristischen Kühltürme werden zum letzten Mal Dampfwolken in den Himmel blasen. Stück für Stück wird das Kraftwerk dann zurückgebaut und über die Jahre verschwinden. Johannes Kiefers Fotos allerdings werden bleiben. Der Kommunikationsdesign-Student aus Würzburg fotografierte im Mai 2014 das Kernkraftwerk in allen Einzelheiten. Ein Verleger fand die Bilder so gut, dass er vorschlug, einen Bildband daraus zu machen. Ende Juni erscheint das Buch.
„Das war echt spannend. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet“, sagt der 26-Jährige über seinen Besuch im Kraftwerk. Sein Onkel arbeitet dort und organisierte die mehrtägige Führung während der letzten Revision, also der letzten Überprüfung des Kraftwerks.

„Vor dem Betreten muss man einen zweistündigen Film schauen“, erklärt Kiefer das Sicherheitsprozedere. Dazu bekam er einen Fragebogen ausgehändigt, den er anhand des Films beantworten musste. Wie beim Flughafen gibt es Sicherheitsschleusen, auch die Fotoausrüstung musste vorher detailliert angemeldet werden. Doch der Aufwand hat sich gelohnt. „Ich habe bestimmt 1500 bis 2000 Bilder geschossen“, schätzt der Student.
Sein Stil ist die Zentralperspektive: Die Linien im Bild laufen auf einen Fluchtpunkt zu. „So entsteht ein Eindruck, als dass man mitten im Raum steht“, sagt Kiefer. „Ich liebe es, wenn es geordnet ist.“
Spektakulärer Blick in die Kühltürme
Kiefer durfte fast alle Bereiche betreten und fotografieren. Da das Kraftwerk bei der Revision außer Betrieb war, hatte er auch die seltene Gelegenheit, das Reaktorgebäude und die Kühltürme zu betreten. „Der Kühlturm war am spektakulärsten. Wir sind über Feuerwehrleitern an der Außenwand bis ganz nach oben gestiegen auf 143 Meter.“ Aufregend sei das gewesen, vor allem beim Abstieg, als es heftig zu regnen anfing. „Aber das hat Spaß gemacht, das war Abenteuer.“

Besonders beeindruckend war auch der Reaktor. „Beim Reingehen ins Reaktorgebäude war mir am mulmigsten“, sagt Kiefer. „Als erstes denkt man da an die Strahlung.“ Er konnte das Wasserbecken und die Brennelemente sehen. Der Zutritt war nur mit Ganzkörperanzug und Geigerzähler erlaubt. „Man merkt, dass da was ist, wenn der Geigerzähler hochgeht.“ Die Belastung war aber nur minimal.
Aus seinem Bilderschatz fertigte Kiefer dann einen ersten Fotoband an, für eine Seminararbeit. Nach einer Ausstellung in der Fachhochschule in Würzburg kam der Verleger Peter Hellmund auf ihn zu und schlug eine Kooperation vor. Kiefer sagte zu und sammelte Geld über Crowdfunding: Auf einer Internetplattform kauften Unterstützer vorab Bücher oder Fotos und finanzierten das Projekt so teilweise mit 1700 Euro.

Geld verdienen werde er mit dem Buch wohl nicht, meint Kiefer. „Es ist eher ein Liebhaberprojekt vom Verleger und mir.“ Der Preis für eines der 750 gedruckten Exemplare liegt bei 18 Euro und enthält ein Essay vom Schweinfurter Lothar Reichel, der vor allem als Krimiautor bekannt ist. Wichtig war Kiefer, keine Position für oder gegen Atomenergie zu beziehen. „Das Buch ist komplett neutral gehalten.“
„Für viele, die in der Umgebung des Kraftwerks aufgewachsen sind, wäre das Buch eine Erinnerung“, sagt Kiefer. Auch er hat sich ein Andenken gesichert: Sein Lieblingsbild, das das Innere des Kühlturms zeigt, hängt als Poster in seinem Zimmer.
Das Video, mit dem Kiefer auf der Crowdfundig-Plattform "Startnext" um Unterstützer warb: